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Lawrence Abu Hamdan
Ursula Biemann
Forensic Architecture
Paulo Tavares

Ausstellungseröffnung:
Die Ausstellungseröffnung entfällt.

Presserundgang:
Do 09/07
11.00 Uhr mit Anmeldung oder nach Vereinbarung

Die Ausstellung Enter the Void widmet sich der Arbeitsweise und dem Schaffen von Lawrence Abu Hamdan, Ursula Biemann, Forensic Architecture und Paulo Tavares. Sie folgt deren Strategien, Lücken in der Übermittlung von Ereignissen, in Beweisketten, in der Rechtsprechung, ebenso wie in unserer sinnlichen und physischen Wahrnehmung aufzuspüren, hervorzuheben und zu untersuchen.

Alle vier Positionen verbinden sich in dem englischen Wort „void“. Dieses bezeichnet ein Loch, eine Lücke, eine Leerstelle und damit einen unbesetzten Raum bzw. eine Stelle, an der Material abwesend ist. Es umschreibt in diesem Zusammenhang u.a. nachträgliche Verletzungen, die eine ehemals intakte Struktur oder Anwesenheit belegen. Ebenso legen Löcher, Lücken, Leerstellen Zeugnis über Eingriffe, Angriffe und Ereignisse ab. Abgesehen von den physischen Qualitäten, können sie sich auch auf Wissens- oder Wahrnehmungslücken beziehen und Informationen schlucken, die wir nicht sehen, hören, verstehen oder einordnen können. Sie können einen Ort beschreiben, der jenseits unseres Vorstellungshorizonts und sinnlichen Zugriffs liegt.

Forensic Architecture kreist in ihren Fallbearbeitungen immer wieder um den Topos „negative evidence“. Dieser entstammt der Rechtswissenschaft und wird verwendet, wenn das Fehlen eines materiellen Zeugnisses – beispielsweise in Form der Verschleierung oder Zerstörung von Material – als eigener Beweis verstanden wird. Es handelt sich demnach um eine Beweisführung ex negativo. Lawrence Abu Hamdan und Paulo Tavares lernten sich im Rahmen ihrer Arbeit innerhalb Forensic Architecture an der Goldsmiths University kennen. Seit langer Zeit verfolgen sie jedoch von der Rechercheagentur unabhängige Projekte. So widmen sich Paulo Tavares und Ursula Biemann dem Ökosystem und der Frage nach der Welt als Lebewesen. Lawrence Abu Hamdan schließlich konzentriert sich insbesondere auf Aussagekraft und Wahrheitsgehalt von Ton und Stimme.

Es ist der Aspekt der (vermeintlichen) Abwesenheit, der in der Ausstellung Enter the Void die Beiträge von Lawrence Abu Hamdan, Ursula Biemann, Forensic Architecture und Paulo Tavares verbindet. Ihre Arbeit leistet immer wieder Beiträge zur Neubewertung und Aufklärung von Verbrechen. Sie ist daher nicht nur in der Kunst, sondern auch gesellschaftlich von höchster Wichtigkeit. In der Kunsthalle Mainz wird die Gegenwartskunst im Sommer 2020 zum Austragungsort für den Kampf um Demokratie, Gerechtigkeit, Natur- und Menschenrechte.

Die Ausstellung und ihr Begleitprogramm werden gefördert durch die Stiftung Rheinland-Pfalz für Kultur, die Rudolf Augstein Stiftung, Pro Helvetia und die Landeszentrale für politische Bildung.

Forensic Architecture ist eine 2011 von Eyal Weizman gegründete unabhängige Rechercheagentur, die an der Goldsmiths, University of London als eigenständiges Forschungsprojekt verortet ist. Das Kollektiv aus Künstler*innen, Architekt*innen, IT-Spezialist*innen, Journalist*innen und Wissenschaftler*innen unterschiedlicher Sparten hat es sich zur Aufgabe gemacht, gemeinsam mit internationalen NGOs Recherchen zu Menschenrechtsverstößen, staatlichem Versagen und Gewaltverbrechen anzustellen. Forensic Architecture entwickeln außerdem die wissenschaftlichen Methoden der forensischen Architekturanalyse stetig weiter und beziehen dabei neueste technische Möglichkeiten mit ein. Sie entwickeln Analysetools in Form von 3D-Modellen von Konfliktorten, bereiten die gesammelten Daten anschaulich in Animationen auf und schaffen interaktive Landschaften, die sich auf die architektonischen, geografischen und urbanen Maßstäbe beziehen, um so Ereignisse möglichst exakt wiederzugeben.

