Rund 23 Millionen Menschen in Deutschland leiden an chronischen Schmerzen. Etwa 4 Millionen von ihnen sind besonders schwer betroffen: Sie können kaum am Arbeitsleben teilnehmen, ziehen sich aus dem sozialen Umfeld zurück und verlieren an Lebensqualität. Für viele bedeutet das nicht nur körperliche Dauerbelastung, sondern auch Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit.
Eine wirksame Therapie gibt es: die interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie (IMST). Expertinnen und Experten aus der Schmerzmedizin, Psychologie, Pflege und Physiotherapie arbeiten dabei eng zusammen, um Körper und Psyche gleichermaßen zu behandeln. Diese Therapie wird bislang in etwa 370 Kliniken angeboten. Doch ohne klare gesetzliche Absicherung fallen diese Angebote zunehmend weg. Schon heute müssen Betroffene monatelang auf einen Platz warten. Wenn weitere Einrichtungen schließen, verschärft sich die Unterversorgung dramatisch.
Drohende Konsequenzen für Patientinnen und Patienten
Bleibt das KHAG unverändert, werden Behandlungsfälle spezialisierter Schmerzstationen künftig fachfremden Leistungsgruppen wie „Allgemeine Innere Medizin“ oder „Allgemeine Chirurgie“ zugeordnet. Diese Gruppen haben andere qualitative Mindestanforderungen – zum Beispiel in Personal- oder Geräteausstattung – die mit schmerzmedizinischen Strukturen wenig zu tun haben. Die Folge: Schmerztherapeutische Einrichtungen können die für sie unpassenden Auflagen nicht erfüllen und verlieren ihre Abrechnungsgrundlage.
Für die Betroffenen heißt das: weniger Behandlungsplätze, längere Wartelisten, zunehmende Verzweiflung. Viele Patientinnen und Patienten berichten schon heute von einer jahrelangen Odyssee, bevor sie Hilfe finden. Wenn nun weitere Strukturen wegbrechen, drohen Leidensgeschichten, die nicht nur individuelles Schicksal sind, sondern auch die Gesellschaft betreffen – durch Krankheitsausfälle, Frühverrentungen und steigende Kosten.
Fachverbände fordern: Schmerzmedizin braucht eigene Leistungsgruppe
Die Deutsche Schmerzgesellschaft e. V. und ihre Partner fordern eine eigenständige Leistungsgruppe „Spezielle Schmerzmedizin“. Diese müsse per Gesetz oder Rechtsverordnung schnell eingeführt werden, damit qualitätsgesicherte Angebote nicht verschwinden. Anpassungen über den Umweg „Fachkrankenhausstatus“ seien zu komplex und nicht zeitnah umsetzbar.
Ohne eine solche Nachbesserung droht ein Dominoeffekt: Einrichtungen schließen, Fachpersonal wandert ab, und Patientinnen und Patienten bleiben dauerhaft unterversorgt. Die Politik muss deshalb in den kommenden Abstimmungen handeln und den besonderen Versorgungsbedarf von Menschen mit chronischen Schmerzen anerkennen.
Stimmen der Expertinnen und Experten
- Prof. Dr. Frank Petzke, Präsident der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V.:
"Eigene Leistungsgruppe jetzt – es braucht heute eine planbare und sichere Perspektive in der Krankenhausreform, sonst bricht die Schmerzmedizin weg. Wir appellieren an die Abgeordneten des Deutschen Bundestags, gesetzlich die Krankenhausreform nachzubessern und den Kollaps der Versorgung chronisch Schmerzerkrankter zu verhindern." - Prof. Dr. Dr. Joachim Nadstawek, Vorsitzender des Berufsverbands der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin in Deutschland e. V. (BVSD):
“Durch die Klinikreform drohen bestehende stationäre schmerzmedizinische Einrichtungen wegzufallen, weil für die Schmerzmedizin im Gesetz keine eigene Leistungsgruppe vorgesehen ist. Der Gesetzgeber entscheidet sich damit sehenden Auges gegen eine ausreichende Versorgung von knapp 5 Millionen Schmerzpatient*innen in Deutschland.“ - Dr. Jan Holger Holtschmit, Präsident der Arbeitsgemeinschaft nicht operativer orthopädischer und manualmedizinischer Akutkliniken e. V. (ANOA):
„Orthopädische Schmerzkliniken fallen durchs Raster – wenn das Gesetz so bleibt, verlieren wir Einrichtungen.“ - Dr. Jan Emmerich, Vorstandsmitglied des Berufsverbands für Physikalische und Rehabilitative Medizin (BVPRM):
"Die Schwächung der Schmerzmedizin im Krankenhaus wäre ein schwerer Einschnitt für eine adäquate Rehabilitation und Teilhabe von Patienten mit schweren chronischen Schmerzerkrankungen." - Dr. Markus Schneider, Präsident der Interdisziplinären Gesellschaft für Orthopädische Schmerzmedizin (IGOST):
„Strukturen statt Streuung: Schmerzmedizin braucht eigene Kriterien, sonst verliert sie ihre Basis.“ - Dr. Reinhard Thoma, Sprecher der ad-hoc-Kommission Krankenhausreform der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V.:
„Schmerztherapie wird bald zum Luxusgut – und das mitten in Deutschland. Schon heute mangelt es an stationären und tagesklinischen Angeboten der multimodalen Schmerztherapie. Zu warten ist keine Option mehr: Ohne klare politische Entscheidungen zur Schmerztherapie im Krankenhaus droht in immer kürzeren Abständen die Schließung spezialisierter Einrichtungen – mit gravierenden Folgen für die Versorgung der Patientinnen und Patienten, vor allem im ländlichen Raum.“
sowie
- Heike Norda, Präsidentin des USVD SchmerzLOS e. V. – Unabhängige Vereinigung aktiver Schmerzpatienten in Deutschland:
„Die Suizidalität unter Schmerzpatientinnen und -patienten ist bereits heute höher als in der Normalbevölkerung. Wenn Abteilungen und Kliniken wegbrechen, ist das eine Katastrophe.“
Weitere Informationen:
LINK siehe hier: Krankenhausreform: Schmerztherapie vor dem Kollaps
Die Deutsche Schmerzgesellschaft e. V. ist mit über 3500 persönlichen Mitgliedern die größte wissenschaftlich-medizinische Fachgesellschaft im Bereich Schmerz in Europa. Die Deutsche Schmerzgesellschaft e. V. ist Mitglied der IASP (International Association for the Study of Pain) sowie der AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften). Sie ist zudem die interdisziplinäre Schmerzdachgesellschaft von derzeit 19 mitgliederstarken weiteren medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften im Bereich Schmerz. Diese Perspektive wird zudem erweitert durch die institutionelle korrespondierende Mitgliedschaft der Vereinigung aktiver Schmerzpatienten SchmerzLOS e. V. in der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V.
Die Mitglieder der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V. sind interdisziplinär und interprofessionell aufgestellt und bestehen aus Schmerzexpertinnen und -experten aus Praxis, Klinik, Psychologie, Pflege, Physiotherapie u. a. sowie wissenschaftlich ausgewiesenen Schmerzforscherinnen und -forschern aus Forschung, Hochschule und Lehre.
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