Nach einem mysteriösen und starken Anstieg zwischen 2012 und 2017, der auf Emissionen in Ost-China zurückgeführt werden konnte, sind die globalen Emissionen einer potenten (und verbotenen) ozonabbauenden Substanz in den letzten Jahren wieder rapide gesunken; sie sind nun sogar so tief wie nie zuvor seit Beginn der Messungen in dieser Region im Jahr 2008. Dies ergaben neue atmosphärische Analysen, die heute im renommierten Fachblatt «Nature» veröffentlicht wurden.

Zwei internationale Studien, die heute in der Fachzeitschrift «Nature» veröffentlicht wurden und an denen auch Empa-Forscher beteiligt waren, zeigen, dass die FCKW-11-Emissionen, eine von vielen Fluorchlorkohlenwasserstoff-Verbindungen (FCKW), die einst in Kühlschränken und Isolierschaumstoffen weit verbreitet waren, wieder zurückgehen – weniger als zwei Jahre, nachdem ihr überraschender Wiederanstieg aufgrund mutmasslich illegaler Produktion in Ost-China weithin publik gemacht wurde.

«Die Ergebnisse sind eine sehr willkommene Nachricht und markieren hoffentlich das Ende einer beunruhigenden Periode offensichtlicher Regelverstösse», sagt Luke Western von der «University of Bristol», Co-Autor einer der beiden Studien. «Wären die Emissionen auf den von uns vor zwei Jahren gefundenen signifikant erhöhten Werten geblieben, hätte sich die Erholung der Ozonschicht möglicherweise um viele Jahre verzögert. Da FCKW-11 ausserdem ein starkes Treibhausgas ist, trugen die illegalen Emissionen in einem Ausmass zum Klimawandel bei, das mit den CO2-Emissionen einer Millionenstadt vergleichbar ist.»

 Ein rätselhafter Anstieg

Die Produktion von FCKW-11 wurde 2010 im Rahmen des Montreal-Protokolls (siehe Infobox), eines internationalen Abkommens, das den Ausstieg aus ozonschädigenden Stoffen vorschreibt, weltweit verboten. Danach hätten die FCKW-11-Emissionen stetig sinken müssen. Im Jahr 2018 stellten jedoch einige der gleichen Wissenschaftler, die jetzt für die neuste Entdeckung verantwortlich sind, fest, dass um das Jahr 2013 herum ein unerwarteter Anstieg der FCKW-11-Emissionen begonnen hatte, was zu der Zeit zu der Befürchtung führte, dass die Produktion der verbotenen Substanz wiederaufgenommen worden war, eine offensichtliche Verletzung des Montreal-Protokolls.

Das erste Anzeichen hierfür entdeckte ein internationales Team unter der Leitung von Steve Montzka von der «National Oceanic and Atmospheric Administration» (NOAA). Die Forschenden stellten fest, dass die FCKW-11-Konzentration seit 2013 langsamer als vorhergesagt gesunken war, was eindeutig auf einen Anstieg der Emissionen hindeutete. Ihre Ergebnisse legten nahe, dass ein Teil des Anstiegs aus Ostasien stammte. Diese unerwarteten Ergebnisse wurden im folgenden Jahr durch ein unabhängiges globales Messnetz, das «Advanced Global Atmospheric Gases Experiment» (AGAGE; siehe Infobox), bestätigt. Die globalen Daten deuteten also eindeutig auf neue Emissionen hin. Die Frage war nur, woher?

Die Antwort lag in den Messungen von AGAGE und angeschlossener Messstationen, die verschmutzte Luft aus nahe gelegenen Regionen analysierten. Anhand der Daten koreanischer und japanischer Stationen zeigte sich, dass etwa die Hälfte des Anstiegs der globalen Messwerte aus Teilen Ost-Chinas stammt. «Wir schätzten, dass in den letzten sieben Jahren in China bis zu etwa 100’000 Tonnen FCKW-11 neu in Schaumstoffe eingebaut wurden. Das würde einem Güterzug von rund 50 km Länge entsprechen, der mit der Substanz gefüllt ist», so der Empa-Forscher Stefan Reimann, einer der Co-Autoren der Studie von 2019 sowie einer der beiden neuen Studien.

Forschungsresultate zeigen Wirkung

Weitere Recherchen von internationalen Medien und Umweltaktivisten deckten die Verwendung von FCKW-11 bei der Herstellung von Isolierschäumen in China auf. Die chinesischen Behörden wurden informiert und bestätigten bei Treffen des Montreal-Protokolls 2018 und 2019, dass verbotene ozonabbauende Substanzen bei Fabrikinspektionen identifiziert wurden, allerdings nur in sehr geringen Mengen im Vergleich zu den aus den atmosphärischen Daten abgeleiteten. Ihren Berichten zufolge kam es zu Verhaftungen, Materialbeschlagnahmungen und dem Abriss von Produktionsanlagen.

