Das Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg fordert Kommunen per Erlass zur konsequenten Ahndung von Falschparken auf. Die drei hessischen Organisationen sehen die mangelnde Ahndung von falsch geparkten Fahrzeugen ebenfalls als Problem und fordern die Landesregierung auf, sich ein Beispiel daran zu nehmen und auch in Hessen behinderndes und gefährliches Parken nicht länger zu dulden.

„Die Verkehrssicherheit der BürgerInnen im Straßenverkehr ist der Landesregierung ein wichtiges Anliegen. Das Verkehrsministerium sieht es vor diesem Hintergrund mit Sorge, dass insbesondere in Kreuzungsbereichen sowie auf Geh- und Radwegen Verkehrsgefährdungen durch rücksichtsloses Verhalten von VerkehrsteilnehmerInnen entstehen.“ So beginnt der „Erlass zur Überwachung und Sanktionierung von Ordnungswidrigkeiten im ruhenden Verkehr“ des Verkehrsministeriums in Stuttgart. Auf 16 Seiten werden die Rechte und Pflichten von Kommunen dargestellt und Handlungsanweisungen für Ordnungsbehörden und Polizei gegeben.

Das Ziel des Erlasses wird ebenfalls gleich zu Beginn deutlich gemacht: Kinder und Senioren*innen schützen, Rettungswege frei halten und weitere Verkehrsbehinderungen unterbinden. Denn durch blockierte Geh- und Radwege werden insbesondere Kinder und Senior*innen immer wieder in gefährliche Situationen gezwungen. Aber auch Rettungsdienste werden häufig erheblich bei ihrer Arbeit behindert und so Menschenleben gefährdet.

Das Verkehrsministerium konkretisiert auch: „Pauschale Vorgaben, bestimmte Ordnungswidrigkeiten […] nicht zu verfolgen oder Verkehrsdelikte in bestimmten Gebieten oder auf bestimmten Straßenabschnitte nicht zu ahnden […] stehen mit den Pflichten der Verfolgungsbehörden nicht im Einklang.“

Dies ist eine erfreulich klare Ansage, endlich das in der gesamten Bundesrepublik geltende Recht auch anzuwenden. In Hessen verzichten allerdings derzeit viele Kommunen pauschal auf die Kontrolle in bestimmten Gebieten oder unter bestimmten Bedingungen.

 „An vielen Stellen wird falsches Parken durch Ordnungsbehörden großzügig geduldet. Stadtverwaltungen verweisen dabei meist auf hohen ‚Parkdruck‘ oder das Ermessen der Behörde und legitimieren so, was eigentlich gesetzlich verboten ist“, kritisiert Markus Schmidt vom Fachverband Fußverkehr Deutschland (FUSS e.V.).Gegen die Zweckentfremdung der Räume von Fuß- und Radverkehr erhebt sich derweil immer mehr Widerstand. Viele Menschen sind von täglichen Behinderungen im Verkehrsgeschehen verärgert und wehren sich. Dies zeigt sich unter anderem in der stark steigenden Zahl von Privatanzeigen bei den Ordnungsämtern.

„Es darf nicht die Aufgabe der Betroffenen sein für freie Verkehrswege zu sorgen“, kritisiert Stephan Voeth, Vorstandsmitglied des VCD Hessen. „Die Ordnungsbehörden sind verpflichtet, ausreichende Vorkehrungen und Maßnahmen zu treffen, damit Verkehrsbehinderungen nicht weiter den Alltag vieler Menschen einschränken oder diese sogar gefährden.“Ansgar Hegerfeld, stellvertretender Landesvorsitzender des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club Hessen (ADFC Hessen), erklärt abschließend: "Die pauschale Verweigerung der Ahndung, wie sie viele Kommunen in Hessen praktizieren, ist ein klarer Rechtsbruch. Dies wurde in Baden-Württemberg jetzt festgestellt. Es ist an der Zeit, dass auch in Hessen die Landesregierung eindeutige und öffentliche Leitlinien für Abschleppmaßnahmen und die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten erlässt."—–

Anhang: Erlass zur Überwachung und Sanktionierung von Ordnungswidrigkeiten im ruhenden Verkehr vom 11.05.2020

Separate Erläuterung:

Opportunitätsprinzip:
Bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten, also auch bei der Verfolgung von Parkverstößen, gilt das sogenannte Opportunitätsprinzip. Die gesetzliche Grundlage für das Opportunitätsprinzip im Ordnungswidrigkeitenrecht ist § 47 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OwiG):

"Die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Verfolgungsbehörde. Solange das Verfahren bei ihr anhängig ist, kann sie das Verfahren einstellen."

Im Ordnungswidrigkeitenrecht gilt allerdings trotzdem das Prinzip: Die gesetzwidrige Tat ist zu verfolgen. Dem genügt das unreflektierte Befolgen der Norm, und infolgedessen braucht die Begründung des Bußgeldbescheids (§ 66 Abs. 1 und 2) darüber nichts zu enthalten. Der – bei gegebenen Voraussetzungen – Ahndende verhält sich stets rechtmäßig. Nur die Nicht-Ahndung, als Ausnahme, braucht dann ein zusätzliches Kriterium, das auch anzugeben ist. Die Verfolgungsbehörde kann also, auf Basis der Sach- und Rechtslage von der Verfolgung absehen. Dies muss sie aber im Einzelfall begründen. Eine pauschale Nicht-Verfolgung von bestimmten Ordnungswidrigkeiten wäre nicht pflichtgemäß.

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