Dank der großzügigen Unterstützung der Stiftung Kulturgut Baden-Württemberg, der Kulturstiftung der Länder und aus dem Etat der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM), Kulturstaatsministerin Monika Grütters, konnte das Deutsche Literaturarchiv Marbach die Verlagsarchive von Philipp Reclam jun. aus den Standorten Leipzig und Ditzingen erwerben. Die Dokumente führen von den 1820er-Jahren bis in die 2000er-Jahre, von den Anfängen des Verlags (unter dem Namen ›Verlag des literarischen Museums‹) und der Erfolgsgeschichte von Reclams Universal-Bibliothek bis zur Aufspaltung des Verlags und Gründung der ›Reclam Verlag GmbH‹ in Stuttgart im Zuge der politischen Teilung Deutschlands. Den Schwerpunkt des überlieferten Materials bilden Verträge sowie Korrespondenzen mit Autorinnen und Autoren, u.a. Briefe von Ilse Aichinger, Otto von Bismarck, Bertolt Brecht, Otto Dix, Marie von Ebner-Eschenbach, Lion Feuchtwanger, Hermann Hesse, Gerhart Hauptmann, Ernst Jandl, Thomas Mann, Anna Seghers, Christa Wolf und Stefan Zweig. Übernommen wurden auch Manuskripte, Widmungsexemplare und zahlreiche Original-Zeichnungen sowie das ›Bildarchiv‹. Die gesamte Produktion von Reclams Universal-Bibliothek aus den Jahren 1867 bis 1963, ein monumentaler Bestand von etwa 55.000 Bänden, gehört ebenfalls zu diesem Archiv. Das umfangreiche Material zur Verlagsgeschichte ergänzen Briefe und Erinnerungsstücke aus dem Umfeld des Verlagsgründers Anton Philipp Reclam (1807– 1896), seiner Familie und Nachfahren.

Von besonderem Wert sind ein Stammbuch der Sopranistin Marie Reclam (geb. Sachs) mit Einträgen zahlreicher Komponisten, darunter Robert Schumann und Felix Mendelssohn Bartholdy, sowie ein Exemplar der ersten Nummer von Reclams Universal-Bibliothek – Goethes Faust I (1867) –, das sich, von einer Siebschatulle geschützt, bis 1992 im Privatbesitz der Verlegerfamilie Reclam befand. Alle späteren Auflagen der enorm erfolgreichen ersten Nummer gehören zum übernommenen Buchbestand, außerdem die Novellen-Bibliothek und die Meisterbände wie die zuerst für den Schulunterricht aufgelegten Reihenbändchen, die ›Kurzweil-Büchel‹, das von 1914 bis 1916 erschienene Kriegstagebuch und die ›Kleine Feldbücherei‹ sowie die Automaten-Bücher, die bis in die 1920er-Jahre hinein aus Buchautomaten in Bahnhöfen, Krankenhäusern usw. bezogen werden konnten. Bände der Leipziger Ausgabe der Universal-Bibliothek, die 1963 einer Revision in Programm, Format und Gestaltung unterzogen wurde, zeigen eindrücklich, wie sehr sich in diesem Bestand sowohl ein signifikanter Teil des literarischen Lebens im 19. und 20. Jahrhunderts als auch ein Stück Zeitgeschichte dokumentiert.

»Aus keiner Büchersammlung wegzudenken: Reclam’s Universal-Bibliothek leistet früh den entscheidenden Beitrag zur Demokratisierung von Weltliteratur. Die wechselvolle Geschichte der ältesten deutschsprachigen Taschenbuchreihe dokumentiert Kulturgeschichte at its best. Die Archive des Reclam Verlags werden noch Generationen von Lesern und Forschenden in Atem halten. Mein großer Dank gilt der Stiftung Kulturgut Baden-Württemberg, der Kulturstiftung der Länder und der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Staatsministerin Monika Grütters.«
Sandra Richter, Direktorin des Deutschen Literaturarchivs Marbach

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