Wie funktioniert das eigentlich mit der Anziehung, genauer gesagt mit der Anziehung zwischen zwei Menschen, oft zwischen Mann und Frau? Gilt auch dafür Newtons klassisches Gravitationsgesetz? Antworten auf diese geradezu existenziellen Fragen liefern zwei der insgesamt fünf Angebote, die wie immer eine Woche lang zum Sonderpreis im E-Book-Shop www.edition-digital.de (Freitag, 28.2.20 – Freitag, 6.2.20) zu haben sind. Und in beiden Fällen spielen sich diese Liebesgeschichten im militärischen Umfeld ab, handeln sie doch zu Zeiten der früheren Nationalen Volksarmee der DDR und bieten auf diese Weise auch authentische Einblicke in das Leben und das Lebensgefühl dieses kleinen, verschwundenen Landes. Das gilt für „Der rote Antares“ von Heinz Kruschel ebenso wie für „Wo blüht denn blauer Mohn?“ von Jan Flieger, die übrigens beide im Militärverlag der Deutschen Demokratischen Republik erschienen waren – wenn auch zu unterschiedlichen Zeiten und mit etwa einem Jahrzehnt Abstand voreinander: 1979 und 1986.

Ein ganz anderes Genre präsentiert Jan Eik mit seinem Buch „Shooting. Ein Fotografenkrimi“.

Außerdem präsentiert der heutige Newsletter das Reise-Tage-Buch „Reise nach Jerusalem. Ein Israel-Tagebuch“ von Lutz Dettmann.

Und damit sind wir wieder beim aktuellen Beitrag der Rubrik Fridays for Future angelangt. Jede Woche wird an dieser Stelle jeweils ein Buch vorgestellt, das im weitesten Sinne mit den Themen Klima, Umwelt und Frieden zu tun hat – also mit den ganz großen Themen der Erde und dieser Zeit. Und da hat die Literatur schon immer ein gewichtiges Wort mitzureden und heute erst recht. Ziemlich aktuell erscheint angesichts gegenwärtiger Diskussion um das Thema Atomenergie ein sehr emotionaler Rückblick auf eine der größten Katastrophen des vergangenen Jahrhunderts – der verheerende Reaktorunfall von Tschernobyl Mitte der Achtzigerjahre des vorigen Jahrhunderts in der damaligen Sowjetunion, dessen Folgen noch immer zu spüren sind – für Menschen und Tiere und Pflanzen. Und was hat die Menschheit daraus gelernt?

Erstmals 2016 veröffentlichten Liselotte Pottetz und Anatol Barowski im Verlag „Mirwal ART“ Walbrzych „Schwarzer Storch – Weißer Schatten“: Das Buch erschien als E-Book auch auf Russisch und Englisch. Ein Storchenpaar, von bösen Vorahnungen geplagt, zieht aus dem warmen Süden in die Heimat, nach Belarus – in das Land der Wälder, Flüsse, Seen und Sümpfe. 26.04.1986: Super-Gau! Im Atomkraftwerk „W. I. Lenin“ in Tschernobyl. Schlagartig verdunkelt sich die Welt, Mensch und Natur gleichermaßen betreffend. Hier ein Auszug von den ersten Seiten, als sich die beiden Vögel auf ihre sehr lange Reise begeben. Doch irgendwas ist diesmal anders als sonst:

Das Storchenpaar Aiwa und Aij

Schon lange vorher, als sich die Störche noch sehr weit von diesen Orten – noch tausende Kilometer entfernt – befanden, als sie sich erst anschickten, den weiten und beschwerlichen Weg aus Nordafrika anzutreten, fühlte die junge Störchin Aiwa irgendeine unerklärbare innere Unruhe.

Das war ihr noch nie passiert, dass sich zu Beginn der Reise solche unbegreiflichen Bedenken einschlichen, die sie zwangen, an den morgigen Tag zu denken.

Doch je weiter sie zusammen mit Aij von den warmen Ufern Afrikas in das ferne Land der reichen Wälder flog, desto tiefer und hartnäckiger überkamen sie ernsthafte Zweifel – vielleicht sollte man sich nicht auf den weiten Weg begeben, sein Leben riskieren.

Aber der uralte Instinkt der Rückkehr in die heimatlichen Gefilde siegte und verlieh den Flügeln Stärke und Kraft. Dann beschäftigten sie beruhigende Gedanken – das vertraute Nest, wo sie einstmals bei den Eltern aufgewachsen war, wo sie mit Aij einige Generationen Junge zur Welt gebracht hatte und von neuem bringen wird. Das wiederholte sich von Jahr zu Jahr, von Jahrhundert zu Jahrhundert.

Schweigsam mit den Flügeln schwenkend, hielten sie zusammen mit anderen Störchen Kurs in das entfernte Belarus, in den stillen und nicht rauen Wald. Eine angenehme, milde Luft trieb sie höher und höher, sodass sie weniger die Flügel schwenken mussten, die Kräfte schonen konnten, damit sie für den langen Weg ausreichen.

