Im Rahmen der digitalen Mitgliederversammlung des Deutschen Musikrates (DMR) wurde am 16. Oktober 2020 der 6. Berliner Appell „Kulturleben jetzt sichern“ verabschiedet. Der Appell reflektiert die durch die Corona-Zeit zusätzlich erschwerte Lage für große Teile des Musiklebens und fordert in sechs Punkten ein breites Paket an Maßnahmen, um das kulturelle Leben nicht nur in der aktuellen Krise zu unterstützen, sondern auch zukunftssicherer zu machen.

Hierzu Prof. Christian Höppner, Generalsekretär des Deutschen Musikrates: „Für den Erhalt unserer Kulturellen Vielfalt ist es jetzt drei vor zwölf! Wie unter dem Brennglas zeigt die Corona-Zeit seit acht Monaten die bereits zuvor existierenden strukturellen Schwächen unseres Kulturlebens auf. Viele Soloselbstständige stehen längst vor dem beruflichen Aus, Teilen der Musikwirtschaft droht die Insolvenz, und in den Grundschulen verschwindet der Musikunterricht mehr denn je vom Radar. Der 6. Berliner Appell benennt diese Defizite und fordert Lösungen – für die, die derzeit ihren Beruf nicht auf oder hinter den Bühnen ausüben können, ebenso wie etwa für den Bereich der musikalischen Bildung, der Landesrundfunkanstalten oder auch der Strukturförderung des Kulturlebens. Jetzt gilt es für Bund, Länder und Kommunen, angesichts schwindender finanzieller Mittel den Mut für eine klare Prioritätensetzung zugunsten des Kulturlebens aufzubringen. Denn Kultur ist kein Privatvergnügen, Kultur ist Staatsräson – und damit wesentlich für ein funktionierendes Staatsgebilde und gesellschaftlichen Zusammenhalt auf der Grundlage gemeinsamer Werte.“

Die Berliner Appelle, die bei den jährlichen Mitgliedsversammlungen des DMR von den etwa 100 Mitgliedsverbänden diskutiert und verabschiedet werden, stellen die höchste Appellationsebene dar und sind Grundlage für das musikpolitische Handeln des DMR und seiner Mitgliedsverbände. Die in den Appellen formulierten Forderungen sind als Ausgangspunkt für detaillierte Einzelforderungen und Maßnahmen angelegt, so stellt beispielsweise das Bundesforderungspapier #MehrMusikInDerSchule eine Konkretisierung des im 6. Berliner Appell formulierten Bestrebens nach einer Aufwertung der künstlerischen Schulfächer dar.

6. Berliner Appell: Kulturleben jetzt sichern

Der Deutsche Musikrat, der weltweit größte nationale Dachverband des Musiklebens, der die Interessen von rund 14 Millionen musizierenden Menschen repräsentiert, engagiert sich für ein lebendiges Musikleben als Teil eines von Kultureller Vielfalt geprägten Kulturlebens.

Die Soloselbstständigen, die Bildungs- und Kultureinrichtungen, die Kirchen und Religionsgemeinschaften, die Musikwirtschaft, die Amateur-Musik und der öffentlich-rechtliche Rundfunk bilden den Herzschlag unseres kulturellen Lebens. Die lebhafte und vielfältige Kulturszene Deutschlands wird von dem Können und Engagement der Kulturschaffenden getragen. Die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen brauchen die kulturelle Grundierung in der Begegnung mit den Künsten. Kulturelle Vielfalt ist demokratierelevant und Voraussetzung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Die Corona-Pandemie gefährdet das Kulturleben in Deutschland und schärft zugleich den Blick auf zum Teil seit vielen Jahren ungelöste Probleme, wie zum Beispiel die soziale Lage der Soloselbstständigen im Kulturbereich. Jetzt braucht es im Nachgang zu dem großen Engagement der Bundesregierung und einiger Länder mit den aktuellen Überbrückungshilfen für den Kulturbereich nachhaltige Konzepte, wie Kulturelles ErLeben – live und gemeinsam – auch in den kommenden Jahren gesichert werden kann.

Der Deutsche Musikrat appelliert

Der Deutsche Musikrat appelliert an  den Deutschen Bundestag, die Bundesregierung, die Parlamente und Regierungen der Länder, die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände, die evangelische und katholische Kirche sowie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, jetzt die Weichen für eine nachhaltige Sicherung unseres kulturellen Lebens zu stellen, um einen langfristigen kulturellen Kahlschlag in Deutschland zu verhindern.

Dabei erfordern die Jahre 2021 bis 2023 eine klare Prioritätensetzung dieser Akteure angesichts der dringend notwendigen höheren Investitionen in (Hochschul-)Bildung, Kultur, Klimaschutz, Digitalisierung sowie konjunkturbildender Investitionen im Kontext von sechs Landtagswahlen und der Bundestagswahl in 2021 sowie einer insgesamt disparaten Wirtschaftslage.

Die Kultur- und Kreativwirtschaft mit der zweitgrößten Bruttowertschöpfung nach der Automobilindustrie wird in der viertstärksten Industrienation der Welt künftig im globalen Wettbewerb eine noch höhere Bedeutung erlangen. Die historisch gewachsene Kulturelle Vielfalt in unserem Land und die völkerrechtlich verbindliche UNESCO-Konvention zum Schutz und zur Förderung der Kulturellen Vielfalt sind die entscheidenden Wegmarken zu einer von Zuversicht getragenen Gesellschaft.

Der Deutsche Musikrat fordert

1. die Selbstverpflichtung der Länderparlamente zur Sicherung der Kulturausgaben für die Haushaltsjahre 2021-2023 mindestens auf dem Stand der Haushaltsansätze 2020.
2. die Schaffung einer validen Datengrundlage, unter welchen Voraussetzungen Veranstaltungen in geschlossenen Räumen wieder stattfinden können, zum Beispiel durch die Beauftragung des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums durch den Bundeswirtschaftsminister.
3. die Umsetzung des Bundesratsbeschlusses vom 05. Juni 2020 für monatliche Pauschalzahlungen an Soloselbstständige im Kulturbereich.
4. eine Stärkung der künstlerischen Schulfächer und des Sports als Kernfächer schulischen Lebens für alle Jahrgangsstufen und Schularten. Dabei müssen die Erkenntnisse aus der vom Deutschen Musikrat, den Landesmusikräten und der Bertelsmann Stiftung beauftragten Studie und der Tagung #MehrMusikInDerSchule genutzt werden.
5. die neun Landesrundfunkanstalten auf, die Klangkörper und den Programmbereich als das entscheidende Profilmerkmal für die Unverwechselbarkeit ihrer Arbeit zu stärken. Die gesellschaftliche Akzeptanz des ÖRR beruht wesentlich auf der Qualität und dem Ausbau seiner inhaltlichen Arbeit, der Unterscheidbarkeit seiner Angebote sowie seiner regionalen Präsenz.
6. die Priorisierung einer nachhaltigen Strukturförderung gegenüber der Projekt- und Eventförderung im Bildungs- und Kulturbereich.

Die durch die Corona-Pandemie ausgelöste Krise biete die Chance, Prioritätensetzungen gesellschaftspolitischer Zukunftsgestaltung zu hinterfragen und ggf. zu modifizieren bzw. neu zu setzen. Die Bedeutung von Bildung und Kultur für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und wirtschaftliche Prosperität ist hinlänglich bekannt und belegt. Deutschland hat kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem. Jetzt kommt es darauf an, die Sonntagsreden zu dieser Erkenntnislage in nachhaltiges Montagshandeln umzusetzen.

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