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– Personalmangel ist größtes Hindernis bei der Pandemie-Bewältigung
– Mitarbeitende haben Sorge, andere anzustecken
– Familie und Freunde geben Halt und Orientierung

Der Personalmangel wird von den Pflegekräften der Diakonie als das größte Hindernis bei der Bewältigung der Covid-19-Pandemie empfunden. Dies ist ein zentrales Ergebnis einer am Mittwoch veröffentlichten repräsentativen Umfrage der Diakonie und midi, der Zukunftswerkstatt von Diakonie und EKD, unter Mitarbeitenden in der stationären Altenhilfe. Zwei Drittel der Befragten gaben an, dass der durch Corona bedingte Personalausfall nur durch Mehrarbeit und eine Umverteilung von Personal innerhalb ihrer Einrichtung kompensiert werden kann. 25 Prozent der Befragten gaben an, dass Kolleginnen und Kollegen mit Covid-19 infiziert waren. 70 Prozent zufolge mussten Kolleginnen und Kollegen in ihrer Einrichtung wegen eines Coronaverdachts in Quarantäne, was die Personallage zusätzlich erschwerte.

Diakonie-Präsident Ulrich Lilie: "Die ohnehin angespannte Personallage in der Pflege wird durch Corona drastisch verschärft. Wenn in erheblichem Maße Personal durch Erkrankung oder Quarantänemaßnahmen ausfällt, wird es mehr als eng. Der großen Professionalität und dem konstant hohen Engagement der Pflegenden in der Diakonie verdanken wir, dass auch in dieser Ausnahmezeit die besonders gefährdeten Menschen in den Einrichtungen und Diensten der Altenhilfe weiter umsichtig und zugewandt versorgt werden. Corona unterstreicht aber auch, dass der Personalnotstand in der Pflege endlich gelöst werden muss. Der Kampf gegen die Pandemie darf nicht länger auf dem Rücken der Pflegekräfte und der ihnen anvertrauten Menschen ausgetragen werden."

Schon ohne Pandemie benötigen die Pflegeheime deutschlandweit mehr als 100.000 zusätzliche Pflegekräfte, wie der Bremer Gesundheitsökonom und Pflegeexperte Professor Heinz Rothgang errechnet hat. Unter Corona-Bedingungen müssen alle Einrichtungen zusätzlich mit einem massiven Personalausfall klarkommen.

Die Pandemie wird von 85 Prozent der Beschäftigten in den Einrichtungen der Altenhilfe als große Belastung empfunden. Dabei treibt die Mitarbeitenden vor allem die Sorge um, sie könnten die ihnen anvertrauten Menschen anstecken. Im Frühjahr war der Mangel an Schutzausrüstung das größte Problem. Knapp 50 Prozent der Befragten gab an, dass sie damals nicht einmal einen einfachen Mundnasen-Schutz nutzen konnten. Noch seltener standen die vom RKI als Arbeitsschutz empfohlenen FFP2/3-Masken zur Verfügung.
Lilie: "Dass angesichts dieses dramatischen Mangels an Ausrüstung die Altenhilfe-Einrichtungen überhaupt arbeitsfähig waren – und sind – und es in rund 80 Prozent der Einrichtungen in der stationären Altenhilfe keine Infektionen gab, ist zuerst dem verantwortungsbewussten und professionellen Reagieren der Mitarbeitenden in den Einrichtungen zu verdanken."

Die Studie macht ebenfalls deutlich: Die Kontaktreduzierungen und Besuchsbeschränkungen während des ersten Lockdowns dienten der Risikominimierung. Nach Ansicht von 93 Prozent der Befragten war dies zu Beginn der Pandemie wegen des Mangels an Schutzausrüstung die einzig verbliebene Möglichkeit, um Bewohnerinnen und Bewohner zu schützen. Vornehmlich betrafen diese Maßnahmen externe Dienstleister, ehrenamtlich Mitarbeitende und Besucher, die nicht zur engsten Familie gehören. Über die Hälfte der Befragten gab an, dass für nahestehende Angehörige entweder uneingeschränkt oder wenigstens ausnahmsweise der Zugang möglich war.