Aiwa schaute auf die himmelblaue Färbung des Meerwassers, auf die grünen Inselchen, auf die Felder, aber ihr Mutterherz wurde wieder und wieder von der bitteren Ahnung durchdrungen, dieses Jahr würde den Jungen kein Glück bringen, weil sie ihre Kinder im Stich gelassen hatte. Und schon zum fünften, sogar zum zehnten Mal wollte sie Aij den Vorschlag machen umzukehren, zurückzufliegen, heimzukehren ins afrikanische Paradies, dort ihre verbliebenen Tage und Jahre zu verleben. Sie sagte es nicht und Aij hörte ihren alarmierenden Aufschrei nicht. Selbst wenn er ihn gehört hätte, wäre er mit ihr nicht einverstanden gewesen, hätte ihr sogar verboten, an so etwas überhaupt zu denken. Und so jagte sie ihr Instinkt immer stärker und stärker, trieb sie in das von Wald umgebene Dörfchen Koschuschki, wo direkt neben dem Friedhof, auf einem gelben, sandigen Hügel eine schlanke, kupferstämmige Kiefer in den Himmel ragte. Auf ihren Wipfel hatten gute Dorfbewohner einen Horst gebaut, eine Egge, die sie mit Zweigen beschichteten. Danach brachten Aiwas Eltern Ordnung in das Nest, bedeckten den Boden mit weichen Flaumfedern, um es den künftigen Kindern gemütlich einzurichten.

Als Aiwa sich mit Aij vereinigte, ließen sie sich im selben Nest nieder, flogen zuvor in den ausgetrockneten Sumpf und polsterten das Nest aus.

Nach Beendigung der Arbeit richteten sie ihre Schnäbel gen Himmel, verkündeten mit lautem Klappern ihre Ankunft, damit den Dorfbewohnern gleichzeitig ihre Dankbarkeit bezeugend.

Aij war als erster geflogen. Einstimmig hatte man ihn zum Führer des Vogelzuges gewählt, was Aiwa mit großem Stolz erfüllte, weil sie ihn liebte, an ihn glaubte, sich ein Leben ohne ihn nicht vorstellen konnte. Sie flog hinter dem Anführer, am linken Flügel des Dreigespanns, wusste, wie man ihm, dem ersten, mit der Brust die Luft zerschneiden muss. Sie wusste auch, dass er eine gewaltige Kraft besitzt und während des ganzen Fluges niemanden um Ablösung bitten wird.

„Nun, wie geht es dir, Aiwa?“, schickte er ihr gedanklich die Frage. – „Bist du nicht müde, reichen deine Kräfte noch aus?”

„Mir geht es gut, mein teurer, geliebter Aij”, antwortete die Störchin und freute sich über solch eine Fürsorge seinerseits, – „du hast die ganze Last auf dich genommen, auf deine Schultern gebürdet, damit uns das Fliegen leichter fällt.”

„Wie geht es den anderen?”

„Sie folgen auch deinem Weg und brauchen deine Unterstützung.”

„Von dir gehen solch eine Unruhe und Traurigkeit aus. Was fehlt dir nur, meine Liebste?”

„Achte nicht darauf! Das sind die üblichen Weibersorgen. Eine Mutter denkt immer an den morgigen Tag mit Unruhe. Ich habe ja dich und brauche nichts zu fürchten.”

„Richtig. Alles wird gut, gräme dich nicht! Denk nur an Gutes, daran, dass uns eine waldreiche Gegend mit heilkräftiger Luft und reicher Beute erwartet. Nirgends auf der Welt gibt es ein solch herrliches Fleckchen Erde, das uns Gott geschickt hat. Gut auch, dass nicht alle Sümpfe trockengelegt sind, sodass die Kinder Nahrung finden, sobald sie auf eigenen Füßen stehen.” Schon das dritte Jahr flog sie mit Aij zu dieser Stelle.“ Und damit zur ausführlicheren Vorstellung der anderen Angebote dieses Newsletters.

Erstmals 1979 veröffentlichte Heinz Kruschel im Militärverlag der Deutschen Demokratischen Republik Berlin seinen Roman „Der rote Antares“: „Was sind Wörter, wir sagen uns nur irgendwelche Wörter.“ Als Wiebke diesen Satz denkt, fühlt sie sich als eine andere. Sie weiß nicht, ob sie froh darüber sein kann. Aber was nun folgen wird, hängt nicht nur von der Reaktion ihres Mannes Albrecht ab. In drei Tagen ist viel geschehen. Wiebke und Albrecht, seit wenigen Monaten verheiratet, leben an seinem ersten Dienstort. Was so idyllisch schien, wird für die junge Frau allmählich unerträglich. Der Zweifel an dem Sinn ihres Lebens wächst, und dieser Sinn reduziert sich mehr und mehr auf ihre Rolle als werdende Mutter. Sie zweifelt an diesem Sinn. Sie zweifelt auch an der Liebe Albrechts, der als junger Offizier der Nationalen Volksarmee von seinen Soldaten geachtet wird. Aber Albrecht, ausgefüllt von seinem Leben in der Truppe, ständig gefordert von Soldaten und Vorgesetzten, spürt nicht, wie es um sie steht, wie ernst es ist. Darum kann er ihre Flucht nicht begreifen und darum verschärft sich der Konflikt zwischen beiden schnell. Es geht nun nicht um das Zerschlagen eines flüchtig geschürzten Knotens oder um eine perfekt nachzuvollziehende Entscheidung. Drei Tage (Frühling) im Leben der beiden Menschen, die in diesem Roman erzählt werden, bringen eine Lösung, die keiner von beiden gewollt oder bewirkt hat, aber die Partner treten sich nach drei Tagen anders gegenüber – um ihrer selbst willen. In das Geschehen der drei Tage, emotional tief und unmittelbar gestaltet, fließt die mögliche Antwort auf die Frage ein, wodurch Menschen wurden, wie sie sind, was sie selbst bewirkt haben könnten und inwiefern sie im jeweiligen Augenblick verwoben sind mit dem Schicksal anderer, mit dem Leben auf dieser Welt. Schwer ist die Verantwortung, das Menschenmögliche zu tun, für andere und für sich selbst. Der folgende Auszug vom Beginn des 4. Kapitels lässt erahnen, um welche zwischenmenschlichen Konflikte es geht und wie es dem Autor gelingt, sich in seine Figuren hineinzuversetzen – auch wenn es hier eher am Rande um Wiebke und Albrecht geht:

„Wiebke mag also Hans Weider, sie fühlt sich von ihm angezogen, und Albrecht möchte eng mit Weider befreundet sein. Mit Hyder oder mit Franke dagegen nicht, und auch nicht mit diesem dritten Leutnant, diesem Fürst. Dabei kommt Wenze mit dem Soldaten Rotmann gut aus und Rotmann mit ihm. Menschen können einem sympathisch sein, sie können anziehend wirken, sie können abstoßen. Gilt denn im übertragenen Sinne das klassische Gesetz Newtons auch für die Menschen? Was bestimmt eigentlich die Stärke der Anziehung, was die Wechselwirkung der Gravitation, was die innere Mechanik, nach der wir von einem Menschen angezogen oder abgestoßen werden? Wieso können plötzlich Störungen auftreten, wieso verändern sich die Bewegungen zueinander?

Jeder Mensch kann in mehreren Gravitationsfeldern zugleich figurieren: außen, in einer Mitte, in mehreren Feldern zugleich.

Es wird sich zeigen, wie andere Soldaten seines Zuges zu Wenze stehen, auch jetzt, zu dieser nächtlichen Stunde, als die sechs Soldaten in ihrer Stube sind und das Licht gelöscht ist. Die Männer werfen sich unruhig von einer Seite auf die andere. Zipolle liegt auf einem der oberen Betten, am Fenster, und Rotmann liegt unter ihm. Beide sind wach und können nicht schlafen. Rotmann denkt an seinen Bruder, der in einem Kinderheim lebt, weil die Eltern im Ausland arbeiten. Raul ist schwierig, offen, intelligent und schreibfaul. Rotmann nimmt sich vor, mit Leutnant Wenze zu sprechen, er muss nach seinem Bruder Raul sehen, er wird einen Kurzurlaub beantragen. Wenze wird ihn bestimmt befürworten.

Rotmann merkt, dass Zipolle wach ist und unter der Decke seine Taschenlampe brennen lässt. Er weiß nicht, was Zipolle treibt, und will ihn nicht fragen, er könnte die anderen wecken.

Zipolle löst manchmal Kreuzworträtsel, um sein Wissen zu erweitern. Viel weiß Zipolle nicht, aber er ist gierig darauf, mehr zu erfahren. Zipolle fühlt sich zu ihm, Rotmann, hingezogen. Das beruht auf Gegenseitigkeit, Rotmann gefällt, wie ehrlich Zipolle ist, wie bescheiden und schnörkellos. Zipolle, das ist so ein Mensch, der nicht mit einer Lüge leben könnte, denkt Rotmann, und würde er, mit einer Lüge davonziehen, so könnte er dann nie zurückkommen.

Rotmann ist über den Schlaf hinaus. Er versucht, sich nur auf sich zu konzentrieren, um innerlich ruhiger zu werden. Es singt in allen Nerven seines Körpers, die Übung hat ihn angestrengt. Seine Glieder und Muskeln bleiben gespannt. Er bringt es nicht fertig, sie zu lockern. Er weiß, wenn es ihm nicht gelingt, wird er überhaupt nicht mehr schlafen können, und morgen ist Taktikausbildung. Das kann heiter werden.

Zipolle schreibt einen Brief an seine Mutter. Er schreibt langsam und malt die Wörter, er schreibt oft falsch und würde sich hüten, solche Wörter wie „Katarrh“ oder „Gastritis“ oder „Atmosphäre“ zu verwenden. Mutter versteht ihn schon. Er überlegt sich jeden Satz und setzt Kommas dann, wenn er eine Pause einlegt, und Punkte, wenn er nach Stunden weiterschreiben will. Er schreibt: Ich bin zufrieden und froh, weil mich mein Leutnant Wenze wieder in seinen Zug geholt hat, bei dem andern, der heißt Fürst und ist auch wie so einer, bei dem habe ich mich nicht wohlgefühlt, dem war ich schnuppe, der freute sich noch, wenn einer sagte, der Zipolle ist treudoof, dem Zipolle kann man Pappe ums Maul schmieren, da hält der noch stille. Ich war bei dem Fürst im Zuge, warum, weiß ich doch nicht, sie nennen das hier Umstellung, es hat etwas mit Struktur zu tun, ich weiß auch nicht. Struktur heißt ungefähr Aufbau, ich sollte in der neuen Stube alles machen, die Klos schrubben, die Asche runterbringen und den Waschraum scheuern, da kommt man immer als letzter ins Bett, aber nun hat mich mein Leutnant ja zurückgeholt. Der ist vielleicht hager, dem kannst du das Vaterunser durch die Rippen blasen, ich müsste ihm mal ein Glas Leberwurst mitbringen.

