„Die Digitalisierung in der Bauwirtschaft wird nur dann von allen Protagonisten mitgetragen, wenn sie auf einem gemeinsamen Standard basiert und damit ‚barrierefrei‘ und effektiv Daten zur Verfügung stellt.“ Diesem Leitmotiv folgend, setzen die Verantwortlichen der EUROBAUSTOFF Kooperationszentrale alles daran, ihre Partner in der Wertschöpfungskette BAU für gemeinsame Projekte zur Digitalisierung der Baubranche an einen Tisch zu bekommen.

Auf Initiative von Dr. Roland Falk, Leiter des Projektes „DigiGAAB – Digitalen Gesundheits- und Arbeitsschutz für Arbeitsprozesse im Baugewerbe“, und mit Unterstützung der EUROBAUSTOFF kamen bereits Mitte Juni 2020 Vertreter der Baustoffindustrie, des Baufachhandels, der Bau(handwerker)software und des Bauhandwerks in einer großen Runde zu einem ersten Treffen im Branchenzentrum für Ausbau und Fassade in Rutesheim zusammen, um gemeinsam über die derzeitige Situation der unterschiedlichen Entwicklungsstufen innerhalb der Lieferkette, deren Digitalisierungsansätze und Wege zu einer gemeinsamen Strategie zu diskutieren.

Dieses Ziel behielten die Teilnehmer auch im Nachfolgetermin in der Kooperationszentrale der EUROBAUSTOFF in Bad Nauheim im Oktober im Fokus. Nach einer Einleitung durch Arne Blöcker, EUROBAUSTOFF Bereichsleitung Produktdatenmanagement /Digitalisierung, und Dr. Falk  wurden zunächst drei Arten von benötigten Daten aufgezeigt. Jeder Handwerksbetrieb sorgt selbst für die Verfügbarkeit und Aktualisierung seiner Projekt- und Unternehmensdaten, da diese handwerksspezifisch sind. Bei den Fachdaten setzt das Handwerk aber auf die Kompetenz Dritter und muss sich zu dazu jeder Zeit auf seinen Fachhandel und seine Lieferanten verlassen können. Sie haben die Hoheit über die Fachdaten, deren Aktualität und deren rechtlich einwandfreie Verarbeitung. Eine Datenpflege in diesem Bereich ist für den Handwerker nicht nur auf Grund des Zeitaufwandes kaum möglich. Dies wurde in den Wortbeiträgen im Arbeitskreis immer wieder thematisiert.

Aufbauend auf die Einteilung der benötigten Daten, wurden die Prozesse im Handwerk aufgezeigt. Dies geschah anschaulich mit Hilfe einer Handwerkersoftware, vorgestellt von Christoph Berns, zuständig für Qualitätssicherung bei Winworker. Daraus ergaben sich dann Anforderungen und Wünsche an den Fachhandel und die Industrie, um den Handwerkskunden zukünftig sowohl in der Angebotsphase als auch während

der Verarbeitung den Handwerkskunden aktuell und verlässlich in digitaler Form Auskunft geben zu können. Ist die permanente Bereitstellung von Daten jedweder Art durch Dritte gewährleistet, wird sich auch das Fachhandwerk leichter an eine Digitalisierung seiner Arbeitsprozesse heranwagen.

Aus dem Tagesgeschäft berichtete dazu Werner Kaiser, Geschäftsführer eines Stuckateur-Unternehmens in Triberg: „Wir haben den Anspruch, bei unseren Kunden eine wirtschaftliche und technisch korrekte Arbeit abzuliefern. Dazu benötigen wir Daten auf der Baustelle, die wir mit mobilen Endgeräten jederzeit abrufen können. Wir wollen aber nicht von einer Datenflut überrollt werden, sondern nur die relevanten und tagesaktuellen Informationen über die gerade zu verarbeitenden Produkte erhalten“. Dies verlangt nicht nur Content, sondern auch eine intelligente Software. Diese Einschätzung unterstrich im Anschluss Karl Schlichter als Vorsitzender des BIG – Bundesverband in den Gewerken Trockenbau und Ausbau e.V.

Dass bei der Digitalisierung nicht mehr nur auf die Optimierung von Prozessabläufen und die Quantität der vorhandenen Datenvolumina geachtet wird, machte Prof. Dr. Uwe Kern deutlich. Er ist Geschäftsführer der ITEK GmbH in Paderborn, beschäftigt sich seit Jahren u.a. mit der Standardisierung von Stammdaten für die SHK- und Elektrobranche. „Die Zeiten von u.a. GAEB oder Datanorm Schnittstellen, mit denen große Datenvolumen in Branchenprogramme eingespielt wurden, sind aber jetzt

vorbei.“ Der Handwerker wolle nicht mehr von Daten erschlagen werden, sondern qualifizierte Antworten auf seine Problemstellungen. „Der Trend geht eindeutig zu vernetzten Terrabyte-großen Datenbanken, aus denen sich der Verarbeiter ‚on demand‘ seine tagesrelevanten Daten abrufen kann.“ Es zähle Qualität statt Quantität.

