Barrierefreiheit in historischen Bauwerken – dieser komplexen Anforderung haben sich die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg in den letzten Jahren in Kloster Bebenhausen gestellt. Aktuell entsteht ein neues Tastmodell für den Klosterhof. Am Mittwoch war die Endabnahme vor Ort: Stimmen alle Details?

Arbeitstermin in Bebenhausen

Das Ereignis wäre in normalen Zeiten Anlass für einen öffentlichen Termin gewesen: In Corona-Zeiten aber trafen sich Michael Hörrmann, der Geschäftsführer der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg und Janna Almeida, die Leiterin der Klosterverwaltung Bebenhausen, mit Robin Merz und Fabian Duckek den Vertretern der Firma Formicore, die das Tastmodell herstellt, zu einem reinen Arbeitstermin in Kloster Bebenhausen – Corona-konform auf Abstand und mit Masken. „Ein Anlass zum Freuen ist es trotzdem, dass wir in Bebenhausen gerade den nächsten Schritt auf dem Weg zur Barrierefreiheit machen“, erklärte Geschäftsführer Michael Hörrmann.

Präzision im Modell

Derzeit entsteht ein Tastmodell für Blinde und Sehbehinderte. Eine großzügige Spende der Paul Horn GmbH aus Tübingen ermöglicht die Realisierung. „Das Modell wird die enorm weitläufige und detailreich erhaltene Klosteranlage von Bebenhausen im wahrsten Wortsinn begreifbar machen. Ein wesentliches Serviceangebot für alle Gäste mit Sehbeeinträchtigungen, aber erhellend und hilfreich für alle Besucher “, erklärt Michael Hörrmann. Was gerade in der Produktion ist, wird ein Modell von Kloster Bebenhausen im heutigen Zustand werden: die Gesamtanlage des Klosters mit allen Gebäuden innerhalb der Klostermauern sowie der Klostermühle. Ungewöhnlich und neu: Das Modell entsteht im 3D-Druckverfahren – als Vorlage für den späteren Abguss aus Bronze. Neben den greifbaren Gebäuden wird das Modell Erläuterungen in Braille- und in normaler Schrift tragen. Als Grundlage für den 3D-Druck braucht es zuerst eine enorme Menge an Daten, um die Gebäude mit ihren Details berechnen zu können. Foto und Pläne liefern dafür Informationen.

Überprüfung vor Ort und in der Realität

Das Ergebnis, ein erstes Protomodell, musste jetzt in Bebenhausen und vor Ort im Detail besprochen werden. Denn damit sich am Ende die Gesamtanlage von Bebenhausen im 3D-Druck herstellen lässt, müssen die Einzelheiten stimmen. Umso wichtiger war es, vor Ort die Modelldetails mit der Realität abzugleichen und zu kontrollieren, ob Dachgauben, Brunnen, Türen und Fenster an der richtigen Stelle in der richtigen Form sitzen. Die Beteiligten bewegten sich dafür mit dem Protomodell durch die Anlage. Die Ergebnisse werden jetzt umgesetzt und machen die Datengrundlage vollständig.

Der 3D-drucker arbeitet viele Tage

Der nächste Schritt: Das perfekte Modell wird im 3D-Drucker der Firma Formicore gedruckt. Trotz innovativer Computer-Technologie: Der Aufwand ist enorm. Allein der Druck der Klausur, also nur des innersten Teils der Anlage, wird zehn Tage ohne Unterbrechung in Anspruch nehmen. Für die Ausführung in Bronze erhalten die Einzelteile ein Schlackebad, aus dem die Gussformen für die Bronzeteile hergestellt werden, denn: Das komplexe Gefüge von Kloster Bebenhausen wird nicht als Ganzes in Bronze gegossen werden, sondern in Einzelteilen. Das hat auch praktische Gründe: Erfahrungsgemäß leiden stark hervorstehende Teile des Modells am stärksten. Der grazile Dachreiter auf der Klosterkirche des Bronzemodells wird deshalb separat angebracht und kann so bei Beschädigungen leichter ausgetauscht werden.

Chronologie der Entstehung

Dass das neue Modell entstehen kann, verdanken die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg einer Spendenzusage der Paul Horn GmbH in Höhe: 2019 stellt die Firma großzügig die notwendige Summe für ein Tastmodell mit Sockel für das Kloster Bebenhausen zur Verfügung. Für die Herstellung suchte das Amt Tübingen von Vermögen und Bau Amt Tübingen im Rahmen einer Ausschreibung geeignete Anbieter. Den Zuschlag erhielt die Firma Formicore aus dem nahen Blaubeuren. Im Sommer 2021 soll das neue Tastmodell in Kloster Bebenhausen eingeweiht werden können. Und der künftige Standort könnte nicht zentraler sein: Das Bronzemodell mit einer Seitenlänge von etwa einem Meter wird vor dem Klostereingang an der Außenwand des Sommerrefektoriums aufgestellt.

In Bebenhausen viele Elemente umgesetzt

Geschehen ist in der großen mittelalterlichen Anlage von Kloster und Schloss Bebenhausen schon einiges in den letzten Jahren. 2018 konnten gleich mehrere Elemente der Barrierefreiheit eingeweiht werden: etwa die ebenen Wegspuren im Kopfsteinpflaster, die es Menschen im Rollstuhl, aber auch Gästen mit Rollatoren, erleichtern, sich durchs Gelände zu bewegen. Weitere Schritte waren ein Behindertenparkplatz, eine barrierefreie Toilette und der barrierefreie Zugang zu Kasse und Klausur. Ebenfalls seit 2018 erschließt ein barrierefreier Rundgang unter dem Titel „Kloster ohne Stufen“ die Klausur des einstigen Zisterzienserklosters auch im Führungsbetrieb.

Information

Kloster Bebenhausen, aktuell noch geschlossen, wird seine Tore am 16.3. wieder öffnen können. Schloss Bebenhausen, nur mit Führung zugänglich, muss vorerst geschlossen bleiben.

Über Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg

Die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg öffnen, bewahren, vermitteln und vermarkten 62 historische Monumente im deutschen Südwesten. 2019 besuchten rund 4 Mio. Menschen diese Originalschauplätze mit Kulturschätzen von höchstem Rang: darunter Schloss Heidelberg, Schloss und Schlossgarten Schwetzingen, das Residenzschloss Ludwigsburg, Schloss und Schlossgarten Weikers-heim, Weltkulturerbe Kloster Maulbronn, Kloster und Schloss Salem sowie die Festungsruine Hohentwiel

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