Liebe Mutter! Du schreibst über deine Krankheit, ich mache mir Sorgen, aber es ist gut, wenn du darüber schreibst, der Leutnant Wenze meint auch, es ist eine gutartige Geschwulst. Du musst dir von diesen alten Schwestern nichts einblasen lassen, die haben sich doch schon dem stillen Suff ergeben, das hat der Bürgermeister gesagt. Leutnant Wenze hat mich nämlich gefragt nach meinen Sorgen, nicht dass du denkst, dass ich so von mir aus erzählt habe, da bin ich vorsichtig, mit dem Leutnant Fürst hätte ich nicht darüber gesprochen, auch nicht mit meinem Gruppenführer Obermeier, der kommt mir komisch vor. Zu dem muss man sein wie zu unserem Vorsitzenden, man muss ihn loben oder bitten, wie du mir so ich dir, weißt du, Mutter, ich werde dir den Zaun vor dem Haus streichen, wenn ich auf Kurzurlaub komme, und den Gartenanschluss für das Wasser lege ich auch, und die Hundehütte für Senta bauen wir ganz neu … Zipolle sinkt mit dem Kopf auf die Taschenlampe und schläft ein. Er hat nicht auf Briefpapier geschrieben, sondern in ein Notizheft, er wird das Geschriebene noch sortieren und dann erst ins Reine schreiben. Er braucht eine ganze Woche für einen Brief.“

Ebenfalls im Militärverlag der Deutschen Demokratischen Republik erschien erstmals 1986 „Wo blüht denn blauer Mohn?“ von Jan Flieger: Ja, auch die Frage wird in diesem Buch beantwortet, wo denn nun blauer Mohn blüht. Sogar auf zweifache Weise. Aber vor allem wird sich zeigen, ob die Liebe hält, die sich da langsam entwickelt zwischen dem Matrosen Bert Müller, den alle nur Kußmaat nennen, und seinem Mädchen, das auf verschiedene Weise ein ganz besonderer Mensch ist. Und Kußmaat merkt, dass er um seine Liebe kämpfen muss, wenn er sie behalten will. Und sein Mädchen. Es ist eben eine ernsthafte Sache. Im folgenden Ausschnitt aber befinden wir uns am Anfang dieser ganz besonderen Liebesgeschichte, ganz am Anfang – und auf dem Rummelplatz:

„Ein Mann trägt einen Jungen auf dem Arm, der ihn immer dann, wenn er ein Karussell sieht, am Bart zupft. Neben ihm geht eine blonde Frau mit einem hübschen Gesicht, aber ziemlich starken Hüften. Dass Frauen immer so dick werden müssen, denkt Kußmaat, sie essen zu viel, sie können sich nicht beherrschen.

Da erstarrt Kußmaat, und einen Augenblick lang hält er die Luft an. Dieses Mädchen!

Blaue Augen streifen Kußmaat. Große Augen, sehr große. Ungewöhnliche Augen.

Kußmaat blickt dem Mädchen nach.

„Was ist denn?“, fragt Siggi.

Aber Kußmaat folgt dem fremden Mädchen, dessen Haare lang und blond herabfallen bis weit über die Schultern. Alles ist vergessen, der Rummelplatz, die Menschen, der Freund. Die Gestalt des Mädchens ist wie ein gewaltiger kraftvoller Magnet, dem er sich nicht entziehen kann.

Siggi packt seinen Arm. „Mann! Was ist denn? He, Kußmaat! Bist du mondsüchtig?“

„Weg!“, sagt Kußmaat schroff.

Drei Schritte geht er hinter dem Mädchen, so, dass er sie nicht aus den Augen verlieren kann.

„Die da?“, fragt Siggi aufgebracht.

„Ja“, knurrt Kußmaat.

Siggi empört sich. „Wir haben ausgemacht, dass wir nur zwei Mädchen ansprechen!“

Aber Kußmaat antwortet nicht, und Siggi weiß: Ein wütender oder ein von einer bestimmten Idee besessener Kußmaat ist gefährlich, also folgt er ihm schweigend.

Das Mädchen steht in der Schlange vor dem Riesenrad.

Kußmaat will in dieselbe Gondel wie sie, drängelt sich vor, aber es klappt doch nicht, denn die Leute murren, und ein Ehepaar mit einem Kind steigt vor ihm in die Gondel. Der Mann auf dem Steg weist das Mädchen mit ein.

Das Riesenrad fängt an, sich langsam zu drehen, dann schneller und schneller.

„Hallo!“, ruft Kußmaat und winkt, weil er den Kopf des Mädchens über sich sieht. „Ich wollte mit zu dir in die Gondel.“

Aber das Mädchen schaut nicht herab, blickt über den Rummelplatz, als wären die Worte nicht gerufen worden.

„Mal hersehen könnte sie ja wenigstens“, sagt Siggi. „Ihre Augen sind groß genug.“

Das Riesenrad dreht sich schneller, schneller, schneller … Das Ehepaar mit dem Kind lacht, die Frau sehr schrill, der Mann dröhnend. Das blonde Mädchen sitzt stumm dabei.

„Hallo!“, ruft Kußmaat noch einmal und nun sehr laut. „Hallo! Wollen wir die nächste Tour zusammen fahren?“

„Die ist zu fein!“, stichelt Siggi. „Bei der musst du mit weißen Handschuhen kommen. Und einen von der sieht sie gar nicht an. Und Sie musst du auch sagen.“

Das Riesenrad verlangsamt die Fahrt, steht, die Fahrgäste steigen aus den Gondeln. Das Ehepaar wird noch einmal fahren, bleibt sitzen, nur das Mädchen verlässt die Gondel.

