Wer Risiko-Gene für lebensgefährliche Herz-Kreislauf-Erkrankungen in sich trägt, soll trotzdem sicher Sport treiben und von den vielen positiven Effekten für die Gesundheit profitieren können. Darauf zielt ein neues Trainingskonzept ab, das Münchner Herzspezialisten derzeit mit Unterstützung der Deutschen Herzstiftung entwickeln.

Mehr Lebensqualität dank Sport: Die allermeisten Menschen mit Herzproblemen profitieren von regelmäßiger Bewegung. Doch wer an der Erbkrankheit ARVC leidet, der steckt in einem großen Dilemma: Denn falsches Training kann tödlich enden. „Im schlimmsten Fall kann es zu heftigen Herzrhythmusstörungen kommen, die zum plötzlichen Herztod führen können. Doch zugleich haben insbesondere viele junge ARVC-Patienten das Bedürfnis, sich sportlich zu betätigen. Sie möchten nicht darauf verzichten“, weiß Professor Dr. Martin Halle, Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung und Ärztlicher Direktor der Abteilung für Präventive Sportmedizin und Sportkardiologie im TUM Klinikum (Technische Universität München). Mit seinem Team aus Herzspezialisten und Sportwissenschaftlern arbeitet der Kardiologe derzeit an einem neuartigen Konzept, das Menschen mit dieser Erbkrankheit ein sicheres Training ermöglicht. Geplant sind konkrete Trainingsprogramme und eine APP, um die Belastung optimal dosieren zu können. Die Deutsche Herzstiftung fördert das Forschungsprojekt mit 100.000 Euro (Titel: „Evaluierung eines neuen Trainingskonzeptes auf Machbarkeit und Sicherheit bei Patienten mit Arrhythmogener (Rechtventrikulärer) Kardiomyopathie [ARVC/AVC]“).

„Mit ihrer Forschungsarbeit zu Trainingsformen für Patienten mit ARVC leisten Professor Halle und sein Team einen sehr wichtigen Beitrag sowohl zur Prävention des plötzlichen Herztods als auch zu einer besseren Lebensqualität der meist jungen Patienten mit ARVC“, erklärt der Kardiologe Prof. Dr. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung, zur Förderung des Forschungsprojekts am TUM Klinikum.

Konkrete Handlungsempfehlungen gegen häufige Verunsicherung

Gerade junge Betroffene sind sehr häufig verunsichert. Sie fragen sich, ob sie sich im Alltag überhaupt belasten und Sport treiben können – und falls ja wie.  „Für diese Patienten möchten wir konkrete Handlungsempfehlungen erarbeiten. Sie zielen darauf ab, ihnen die Unsicherheit zu nehmen, ihre Lebensqualität und psychisches Wohlbefinden zu verbessern und Begleiterkrankungen zu verhindern“, erläutert Herzstiftungs-Experte Halle.

Elektrische Turbulenzen im Herzen

ARVC ist eine Erbkrankheit, die in Deutschland etwa jeden 5000. Menschen betrifft. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie an die Kinder weitergegeben wird, beträgt unabhängig vom Geschlecht etwa 50 Prozent. Der wissenschaftliche Hintergrund: ARVC steht für arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie. „Die Erkrankung resultiert aus Fehlbildungen der Wand der rechten Herzkammer. Dadurch verliert der Herzmuskel an seiner rechten Seite an Muskulatur, es lagert sich zunehmend Fettgewebe ein und es bilden sich Vernarbungen. Der Herzmuskel wird zunehmend geschwächt. Durch diesen chronischen Prozess kommt es zu elektrischen Turbulenzen im Herzen und Fehlfunktionen. Diese können im fortgeschrittenen Stadium lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen zur Folge haben“, erläutert Halle.

Bisherigen Forschungen zufolge geht die Erbkrankheit auf eine Störung der Zellverbindungen im Herzmuskel zurück. „Sie sind über bestimmte Brücken miteinander verbunden. Bei ARVC driften diese Brücken auseinander, die Verbindung der Zellen verliert sich“, erklärt Halle.

Weil sich die Erkrankung meistens in der Pubertät auspräge, stelle sie die jungen Menschen vor eine große Herausforderung, so der Kardiologe. „Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind oft stark verunsichert. Sie treiben Fragen um wie diese: Kann ich am Schulsport teilnehmen? Kann ich zum Wandern und Skifahren gehen? Kann ich im Fitnessstudio trainieren oder joggen?“ Hierzu halte sich in der Ärzteschaft noch immer hartnäckig die Meinung, ARVC-Patienten sollten sicherheitshalber lieber grundsätzlich auf Sport verzichten, berichtet Sportkardiologe Halle. Diese Empfehlung sei allerdings nicht zielführend, weil sie viele junge Menschen frustriere und ihrer Lebenswirklichkeit diametral entgegenstehe. Zudem stehe einem kontrollierten moderat-intensiven Training meistens nichts im Wege. Allerdings seien genaue Pläne mit konkreten Empfehlungen zwingend erforderlich.