Hier sieht der Anbieter von Handwerker-Software „WinWorker“, der zu seiner Software auch Hersteller-Schnittstellen anbietet, nur eine brauchbare Lösung, „eine zentrale Plattform, die Daten für den Fachhandwerker in entsprechenden Formaten und mit Standard-Schnittstellen für das jeweilige Branchenprogramm bereitstellt“.

Als einer der größten Hersteller in der deutschen Baubranche nahm Knauf Gips KG vertreten durch Gerhard Wellert, Vertriebsdirektor Putze, an dem Meeting in Bad Nauheim teil. Er unterstrich, wie wichtig die Homogenität der Basisdaten entlang der Kundenkette ist. Das gelte nicht nur für die Knauf Gips KG, sondern für die gesamte Knauf-Gruppe. „Wir müssen gemeinsam dafür kämpfen, dass entlang der gesamten Wertschöpfungskette BAU eine unterbrechungsfreie Datenübermittlung stattfindet und wir somit den Weg zu BAU 4.0 erfolgreich gehen können. Nur so lässt sich in Summe die Produktivität im Bauprozess erhöhen.“ Gerhard Wellert gab daraufhin einen Überblick über Verknüpfungspunkte zwischen Industrie- und Handwerksprozessen in der Lieferkette.

Die Digitalisierungsinitiative wird von Michael Heil, Leiter des vom BMWi geförderten Teilzentrums Handwerk im Mittelstand 4.0 Kompetenzzentrum Planen und Bauen, begrüßt und unterstützt. Im Rahmen der bundesweiten Aktivitäten des Kompetenzzentrums ist zu bestätigen, dass gerade das Thema Stammdatenmanagement und der Austausch von Material- und Leistungsstammdaten ein großer Engpass bei KMU des Bauhandwerks sind. Lösungen und Fortschritte in Bezug auf standardisierte, moderne Datenaustauschformate würden einen sehr großen Nutzen für Handwerksbetriebe bieten. Dazu sei es aber auch erforderlich, dass die Bauindustrie und Materialhersteller sich öffnen und bereit seien, ihre Materialstammdaten digital aufzubereiten und zur Verfügung zu stellen.

Mitten zwischen Industrie und Handwerk steht die EUROBAUSTOFF als Baufachhandelskooperation, ist Mittler und Bindeglied innerhalb der Wertschöpfungskette. In dieser Funktion trat dann auch Arne Blöcker, auf und zeigte, wie die Kooperation ihre Rolle ausfüllt, wo sie Verknüpfungspunkte zwischen den Prozessen des Fachhandels mit denen des Handwerks sieht, und gab einen Überblick über die derzeit handwerksseitig gewünschten Software-Programme für den Daten- und Informationsaustausch. Unterstützt wurde Arne Blöcker dabei von Mario Mühlbauer und Jürgen Engels aus den Warenbereichen Hochbau bzw. Trockenbau und Dämmstoffe der Kooperation.

„Dies war eine wichtige Auftaktveranstaltung für die Branche“, sagt Dr. Roland Falk heute. „Alle Teilnehmer wissen von einander, dass es zukünftig nur gemeinsam geht. Sonst kostet die Digitalisierung nur, nutzt aber niemandem. Wir werden weiterreden, diskutieren und Lösungen vorbereiten.“ Für den nächsten Termin hat sich die Arbeitsgruppe auf Anfang nächsten Jahres geeinigt.

Bildunterschrift:

Wollen die Digitalisierung der Wertschöpfungskette BAU weiter forcieren (v.l.): Ralph Driller, buildingSMART Deutschland e. V., Gerhard Wellert, Knauf Gips KG, Frank Oswald, Adam Oswald GmbH, Mario Mühlbauer, EUROBAUSTOFF Bereich Hochbau, Christoph Berns, WinWorker GmbH, Wolfgang Mend, Knauf Gips KG, Dr. Roland Falk, Kompetenzzentrum für Ausbau und Fassade GmbH, Arne Blöcker, EUROBAUSTOFF Bereich Produktdatenmanagement/Digitalisierung, und Karl Schlichter, B. Schlichter GmbH & Co. KG, Prof. Dr. Uwe Kern, ITEK GmbH. Michael Heil, Kompetenzzentrum Planen und Bauen (eBusiness Kompetenz-Zentrum), Martin Urbanek, openHandwerk, Werner Kaiser, SAF-FG Trockenbau, und Ludwig Klatzka, ZVEH, diskutierten per Livestream mit.

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