„Los!“, fordert Kußmaat. „Hinterher!“

„Die Eingebildete?“, fragt Siggi. „Du hast Nerven!“

Kußmaat drängt Menschen zur Seite, bis er direkt hinter dem Mädchen geht und ihr Haar beinahe mit seinen Lippen berühren kann.

„Guten Abend“, sagt er. „Wollen wir noch eine Runde auf dem Riesenrad fahren?“

Das Mädchen dreht sich nicht zu ihm um, schaut weiter nach vorn. Keine Regung in ihrem Gesicht verrät, ob sie den Vorschlag gut findet oder schlecht.

„Nur mal eine Fahrt“, bittet Kußmaat. „Ganz unverbindlich. Nur mal so“, ergänzt er leiser, unsicher, weil er spürt, dass er einen Korb bekommt.

Das Mädchen geht weiter.

„Du kannst dich wenigstens mal umsehen“, sagt Kußmaat. „Wir können auch woanders fahren. Du kannst bestimmen, wo! Geisterbahn? Oder …“

„Lass die doch“, stichelt Siggi wieder, der hinter Kußmaat einhertrottet, „die lässt dich abblitzen.“

Das Mädchen wendet sich um, aber ihr Blick gleitet über Kußmaat hinweg, als suchten ihre Augen nochmals das Riesenrad.

„Sag doch was“, versucht es Kußmaat noch einmal.

Das Mädchen geht weiter, wortlos.“

Erstmals 2000 veröffentlichte Jan Eik im Verlag avedition Ludwigsburg „Shooting. Ein Fotografenkrimi“: Der Berliner Privatdetektiv Oliver John (OJ) wird von seinem alten Bekannten Dolf Parey – einem Hamburger Werbe-Starfotografen – engagiert, angeblich in einer Erpressungsangelegenheit. Als OJ in Dolfs Atelier auftaucht, findet er seinen Auftraggeber erschossen vor und gerät selbst in Verdacht, an dem Todesfall beteiligt zu sein. Im Verlauf seiner Ermittlungen, die ihn tief in das Fotografen-Milieu der Werbebranche eindringen lassen, gelingt es OJ zwar, Dolfs Mörder zu entlarven, doch er vermag einen zweiten Mord nicht zu verhindern. Hier der Beginn des spannend geschriebenen Buches. Oliver John, genannt OJ, wundert sich zunächst und wird dann ein bisschen wütend:

1. Kapitel

Der Abend kroch kalt und regnerisch den Hügel hinauf. Zwischen den kahlen Bäumen hindurch schimmerten die Lichter der Stadt über dem Wasser. Von der Außenalster wehten feuchte Schleier in die Gasse und umgaben die Laternen mit einer milchigen Aura.

Ein bisschen ratlos stand Oliver John vor der imposanten weißen Stadtvilla. Mehr als dreimal zu klingeln schien ihm sinnlos. In keinem der drei Geschosse regte sich etwas. Oder knackte da eine Tür?

OJ, wie ihn seine Freunde und Bekannten nannten, seit ein gewisser amerikanischer Footballstar unter dem gleichen Monogramm weltberühmt und später weltberüchtigt geworden war, versuchte sein Ohr an die Profilglasscheibe der schweren Haustür zu legen, aber das nasse schmiedeeiserne Blätterwerk in echtem Jugendstil hinderte ihn daran. Oder vielmehr die Größe seines Kopfes. Dennoch war er sicher, ein Geräusch im Treppenhaus zu hören. Nachdrücklich presste er ein viertes Mal zwei Finger auf das mittlere der leuchtenden Schilder, das nur die Buchstaben dp trug. Dolf Parey. Das hatte in der Freien und Hansestadt gefälligst jeder Mensch zu wissen und zu entschlüsseln, den es anging. Der Mieter darüber hieß Standard Cosulting KG, und auch der Rechtsanwalt im Erdgeschoss führte seinen vollen Namen und Titel auf. Ein Dolf Parey hatte das nicht nötig.

Leichter Unmut stieg in OJ auf, als sich im Haus noch immer nichts rührte. Er hatte seine Zeit nicht in der Lotterie gewonnen. Mochte der gute Dolf ein noch so bekannter und erfolgreicher Fotograf sein, es gab Regeln der Höflichkeit, die auch in Hamburgs vornehmstem Wohnviertel galten. Immerhin hatte er sich nicht als Bittsteller oder als unangemeldeter Besucher auf den weiten und bei diesem Wetter höchst unangenehmen Weg von Berlin bis nach Pöseldorf gemacht. Dolf selber hatte ihn dringlich aufgefordert zu kommen. Dass ihm der Stau auf der regennassen Autobahn eine Verspätung um mehr als zwei Stunden eingebracht hatte, verfluchte OJ seit ebenso vielen Stunden. Auf der A 24 war ein Lastzug beim Überholen ins Schleudern geraten, hatte die Leitplanke durchbrochen, zwei Pkw zu Schrott zermahlen, einen Kleinbus gestreift und ein Chaos mit insgesamt vier Schwerverletzten hinterlassen. Das Unglücksgefährt war mit Schokoladenrohmasse beladen gewesen, wie OJ kurz vor Hamburg den ewig nachhinkenden Verkehrsfunkmeldungen entnahm.