Lawrence Abu Hamdan (*1985 in Amman/Jordanien) studierte an der Goldsmiths University. Seit einer guten Dekade leistet er als Bildender Künstler einen wichtigen Beitrag zum aktuellen Kunstgeschehen und seine Arbeiten erfahren ein starkes inter-nationales Interesse. Er selbst bezeichnet sich als „Private Ear“. In seinen künstlerischen Arbeiten spielt Ton eine entscheidende Rolle, den er nicht nur akustisch, sondern auch visuell darstellt, indem er etwa Schallwellen verbildlicht. Lawrence Abu Hamdan ent-wickelt alternative Möglichkeiten, die Stimmen von Zeugen, Beweisen und Verbrechen zu ergründen und hörbar zu machen. Die Kunst gibt ihm dabei die Freiheit, die seiner Forschung zugrunde liegenden Hörpraktiken nicht nur zur konstruieren, sondern zu beleben, den Tönen einen Raum zu geben, für sich selbst zu sprechen sowie sie ästhetisch anzukleiden. Die audiovisuellen und installativen Arbeiten von Lawrence Abu Hamdan thematisieren die politische Dimension von Sprache und Kommunikation.

Die Schweizer Künstlerin Ursula Biemann (*1955 in Zürich/Schweiz) beschäftigt sich bereits seit 2005 mit dem Thema Ressourcen. Eine Grundlage für ihr Werk bildet die Erkenntnis, dass in unserer Gegenwart der Zugriff auf Körper und Ressourcen eine tragende Rolle spielt und sich stark auf unsere Mobilität auswirkt. Sie ging in ihren Werken wiederholt dem Verhältnis von Orten der Rohstoffförderung und menschlicher Mobilität sowie deren Tendenz postkoloniale Situationen auszuprägen nach. Dies führte sie zu der Auseinandersetzung mit neuen Materialitäten im Anthropozän. Lokale Expert*innen und deren Äußerungen bilden ebenso Grundlage ihrer Arbeiten und Filme wie Feldforschungen in situ zu Landschaft und Atmosphäre. Ihre Videoarbeiten verbindet Ursula Biemann immer wieder mit der installativen Präsentation von Bildern, Objekten und Materialien. So entstehen Settings, die sich zwischen realen Dokumenten und Diskursen, weiterführenden Reflexionen und spirituellen Einsichten ansiedeln.

Paulo Tavares (*1980 in Campinas/Brasilien) ist ein brasilianischer Architekt, Forscher und Autor. Er unterrichtete am Centre for Research Architecture an der Goldsmiths University und ist mittlerweile Professor an der Fakultät für Architektur und Urbanismus der University of Brasília, Brasilia. Seine Arbeit setzt sich mit dem Verhältnis zwischen visuellen und räumlichen Gesetzmäßigkeiten innerhalb territorialer Konflikte und dem Klimawandel auseinander. Er operiert häufig in Südamerika, vornehmlich im Amazonas-gebiet. Paulo Tavares nutzt recherchebasierte Methoden und Feldforschung. Immer wieder stößt er gemeinsam mit Indigenen neue Initiativen an, ihre ureigenen Gebiete zu schützen oder zurück zu gewinnen. Der Vertrag mit der Natur spielt dabei ebenso eine fundamentale Rolle wie der Glaube an die Welt als Lebewesen. Seine Praxis verbindet Design, medienbasierte Kartografie, fremde und eigene Schriften miteinander, um gegenwärtige Formen und Zustände von Raum zu lesen und zu vermitteln.

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