Sportkardiologe Prof. Halle: „Die Art der Belastung macht den Unterschied“

Nach den Erkenntnissen der Münchner Kardiologen und Sportwissenschaftler kommt es bei ARVC-Patientinnen und -Patienten entscheidend auf die Art der körperlichen Belastung sowie auf das individuelle Risikoprofil an. Die aktuelle DGPK-Leitlinie (1) bleibt allgemein in ihrer Empfehlung (Krafttraining wird nicht explizit erwähnt) und unterscheidet zwischen „Genträgern ohne typische Befunde“ und solchen mit ausgeprägten Merkmalen der Herzmuskelerkrankung („phänotypische Ausprägung“). Für beide Gruppen gilt: Leistungssport und hochintensiver Freizeitsport sollten vermieden werden. Bei einer phänotypischen Ausprägung sind milde bis moderate körperliche Aktivitäten unter bestimmten Voraussetzungen möglich – etwa wenn keine belastungsinduzierten Rhythmusstörungen, keine Synkopen oder kein Kreislaufstillstand vorliegen.

Prof.  Halle und Kollegen postulieren, dass kurze Belastungen und Krafttraining wahrscheinlich eher unproblematisch sind. „Die Patienten sollten beispielsweise davon absehen, eine halbe Stunde zum Laufen zu gehen. Sie können aber durchaus mal eine Treppe hochsprinten, einen kurzen Power-Walk einlegen oder auch isometrische Übungen durchführen, beispielsweise Wandsitzen oder Hanteltraining. Mit dem von der Deutschen Herzstiftung unterstützten Forschungsprojekt wollen wir spezielle Trainingsprogramme entwickeln, die im Idealfall auch in eine APP integriert werden können.“

Literatur

  • Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie und Angeborene Herzfehler (DGPK) (Hg.), Dubowy K.-O. et al., S2k-Leitlinie „Sport bei angeborenen Herzfehlern und erworbenen Herzerkrankungen“, 23.11.2022

Forschung zum plötzlichen Herztod (Früherkennung – Diagnose – Therapie)

Das Forschungsprojekt von Prof. Dr. Martin Halle am TUM Klinikum ist eines von insgesamt 11 wegweisenden Forschungsinitiativen im Bereich der Forschung zum Plötzlichen Herztod, für die die Deutsche Herzstiftung 2023 eine Fördersumme von einer Million Euro bereitgestellt hat. Nähere Infos unter:  https://herzstiftung.de/forschung-herztod

Expertenform Kindersportkardiologie

Haben Ärztinnen und Ärzte Fragen im Bereich der Kindersportkardiologie bietet ihnen das Expertenforum Kindersportkardiologie der Herzstiftung eine Anlaufstelle bei spezifischen Fragen – auch zu Fragen bei Erwachsenen mit angeborenem Herzfehler (EMAH) – unter: https://herzstiftung.de/expertenforum-kindersportkardiologie

Info-Service für Betroffene

Informationen für betroffene Familien, medizinische Fachkreise und Interessierte bietet die Deutsche Herzstiftung unter https://herzstiftung.de/junge-herzen-retten

Herzstiftungs-Podcast über den plötzlichen Herztod bei jungen Menschen: Der Podcast „Herzstillstand bei Teenagern – Schicksal oder vermeidbar?“ mit der Molekularbiologin und Rechtsmedizinerin Prof. Dr. Silke Kauferstein (Universitätsklinikum Frankfurt am Main) vom Wissenschaftlichen Beirat der Herzstiftung ist abrufbar unter https://herzstiftung.de/service-und-aktuelles/podcasts/herzstillstand-teenager

Über den Deutsche Herzstiftung e.V.

Die Deutsche Herzstiftung e. V. wurde 1979 gegründet und ist heute die größte gemeinnützige und unabhängige Anlaufstelle für Patienten und Interessierte im Bereich der Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Zu den Hauptaufgaben der Herzstiftung gehört es, Patienten in unabhängiger Weise über Herz-Kreislauf-Erkrankungen, deren Vorbeugung sowie über aktuelle Diagnose- und Therapiemöglichkeiten aufzuklären. Bekannt ist die Herzstiftung außerdem durch ihre bundesweiten Aufklärungskampagnen und als wichtige Förderinstitution in der Herz-Kreislauf-Forschung. Die hohe Qualität ihrer Informationsangebote beruht nicht zuletzt auf der Expertise der rund 500 Herzspezialisten im Wissenschaftlichen Beirat der Herzstiftung. Vorstandsvorsitzender ist der Kardiologe Prof. Dr. Thomas Voigtländer (Frankfurt am Main), Schirmherrin ist Barbara Genscher.

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