Wird die Bio-Branche auch in Sachen Verpackung ihrem Nachhaltigkeitsanspruch gerecht? Auf den Leitmessen für Bio-Lebensmittel und Naturkosmetik BIOFACH und VIVANESS machte sich die Verpackungsexpertin Carolina Schweig ein Bild davon.

Bioprodukte liegen bei den Verbrauchern voll im Trend. Das zeigte sich auch am steigenden Zuspruch zum Messe-Duo BIOFACH, der Weltleitmesse für Bio-Lebensmittel, und VIVANESS, der internationalen Fachmesse für Naturkosmetik. Beide Messen verzeichneten 2020 Bestmarken bei Ausstellern, Fläche und Internationalität: 3.792 Aussteller aus 110 Ländern stellten sich vom 12. – 15. Februar im Messezentrum Nürnberg den über 47.000 Besuchern vor. Nachhaltige Alternativen für herkömmliche Verpackungsmaterialien und die Reduktion des Verpackungseinsatzes zählten in diesem Jahr zu den wichtigsten Trends der dort vertretenen Branchen.

Deshalb wurde auch die Verpackungsexpertin und Nachhaltigkeitsspezialistin Carolina Schweig von den Messeveranstaltern eingeladen, um über umweltfreundlichere Verpackungslösungen zu berichten und einige Mythen in punkto Nachhaltigkeit zu korrigieren. Denn auch die Biobranche hat mit den gleichen Problemen bei der Umweltfreundlichkeit ihrer Verpackungen zu kämpfen, wie die konventionellen Hersteller. Obwohl es noch einiges zu verbessern gibt, ist die Verpackungsexpertin jedoch zuversichtlich: „Es gibt ein starkes Wollen, das nur in die richtigen Kanäle geleitet werden muss!“ So könnte die Biobranche mit ihren Kunden und deren Erwartungen, sowie mit den dort erzielbaren Margen beispielsweise ein Wegbereiter in Sachen sinnvollem Einsatz von Biokunststoffen werden. Auch im Hinblick der zu erreichenden Recyclingquoten könnte die Biobranche in Europa einen entscheidenden Beitrag leisten, wenn sie konsequent auf die Recycelfähigkeit der Verpackungslösungen achte, so Carolina Schweig.

Ökologie ist gut für das Image

Am Neuheitenstand der BIOFACH und VIVANESS präsentierten Hersteller unter anderem den Einsatz umweltfreundlicher Materialien oder die Reduzierung von Verpackungsmaterial in der Praxis. Doch auch hier gibt es nach Ansicht von Carolina Schweig noch einiges zu verbessern. So würden Ansätze zur Verpackungsreduktion, dem Einsatz von Mono-Materialien oder leichter recycelbaren Verpackungen bisher nur sehr zögerlich betrachtet und umgesetzt. „Grund dafür ist vielfach eine andere, sehr eigene Definition von Umweltschutz und Nachhaltigkeit, die sich am Selbstbildnis der Branche orientiert“, so Carolina Schweig. Vor allem junge Start-ups und Bio-Unternehmen, die zu konventionellen „Müttern" gehören, beschreiten einen anderen Weg, berichtet Schweig. Sie würden die EU-Vorgaben und das Verpackungsgesetz ganz bewusst für die eigene Markenpositionierung nutzen: „Das verbessert nicht nur ihr Image und die Akzeptanz des Kunden, minimierte oder recyclingfähige Verpackungen sind für die Unternehmen auch finanziell lukrativ.“

Nicht zuletzt können sich die Unternehmen eine positive Ökobilanz ihrer Verpackungen auch auf die Fahnen schreiben und kritische Kunden überzeugen, denn viele Kunden wünschen sich ihre bevorzugten Marken in einer umweltfreundlichen Verpackung. Als Beispiel nennt Schweig die Recyclingfähigkeit: „Prinzipiell wären gut recycelbare Verpackungen bei vielen Anwendungen möglich. Um bessere, also recycelbare Konzepte umzusetzen, bedarf es jedoch einer intensiven Beschäftigung mit den wirklichen Notwendigkeiten und Anforderungen der eigenen Produkte, Lieferketten, der Produktionen und den Kundenerwartungen. Diese sollten so exakt wie möglich definiert und dann passgenau erfüllt werden.“

Papier oder Kunststoff? Die Ökobilanz sollte als Wegweiser dienen

Um den Kundenerwartungen nach nachhaltiger Verpackung entgegen zu kommen greifen viele Hersteller inzwischen gerne auf Papier oder Folien mit „Packpapier-Optik“ zurück. „Leider führen die häufig gewählten Packstoff- und Packmittel-Lösungen nicht zu den angestrebten und formulierten Zielen, eher zum Gegenteil“, warnt die Nachhaltigkeitsexpertin. Das subjektive Empfinden, Papier sei umweltfreundlich, werde momentan von etlichen Unternehmen – nicht nur aus dem Bereich der Naturkost und Naturkosmetik – für ihre eigenen Marketingziele sehr intensiv gespielt. Einigen dieser Unternehmen sei durchaus bewusst, dass ihre Papierverpackungen in keiner Weise ökologisch vorteilhaft sind: So sind die Beutel aus Papier dann größer als die Kunststoffvarianten, um mit dem steifen Papier auf den Abfüllanlagen einigermaßen verschlossene Beutel zu erhalten brauche es dann einfach mehr Material.

„Will man wissen, ob die jeweilig angedachte Papierverpackung (faserstoffbasierte Verpackungslösung) einen ökologischen Vorteil hat, muss man die Lösungen vergleichend bewerten und berechnen“, rät die Verpackungsexpertin. Das heißt, neben den Themen wie Verpackungsgewicht, Ressourceneinsatz, Art des Papiers und ggf. die höheren Energiewerte in der Abpackanlage, sei auch der Ursprung des Zellstoffes zu berücksichtigen. Denn Zellstoff komme nicht mehr zwangsläufig aus den Wäldern unserer nordischen Nachbarn, sondern aus weniger nachhaltigen Plantagen. „Erst wenn alle Faktoren Berücksichtigung bei der Bewertung gefunden haben und das Ergebnis wirklich einen Vorteil zeigt, hat man das gefährliche „Greenwashing“ vermieden“, so Carolina Schweig.

Herstellern von Bioprodukten rät Schweig, nachhaltige Packmittel und Packstoffe nicht mit dem Bauch, sondern mit dem Verstand zu bewerten sowie klare Nachhaltigkeitsziele zu definieren, und diese auf Prozesse, Packstoffe und Packmittel umzusetzen und die Erreichung der gesetzten Ziele zu bewerten und zu berechnen.

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