Der Alltag der Pflegenden und der Bewohnerinnen und Bewohner seit Ausbruch der Pandemie wird als "Schicksalsgemeinschaft" wahrgenommen. So gaben 63 Prozent der Befragten an, dass der Austausch untereinander intensiver war als vor der Pandemie, obgleich weniger Zeit zur Verfügung stand. 61 Prozent der Mitarbeitenden gaben an, dass ihre Familie durch ihre berufliche Tätigkeit Nachteile in Kauf nehmen musste.

Die Studie fragt auch danach, wer oder was den Pflegenden in der Pandemie Halt und Orientierung gibt. Neben dem Austausch unter Kolleginnen und Kollegen sowie dem kollegialen Zusammenhalt sind dies in aller erster Linie die Gespräche mit Familienangehörigen und dem Ehe- bzw. Lebenspartner (81 Prozent) sowie der Austausch im Freundeskreis (58 Prozent). Der Hälfte der Befragten sind zudem Oasenzeiten wichtig; ein Viertel findet in Gebet und spirituellen Alltagsroutinen Halt und Orientierung.

Hart ins Gericht gehen die Befragten mit der Politik: Statt Klatschen und Balkonbotschaften fordern rund zwei Drittel der Befragten endlich strukturelle Verbesserungen der Arbeitsbedingungen und Bezahlung. Die jetzt vorliegende Studie unterstreicht, wie groß der Reformbedarf aus Sicht der Diakonie-Mitarbeitenden in der Pflege tatsächlich ist. Eine echte Reform der Pflegeversicherung, die den Personalmangel und die Arbeitsbedingungen in den Blick nimmt, ist aus ihrer Sicht der nächste dringend überfällige Schritt.

Lilie: "Wir brauchen ein Pflegesystem, das die Pflegenden wirklich fair behandelt. Es führt kein Weg vorbei an einer umfassenden Pflegereform, die zu mehr Personal in den Pflegeeinrichtungen und -diensten führt und die
pflegebedürftige Menschen zugleich finanziell nicht überfordert. Durch gute Arbeitsbedingungen und eine faire Bezahlung lassen sich außerdem mehr junge Menschen und Berufsumsteigerinnen und -umsteiger für den Pflegeberuf gewinnen." Im vergangenen Jahr hat die Diakonie Deutschland ein Konzept für eine grundlegende Pflegereform vorgelegt.

Hintergrund:
An der Erhebung nahmen 1735 Mitarbeitende in stationären, teilstationären Einrichtungen, ambulanten Diensten und Hospizen der Diakonie in ganz Deutschland im Zeitraum vom 2. bis 30. Oktober 2020 teil.
60 Prozent der Befragten lassen sich dem stationären Bereich der Altenhilfe, 28 Prozent den ambulanten Diensten, sieben Prozent dem teilstationären Bereich und fünf Prozent den Hospizen zuordnen.

41,5 Prozent der Befragten sind pflegerisch-betreuerisch tätig und ebenso viele in der Pflegedienst-, Wohnbereichs- oder Einrichtungsleitung. Die übrigen Befragten arbeiten in der Verwaltung, der Hauswirtschaft oder als externer Dienstleister. Die soziodemographische Zusammensetzung der Stichprobe (Alter, Geschlecht) spiegelt die tatsächliche Zusammensetzung der Diakonie-Mitarbeitenden in der Altenhilfe wider.

Weitere Informationen:
https://www.diakonie.de/journal/covid-19-pflegestudie-der-diakonie 

Konzept der Diakonie Deutschland für eine grundlegende Pflegereform: https://www.diakonie.de/fileadmin/user_upload/Diakonie/PDFs/Diakonie-Texte_PDF/06_2019_Grundlegende_Pflegereform.pdf 

Über Diakonie Deutschland

Die Diakonie ist die soziale Arbeit der evangelischen Kirchen. Bundesweit sind 599.282 hauptamtliche Mitarbeitende in rund 31.600 ambulanten und stationären Diensten der Diakonie wie Pflegeheimen und Krankenhäusern, Beratungsstellen und Sozialstationen mit 1,18 Millionen Betten/Plätzen beschäftigt. Der evangelische Wohlfahrtsverband betreut und unterstützt jährlich mehr als zehn Millionen Menschen. Etwa 700.000 freiwillig Engagierte sind bundesweit in der Diakonie aktiv.

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