Die internationalen Forschungsteams haben die Entwicklung der Emissionen weiterhin genau überwacht, und ihre neuesten Erkenntnisse zeigen, dass diese Bemühungen zu einem dramatischen Rückgang der FCKW-11-Emissionen geführt haben. «Die neuen Analysen zeigen, wie wichtig eine unabhängige Überprüfung internationaler Umweltverträge ist. Ohne Luftmessungen in dieser speziellen Region der Welt wäre es nicht möglich gewesen, die regionalen Emissionen zu ermitteln», sagt Reimann – nur um gleich hinzuzufügen, dass grosse Teile der Welt nach wie vor noch nicht von derartigen Messungen erfasst würden.

Um zu quantifizieren, wie sich die Emissionen auf regionaler Ebene verändert haben, verglichen die Wissenschaftler die von den koreanischen und japanischen Messstationen ermittelten FCKW-11-Konzentrationen mit Computermodellen, die simulieren, wie FCKW-11 durch die globale Atmosphäre transportiert wird. Für die globalen Daten verwendeten sie ein weiteres Computermodell, das die Veränderung der Emissionen berechnet, die erforderlich ist, um mit den beobachteten globalen FCKW-11-Konzentrationen übereinzustimmen.

 Und nun: Entwarnung?

Sowohl auf regionaler als auch auf globaler Ebene waren die Ergebnisse erstaunlich: Zwischen 2017 und 2019 sanken die FCKW-11-Emissionen um Tausende von Tonnen jährlich. Tatsächlich schätzt das Team, dass dieser jüngste Rückgang vergleichbar oder sogar grösser ist als der ursprüngliche Anstieg in den Jahren 2012 bis 2017, was eine bemerkenswerte Trendwende darstellt.

Während die Ergebnisse darauf hindeuten, dass das schnelle Handeln in Ost-China und anderen Regionen der Welt vermutlich eine wesentliche Verzögerung bei der Erholung der Ozonschicht verhindert hat, hat jede nicht gemeldete Produktion ozonabbauender Substanzen einen anhaltenden Einfluss auf die Umwelt. Und da die ostchinesischen FCKW-11-Emissionen nicht vollumfänglich für die abgeleiteten globalen Emissionen verantwortlich sind, gibt es Forderungen, die Bemühungen zu verstärken, um alle zukünftigen emittierenden Regionen nachverfolgen zu können.

 Das Montrealer Protokoll und AGAGE

Das Montreal-Protokoll ist ein internationales Abkommen zum Schutz der Ozonschicht der Erde, die den Planeten vor UV-Strahlung schützt. Es wurde 1987 unterzeichnet und trat 1989 in Kraft. 196 Länder sowie die EU haben es ratifiziert; es ist damit der erste universell ratifizierte Vertrag in der Geschichte der Vereinten Nationen. Das «Advanced Global Atmospheric Gases Experiment» (AGAGE) wurde 1990 ins Leben gerufen, obwohl Vorläuferprogramme bis ins Jahr 1978 zurückreichen. Ein Konsortium aus elf Forschungsinstitutionen aus der ganzen Welt, darunter auch die Empa, führt Messungen von mehr als 50 Gasen durch, die durch menschliche Aktivitäten in die Atmosphäre abgegeben werden und zur Erwärmung des Planeten bzw. zum Abbau der Ozonschicht beitragen.

 Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

Als unmittelbare Folge der neuen Erkenntnisse ergreifen die Vertragsparteien des Montreal-Protokolls nun Massnahmen zur Identifizierung, Lokalisierung und Quantifizierung zukünftiger unerwarteter Emissionen kontrollierter Substanzen, indem sie die Abdeckung atmosphärischer Messungen in Schlüsselregionen der Erde erweitern. Die Notwendigkeit derartiger Massnahmen, um neue Umweltbedrohungen im grossen Stil abzuwenden, zeigt eine weitere aktuelle Empa-Studie, die vor kurzem in der Fachzeitschrift «Proceedings of the National Academy of Sciences» (PNAS) veröffentlicht wurde (siehe Infobox).

«Diese Methode der Emissionskontrolle könnte sich ausserdem als sehr hilfreich erweisen, wenn in nicht allzu ferner Zukunft mehrere Länder aufgrund ihrer Verpflichtungen aus dem Pariser Abkommen den Ausstoss von Treibhausgasen drastisch reduzieren müssen», sagt Stephan Henne von der Empa, ebenfalls Co-Autor einer der beiden «Nature»-Studien. Die Wissenschaft arbeite derzeit intensiv an Beobachtungs- und Modellierungssystemen, die eine unabhängige Emissionsabschätzung für die wichtigsten Treibhausgase auf Länderebene ermöglichen und damit das gegenseitige Vertrauen zwischen den Unterzeichnerstaaten fördern.

 

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