Gegen derlei Schicksalsmächte kam nicht einmal ein Privatdetektiv im Dienst an. Jedenfalls fühlte sich OJ im Dienst, seit ihn Dolfs ein wenig konfuser Anruf am frühen Freitag nachmittag überrascht hatte. Wohin mochte der inzwischen gegangen sein? Wahrscheinlich gab es hier irgendwo in der Nobelgegend eine gemütliche Weinklause, wo er herumhockte und über den unzuverlässigen Berliner räsonierte. Dass der viel beschäftigte Starfotograf in seiner Dunkelkammer eigenhändig arbeitete, traute ihm OJ am wenigsten zu. Außerdem entwickelten Fotografen heutzutage ihre Fotos kaum noch selbst, und im Übrigen beschäftigte Dolf einen Assistenten. Er hatte schon in der Zeit ihrer eher zufälligen Wohngemeinschaft in Berlin keine Vorliebe für niedere Tätigkeiten an den Tag gelegt.

OJ wischte den Wasserschleier von den Brillengläsern und blickte ein vorletztes Mal zu der erleuchteten Fensterreihe im ersten Stock der stattlichen Villa auf. Bewegte sich da nicht der Vorhang? Die Fenster gehörten zu Dolfs Atelier; das wusste er mit Sicherheit. Er besaß ein optisches Gedächtnis, wie es sich für seine Profession gehörte, und er erinnerte sich sehr gut an seinen einzigen Besuch in Dolfs großzügig ausgestatteter Etage. Der lag schon etliche Jahre zurück, als OJ selber noch kein Bewohner, geschweige denn Besitzer einer beinahe ebenso prächtigen Villa im Berliner Grunewald gewesen war und ihn Dolfs Reichtum deshalb doppelt beeindruckt hatte.

OJ verspürte keinen Neid. Sie gehörten beide zur Generation der Erben, denen nach Berechnungen der Finanzfachleute Billionen ins Haus standen. OJ hatte seinen Anteil gänzlich unerwartet von seiner Tante Mechthild geerbt. Dolf hingegen hatte etwas vollbracht, das sehr viel seltener vorkam: Er war durch eigene, noch dazu kreative Arbeit reich geworden. Und berühmt. Zumindest in den einschlägigen Kreisen.

Obwohl seine Bilder als auffällige Doppelseiten die wichtigsten Journale der Republik und gelegentlich des Auslandes schmückten, kannte das große Publikum den Namen Dolf Parey kaum. Dolfs Fotos zeigten keine adligen Schönheiten oder pinkelnde Prügelprinzen, keine magersüchtigen Models und keine verhungernden Kinder, sie lieferten kein grausiges Anschauungsmaterial vom jeweiligen Kriegsgeschehen auf dem Balkan oder in Tschetschenien. Sie verrieten nicht einmal den Namen des Fotografen. Nur wer darauf achtete, entdeckte links oben die unauffälligen Logos der führenden Werbeagenturen, für die Dolf Parey arbeitete. Womöglich war von dort ein dringender Hilferuf an ihn ergangen. Aber Dolf hätte dann wenigstens eine Nachricht an der Haustür hinterlassen oder das Handy anrufen können.

Rechts, in Richtung auf die benachbarte, nicht weniger hochherrschaftliche Villa, erstreckte sich ein von gusseisernen Säulen flankierter Erker, der in Höhe von Dolfs Atelier in einem ausladenden Balkon endete. Dort hatten sie damals gesessen, anfangs noch umschwirrt von Dolfs eifrigem Famulus, und ein paar Flaschen Rotwein niedergemacht.“

Als Eigenproduktion der EDITION digital erschien 2016 – sowohl als gedruckte Ausgabe wie auch als E-Book – „Reise nach Jerusalem. Ein Israel-Tagebuch“ von Lutz Dettmann: August 2015: Eine deutsche Familie steigt, zusammen mit ihrer in Deutschland lebenden israelischen Schwiegertochter, im verregneten Berlin in den Flieger nach Israel, um während eines zweiwöchigen Aufenthaltes ihre Familie und ihr Heimatland näher kennenzulernen. Eine intensive Urlaubsreise beginnt, während derer der Autor und seine Familie als Gäste im Zuhause der neuen, „erweiterten“ Verwandtschaft hautnah die Gastfreundschaft und den Lebensalltag in diesem irgendwie bekannten und doch so fremden Land erfahren. Der Autor lässt den Leser durch sein Tagebuch an dieser herausfordernden Reise teilhaben und nimmt ihn mit auf einen Ausflug, der ihn von der sengenden Hitze der Negev-Wüste im Süden über die zeitlose Altstadt Jerusalems bis hin zur libanesischen Grenze im Norden und dem See Genezareth durch die Jahrtausende führt, um dann doch stets wieder in der harten und widersprüchlichen Gegenwart des „Heiligen Landes“ anzukommen. „Reisen bildet“, heißt es oft. Doch damit einher geht auch das manchmal schmerzliche Enttarnen falscher Annahmen, Glaubenssätze und Halbwissen, welche der Reisende immer im Gepäck mit sich führt. Bei dem Versuch, die politische Realität dieses auf mehrfache Weise zerrissenen Landes zu verstehen, bröckelt das aus Medien und DDR-Unterricht geprägte Israelbild des Autors allmählich und gibt den Blick frei auf die verschiedenen, vielfältigen Zwischentöne, die den hochkomplexen multikulturellen Schmelztiegel Israel ausmachen. Entstanden ist dabei ein unterhaltsames und lehrreiches Tagebuch mit 226 Fotos für Leser, die sich nicht mit der allgemeinen Schilderung der Situation in Israel zufriedengeben wollen. Hier ein Eintrag von einem der ersten Tage in Israel, in dem man ganz nebenbei auch etwas über den Autor erfährt – wie dessen Einstellung zum Aufsetzen von Mützen, genauer formuliert zum Aufsetzen von Blechmützen:

Donnerstag 27.08.15, Hazon

Die Karawane bricht auf: Heute früh schon reges Treiben im Erdgeschoss. Arielle hat etliche Kisten und Taschen gepackt. Wir wollen in den Norden. Ein Ferienhaus, besser wohl eine kleine Anlage, ist gebucht, denn zum Wochenende werden wir 14 Leute sein. Großes Problem beim Packen, wie Arielle gestern Abend erzählte: Die Ausstattung des Hauses ist koscher, soll heißen, Milch und Fleisch dürfen dort nur separat gekocht und serviert werden, Geschirr, Kochutensilien, alles muss doppelt vorhanden sein. Da die Vermieter aber ihre Zweifel haben, dass dies eingehalten wird, gibt es dort keine Töpfe, Geschirr und Besteck. Die L.’s sind Säkularjuden (Jude zu sein heißt nicht unbedingt gläubig oder religiös zu sein. Säkular heißt auch, dass man als Jude Atheist ist), so wird das eigene Geschirr mitgenommen, und alles kommt auf einen Teller. Also einige Kisten mehr …

Michael hat Yonatan, das jüngste seiner Kinder, von der Mutter abgeholt. Morgen werden noch Merav, Talis Schwester mit Nadav zu uns stoßen.

Ido, Meravs Zwillingsbruder, bleibt daheim. Er muss lernen, bereitet sich auf den Abschluss seines Mathematikstudiums vor. Auf meine Frage, ob alle Israelis Akademiker sind, lacht er und verneint.

Das Bildungswesen spielt in Israel eine große Rolle. Das kleine Land hat mit acht Millionen Einwohnern sieben Universitäten, die älteste Universität, das Technion in Haifa, wurde schon 1924, mehr als 20 Jahre vor der Staatsgründung eröffnet. Die Hebräische Universität in Jerusalem nur ein Jahr später.

Drei Fahrzeuge stehen vor der Tür und wollen beladen werden. Arielle läuft zur Hochform auf, koordiniert, packt weiter, packt wieder um, fragt, ob alle genügend Wasser mithaben, verteilt Mützen gegen die Sonne, diskutiert mit mir, weil ich mich weigere eine aufzusetzen. Ein Gelöbnis, 1981 nach Abgabe meiner NVA-Blechmütze feierlich ausgesprochen, und seit jenem Tag auch gehalten. Die Kühlboxen werden bestückt. Schließlich ist alles an Bord, auch das Toilettenpapier wurde nicht vergessen. Mir tut Arielle leid, wie sie dort wirbelt. Doch sie lässt sich von uns nicht helfen. Ich soll mir keine Sorgen machen, meint Hannes. Arielle sei der gute Geist des Hauses und genieße als jüdische Mutter leidend ihre Fürsorgerolle. Wenn es denn so einfach wäre. Ich mag es nicht, wenn man als Gast nur verwöhnt wird und nicht helfen darf.

Abfahrt in Richtung Norden, die Karawane setzt sich in Bewegung. Wir vier Deutschen reisen bei Michael mit. Sein Audi hat genug Beinfreiheit für uns lange Mitteleuropäer.

Der Straßenverkehr in Tel Aviv südländisch temperamentvoll. Man schiebt, drückt, schneidet, bremst aus, hupt. Das Ampelrot wird allerdings beachtet. Schlimm sind die zahlreichen PS-starken Motorroller, die sich an jeder Ampelkreuzung zwischen die Wagen drängeln, millimeterknapp Außenspiegel umrunden und in der ersten Reihe auf Grün warten. Dichter Verkehr. Schnell ist unsere Karawane auseinandergerissen. Israelische Männer sind multitaskfähig: Während Michael uns die Namen der Vororte aufzählt, den Anweisungen seines Navis lauscht, uns auf den riesigen Blech- oder Papp-Herzl hinweist, der auf einem Tank am Straßenrand montiert ist, den Straßenverkehr meistert, telefoniert er mit den Gliedern seiner Karawane und lotst sie zu einer Tankstelle, um sie zu vereinen. Zudem spielt noch die Elektronik seines Audis verrückt, zeigt kryptische Fehlermeldungen, die dann entschlüsselt werden sollen. Sie erweisen sich dann als Fehlmeldung.

Tel Aviv hat 390 000 Einwohner, der Großraum um die Stadt über eine Million. Vorstädte, Eigenheimsiedlungen, Nachbarstädte, Industriegebiete. Ramat Gan (Werden hebräische Namen in eine andere Sprache/Schrift transkribiert, gibt es keine festen Regeln.), Bene Beraq, Herzliya, im Süden Bat Yam, die Stadtgrenzen nicht erkennbar. Die eine Straßenseite noch Tel Aviv, die andere Seite schon Ramat Gan.

