Wegen neuer EU-Regulierungen rechnen fast 80 Prozent der Medizintechnik-Unternehmen hierzulande nach einer aktuellen Umfrage mit erheblichen Schwierigkeiten, künftig innovative Produkte auf den Markt zu bringen. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sieht die Patientenversorgung in Gefahr.

Gemeinsam mit dem Industrieverband Spectaris hatte der DIHK die Unternehmen der Branche nach den Auswirkungen von zwei Ende Mai 2017 in Kraft getretenen EU-Vorschriften gefragt, die in näherer Zukunft wirksam werden sollen: die EU-Verordnung zu Medizinprodukten (MDR) nach einer Übergangsfrist von drei Jahren und die EU-Verordnung zur In-vitro-Diagnostik (IVDR) nach fünf Jahren.

Das – richtige und wichtige – Ziel dieser Vorschriften ist es, für sichere und verlässliche Medizinprodukte zu sorgen. Die Erhebung macht jedoch klar, dass sie zusätzliche Bürokratie verursachen und den Marktzugang vor allem für kleine und mittlere Anbieter erschweren. Letztlich bangt jedes dritte Medizintechnikunternehmen um seine Existenz, und die Versorgung der Patienten wird erheblich ausgebremst.

Konkret bewirken die Verordnungen, dass immer mehr Unternehmen bei einer "Benannten Stelle" eine Zulassung für ihre Medizinprodukte beantragen müssen. Doch: "75 Prozent der Unternehmen klagen schon heute unter anderem über zu lange Wartezeiten von der Antragsstellung bis zur Zertifizierung", berichtet der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks.

Zudem gibt es in Europa schlichtweg noch zu wenige "Benannte Stellen", um in Zukunft Medizinprodukte nach den neuen EU-Verordnungen zuzulassen. Und auch die geringe Personaldecke bei den Benannten Stellen ist ein Problem.

Wenn die neuen EU-Verordnungen zur Anwendung kommen, könnten lebenswichtige Nischenprodukte – etwa Medizinprodukte für Kinder – womöglich nicht mehr wirtschaftlich produziert werden, warnt Achim Dercks: "Wir sehen die Gefahr, dass vor allem viele kleinere Hersteller Probleme mit dem Marktzugang für ihre Produkte bekommen werden."

Etwa ein Drittel der von DIHK und Spectaris befragten Betriebe, die ihre Produkte gemäß der MDR höher klassifizieren müssen, plant bereits, die Produkte vom Markt zu nehmen. Ein weiteres Drittel hat sich noch nicht festgelegt, ob es sein Produktportfolio bereinigen wird.

Ein großes oder sehr großes Problem sehen drei Viertel der Befragten in der unklaren Rechtslage rund um die MDR – schließlich ist bei einigen Produktkategorien immer noch unklar, welchen Risikoklassen sie am Ende zugeordnet werden.

"Was die vielen mittelständischen Firmen jetzt brauchen, ist die Zuversicht, auch in Zukunft ihre Produkte auf den Markt bringen zu können", fordert Dercks. "Dafür ist die Unterstützung der Politik notwendig. Nur so lässt sich sowohl das Patientenwohl als auch die Innovationskraft der Industrie sichern."

Die Politik solle deshalb praktikablere Übergangsphasen, einen Bestandsschutz für bewährte Altprodukte und Sonderregelungen für Nischenprodukte umsetzen, so sein Appell.

Die Ergebnisse der Erhebung gibt es hier:

DIHK-Spectaris-Unternehmensumfrage zu innovativen Medizinprodukten und In-vitro-Diagnostika (PDF, 292 KB)

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