Mehr Emanzipation, die Überwindung traditioneller „Rollenbilder“, mehr Erwerbstätigkeit von Müttern und vor allem mehr staatliche Kinderbetreuung: Über viele Jahre wurde dies als der Ausweg aus der demografischen Krise in Deutschland (aber auch international) angepriesen. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sollte Frauen und Paaren wieder mehr Lust auf Kinder machen. Das propagierten die Meinungsführer in den Medien, in den internationalen Organisationen und auch die Bundesregierung, die in ihrer Stellungnahme zum 7. Familienbericht das Ziel verkündete, mehr Familie in die Gesellschaft und mehr Kinder in die Familien zu bringen (1). Um dieses Ziel ist es still geworden, obwohl die Geburtenrate in den letzten Jahren tatsächlich gestiegen ist. Doch das ist kein Erfolg der Familienpolitik, wie die Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen. Denn die Geburtenraten der Frauen deutscher Staatsangehörigkeit (zu denen auch viele mit einem sog. Migrationshintergrund gehören) verharren auf dem niedrigen Niveau von 1,4, das seit Jahrzehnten für Deutschland typisch ist (2). Damit wird der Generationenersatz um rund ein Drittel verfehlt, die Bevölkerung überaltert dramatisch und große und traditionsreiche Regionen in Deutschland veröden.

Dass die Geburtenraten insgesamt gestiegen sind, liegt de facto nur an der Massenzuwanderung. In deren Folge sind die Geburtenraten der Ausländerinnen 2014—2016 auf weit über 2 Kinder pro Frau gestiegen. Das Phänomen können Demografen leicht erklären. Seit langem beobachten sie, dass Zuwanderinnen oft kurz nach ihrer Immigration sehr hohe Geburtenraten aufweisen. Die Gründe dafür liegen nahe, nicht zuletzt ist es der Wunsch nach Aufenthaltsverfestigung (Schutz vor Abschiebung etc.). Zu dieser Art von Geburtenboom verhält sich die Bundesregierung wohlweislich still, denn allzu offensichtlich sind seine Neben- und Folgeprobleme, gerade im Blick auf die Schulen, die mit der Integration immer mehr überfordert werden.

Die Integrationsprobleme in Westeuropa werden in Zentral- und Osteuropa aufmerksam registriert. Sie sind ein wichtiger Grund dafür, warum man dort die Zuwanderung als vermeintliche Lösung der demografischen Probleme ablehnt. Die Regierungen insbesondere in Ungarn und Polen setzen stattdessen auf eine geburtenfördernde Politik, indem sie versuchen, Familien finanziell besserzustellen (3). Staatliche Betreuungspolitik kennt man dort aus kommunistischen Zeiten, sie wird mit gemischten Gefühlen betrachtet, als eine Notwendigkeit, aber nicht als emanzipatorisch und innovativ. Dies gilt insbesondere für Tschechien, wo sich Kinderärzte schon zu kommunistischen Zeiten kritisch mit zu frühzeitiger Kinderbetreuung auseinandergesetzt haben. Dort wurde die Krippenbetreuung von Kleinstkindern stark zurückgefahren und dagegen die häusliche Betreuung finanziell gefördert (4). Das bedeutet für Familien auch wirtschaftliche Stabilität. Der Kontrast zu Deutschland, wo das Betreuungsmodell der DDR beibehalten und sogar auf den Westen ausgedehnt wurde, ist eklatant. Dennoch ist die Geburtenrate in Tschechien höher als in Deutschland und auch als in den neuen Bundesländern. Sie liegt mittlerweile sogar höher als in angeblich so fortschrittlichen nordischen Ländern wie Finnland und Norwegen, wo die Geburtenzahlen zuletzt deutlich zurückgegangen sind.

Die Gründe für diese Entwicklung zu erforschen, wäre Aufgabe der Demografen und Sozialwissenschaftler. Ihr altes Narrativ von den „fortschrittlicheren“ Ländern mit mehr Staatsbetreuung und höheren Geburtenraten stimmt jedenfalls nicht mehr. Wie immer bestimmt ein Bündel von Überlegungen das generative Verhalten. Ein Schlüsselfaktor für die Geburtenentwicklung scheint indes der Arbeitsmarkt zu sein: In Tschechien herrscht Vollbeschäftigung und auch sonst sind in Ostmitteleuropa die Geburtenraten parallel zur Beschäftigung gestiegen. In Südeuropa und besonders in Italien stecken Wirtschaft und Arbeitsmarkt dagegen tief in der Krise und die ohnehin niedrige Geburtenrate rutscht weiter ab. Einen starken Rückgang der Geburtenrate trotz relativ guter Wirtschaftslage erlebt dagegen Irland (5). Hier ist offensichtlich der Verlust an katholischer Identität und Familienwerten eine wichtige Ursache. Erstes Fazit: Wirtschaftlicher Niedergang und Verlust kultureller Identität auf der einen Seite – wirtschaftliche Stabilität und kulturelle Selbstbehauptung auf der anderen erweisen sich als entscheidende Faktoren auch für die Demografie.

(1) Eingehend hierzu Stefan Fuchs: Gesellschaft ohne Kinder. Woran die neue Familienpolitik scheitert, Wiesbaden 2014.

(2) Siehe hierzu Grafik „Geburtenentwicklung in Deutschland“

(3) https://www.i-daf.org/aktuelles/aktuelles-einzelansicht/archiv/2019/01/10/artikel/ostmitteleuropa-familienpolitik-statt-willkommenspolitik-fuer-immigranten.html

(4) http://altewebsite.i-daf.org/files/idaf_-_woche_9_-_2009.pdf

(5) Zur Geburtenentwicklung: „Fertilität in Europa: Neue Konvergenz?“: Zur Entwicklung der Arbeitslosigkeit: https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/tipsun20/default/table?lang=de.

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