Dann wird das Land für einige Kilometer weiter, das Grün nimmt ab. Stromtrassen verfolgen uns neben der Straße, eine Tankstelle, hebräische Schriftzeichen. Esso, Shell und die anderen Großen haben hier nichts zu suchen. Auf der anderen Seite ein Einkaufszentrum, der Schriftzug von McDonalds hoch oben. Die Welt ist so klein … wieder eine der Satellitenstädte: Netanja. Die Fahrt geht weiter Richtung Norden, nur wenige Kilometer entfernt sind die weißen Strände des Mittelmeers. Caesarea, eines der reicheren Städte. Noble Villenviertel, der erste Golfplatz Israels. Drei riesige Kraftwerkstürme, ein Hunderte Meter langes Förderband ragt in das Meer. Hadera.

Haifa liegt unter uns. Drittgrößte Stadt Israels, Haupthafen des Landes, Industriestandort. Erdölraffinerien, Chemische Industrie, Hochtechnologie: IBM, Microsoft, Amdoc. Sitz einer Universität und einer Technischen Hochschule, beide mitführend bei der Entwicklung von Hochtechnologien.

Wir haben vor etlichen Kilometern die Küstenstraße verlassen und sind über die Passstraßen des Kermelgebirges gefahren. Ein kleines Gebirge, etwa 25 Kilometer lang und zehn Kilometer breit, der „Weingarten Gottes“, wie das Gebirge auf Hebräisch heißt, da seine Vegetation so üppig ist, erreicht Höhen von über 500 Meter. Pinienwälder bedecken seine Kämme.

Die Toskana Israels nennt man diesen Landstrich.

2010 brach hier während einer lang anhaltenden Dürre der größte Brand in der Geschichte Israels aus. 40 Prozent der Flora und Fauna des Gebirges wurden innerhalb weniger Tage vernichtet, 35 Quadratkilometer Brandsteppe blieben von den alten Pinienwäldern übrig. 44 Menschen starben, die meisten von ihnen waren Justizangestellte, ihr Bus wurde, nach einer Evakuierung, vom Feuer eingeschlossen. 17 000 Menschen mussten ihre Häuser und Wohnungen verlassen, das Feuer fraß sich bis in die Vororte Haifas. Die Katastrophe schien unabwendbar. Doch mit internationaler Hilfe konnte der Brand gelöscht werden. Palästinensische, bulgarische und russische Feuerwehren halfen. Türkische, britische und deutsche Löschflugzeuge unterstützten die Löscharbeiten aus der Luft. Hilfe kam auch von oben: Nach mehr als sechs Monaten Dürre begann es zu regnen. Verantwortlich für diese Katastrophe waren zwei Jugendliche, die in einem der Wälder eine Shisha entzündet und die Kohle entsorgt hatten.

Die Natur duldet keine Zerstörung. Büsche, junge Setzlinge siedeln sich an. Wir waren erstaunt, dass hier schon wieder junges Grün wächst. Aus der Asche wächst die neue Saat.

Obwohl Haifa, laut meinem Baedeker die schönste Stadt Israels sein soll, machen wir keinen Zwischenstopp. Unser erstes Etappenziel liegt weiter nördlich.“

Schon dieser Auszug aus dem Reise-Tagebuch von Lutz Dettmann dürfte Lust machen, mehr über dieses Land und seine Einwohner und deren nicht ganz einfachen Lebensgeschichten zu erfahren. Und wahrscheinlich hört man auch die aktuellen Nachrichten, die gegenwärtig aus diesem Land und aus der Region, in der es liegt, zu uns kommen, mit anderen Ohren. Und vielleicht macht dieses Tagebuch dem einen oder anderen Newsletter-Bezieher sogar Lust auf eine eigene Reise ins „Heilige Land“? Dann kann Dettmanns Buch auch als ein Teil der Reisevorbereitungen dienen. Und vielleicht sollte man in diesem Zusammenhang auch wieder einmal in die Bücher von Arnold Zweig schauen, dem großen deutschen Schriftsteller, Jude und Sozialist, der eine Zeitlang auch im damaligen Palästina gelebt und geschrieben hatte und nicht zuletzt wegen künstlerischer und ideologischer Auseinandersetzungen dort 1948 nach Deutschland und zwar in die DDR zurückkehrte. Es lohnt sich. Ehrenwort. Und nicht zuletzt gewährt sein Leben in der DDR auch eine ganz andere Sicht auf die Geschichte dieses Landes …

Viel Vergnügen beim Lesen – wenn der Regen weiter so anhält, dann hat man wahrscheinlich ohnehin keine Lust auf lange Spaziergänge – , nochmals viel Vorfreunde auf den Frühlingsmonat März und bis demnächst.

Über die EDITION digital Pekrul & Sohn GbR

EDITION digital war vor 25 Jahren ursprünglich als Verlag für elektronische Publikationen gegründet worden. Inzwischen gibt der Verlag Krimis, historische Romane, Fantasy, Zeitzeugenberichte und Sachbücher sowie Kinderbücher gedruckt und als E-Book heraus. Ein weiterer Schwerpunkt sind Grafiken und Beschreibungen von historischen Handwerks- und Berufszeichen sowie Belletristik und Sachbücher über Mecklenburg-Vorpommern. Bücher ehemaliger DDR-Autoren werden als E-Book neu aufgelegt. Insgesamt umfasst das Verlagsangebot, das unter www.edition-digital.de nachzulesen ist, mehr als 1.000 Titel (Stand Februar 2020). Alle Bücher werden klimaneutral gedruckt.

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