Kontaktbeschränkungen aufgrund der COVID-19-Pandemie scheinen kurzfristig die Anzahl an Patientinnen und Patienten mit Krätze reduziert zu haben. Fachleute beobachten jetzt jedoch, dass die Krätze weiter auf dem Vormarsch ist. Zu einer erfolgreichen Behandlung gehören eine umfassende Beratung der Erkrankten, wie die Therapie und die Hygienemaßnahmen richtig und vollständig durchgeführt werden, sowie das Identifizieren und Mitbehandeln enger Kontaktpersonen. Vor allem kleine Kinder könnten eine unterschätzte Infektionsquelle sein. Was für eine gesicherte Diagnose unverzichtbar ist, wie man die Therapieadhärenz erhöhen und was es mit vermuteten Resistenzen auf sich hat, erläutern Experten der Deutschen Dermatologische Gesellschaft e.V. (DDG) auf der Pressekonferenz am 14. April 2021 auf der 51. virtuellen DDG-Tagung (14. bis 17. April 2021).

Krätze (medizinisch Skabies) kommt seit Jahrhunderten in Deutschland vor. Sie ist eine hochansteckende Hautkrankheit, die alle Altersgruppen betrifft, wobei bei Kindern die Häufigkeit tendenziell höher ist als bei Jugendlichen und Erwachsenen und sie oft mehr Milben haben. Hervorgerufen wird die Erkrankung durch die Krätze-Milbe, die nur den Menschen befällt, in die oberste Hautschicht tunnelförmige Gänge gräbt und dort dann Eier legt. Die Gänge sind als kleine längliche Knötchen oder Erhabenheiten an den typischen Eindringorten zu erkennen. Betroffen sind beispielsweise die Bereiche zwischen den Fingern und Zehen, Analfalte, Leiste, Knöchel, Brustwarzenhof oder Penisschaft. Als Ausdruck der Immunantwort entsteht nach circa vier Wochen ein Ekzem oder Ausschlag, der mit starkem häufig nächtlichem Juckreiz verbunden ist.

Es gibt keine gesicherten Zahlen darüber, wie häufig Krätzemilben in Deutschland sind, denn die Krätze ist nicht meldepflichtig. Es sei denn, die Milbe verbreitet sich in Gemeinschaftseinrichtungen aus wie beispielsweise in Altersheimen, Kindergärten oder Wohnheimen für Asylsuchende. Dann ist das zuständige Gesundheitsamt zu informieren. Nach Einschätzung des Robert Koch-Instituts (RKI) gehört sie jedoch zu den verbreiteteren Infektionskrankheiten. „Es gibt mehrere Indizien, die für eine Zunahme des Skabies in Deutschland sprechen“, sagt Professor Dr. med. Sunderkötter, Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie Halle.

Für den Anstieg sprechen Zahlen dokumentierter Behandlungsfälle einzelner Kassenärztlicher Vereinigungen (KV Nordrhein: 200 Prozent zwischen 2014 und 2016) und steigende Zahlen und Diagnosedaten von Patienten, die vollstationär in ein Krankenhaus aufgenommen wurden. Auch die Zahl der Verordnungen von Antiskabiosa (also milbenabtötenden Medikamenten) registriert bei Krankenversicherungen (BARMER: Vergleich 2016 zu 2017: Anstieg um 60 Prozent mit großen regionalen Unterschieden), die Verkaufszahlen deutscher Apotheken ebendieser Medikamente (vierfach bei der Gruppe der Antiskabiosa 2012 bis 2017) sowie Zahlen einzelner Hautkliniken zu Skabiesanstiegen im stationären Bereich sind aufschlussreich. Schätzungen gehen von mehreren Tausend Neuerkrankten pro Jahr aus.

Die Gründe für den Anstieg sind noch nicht genau bekannt. Nach Meinung von Sunderkötter, der auch Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Dermatologische Infektiologie und Tropendermatologie e.V. ist, spielen vermutlich verschiedene, ineinander wirkende Faktoren eine Rolle. Generell ist zu beobachten, dass sexuell übertragbaren Infektionen, zu denen Skabies gehört, zunehmen; hier hat es während der Kontaktsperren einen Rückgang gegeben, der den vorübergehenden vermeintlichen Rückgang an neuen Skabiesfällen erklären mag. Auch ist es möglich, dass die komplexe Lokalbehandlung und die Hygienemaßnahmen nur unzureichend durchgeführt werden. Ferner kann das Übersehen von Kontaktpersonen der Erkrankten mit ein Grund sein, wobei Kinder eine unterschätzte Infektionsquelle darstellen. Bei ihnen wird Skabies eher spät erkannt und nicht umfassend genug behandelt. Zudem haben sie untereinander und zu Bezugspersonen engen Körperkontakt. Obschon ein zeitlicher Zusammenhang der Inzidenzzunahme von Skabies in Deutschland mit Migrationsbewegungen von Schutzsuchenden aus dem arabischen und afrikanischen Raum existiert, ließ sich ein direkter Zusammenhang epidemiologisch nicht belegen. Möglicherweise komme auch der Arbeitsmigration innerhalb und außerhalb der Europäischen Union eine Bedeutung zu, vermutet Sunderkötter.

Auch wenn der Skabies kein medizinischer Notfall ist, so ist doch ein rasches Handeln wichtig. Gut wäre eine licht- oder auflichtmikroskopisch gesicherte Diagnose. Auch für erfahrene Dermatologinnen und Dermatologen ist die Diagnostik herausfordernd. Ziel der Therapie ist es, die Milben, ihre Larven und Eier abzutöten. Mittel erster Wahl ist Permethrin, für die Sunderkötter und Kollegen inzwischen – anders als noch in der Fachinfo oder in der Leitlinie – eine Wiederholungsbehandlung empfehlen. Die zugelassenen Arzneimittel sind meist äußerlich in Cremeform auf der gesamten Haut anzuwenden. „Es gibt Belege, dass ein ausbleibender Therapieerfolg in Wahrheit Ergebnis einer fehlerhaften Anwendung ist“, erklärt der Experte. Der oder dem Erkrankten müssen zu Therapiebeginn die genaue Anwendung der verordneten Creme und mögliche Fehler erklärt werden. So ist die Einwirkzeit manchmal zu kurz, Hautbereiche werden ausgespart oder die Fingernägel werden nicht wie empfohlen gekürzt. Vor allem Kinder werden häufiger unzureichend behandelt und sind aufgrund der bei ihnen auftretenden Milbendichte und der höheren Prävalenz eine unterschätzte Infektionsquelle. Bei der Aufklärung können laienverständliche Patienteninformationen helfen, wie sie bereits die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in mehreren Sprachen erstellt hat.
Um eine erneute Infektion des Erkrankten und eine weitere Verbreitung zu vermeiden, müssen alle wichtigen Kontaktpersonen identifiziert und mitbehandelt werden. Da sich die Milben noch bis zu 36 Stunden nach Behandlungsbeginn bewegen können, sollten Körperkontakte nach Behandlung für diese Zeitspanne vermieden werden.

Die Vermutung, dass die Skabies-Milben resistent gegen Permethrin geworden sind, konnte – so der Experte aus Halle – bislang nicht direkt belegt werden. „Es gibt aber zunehmend gut dokumentierte und auch publizierte Fälle zu unzureichender Wirksamkeit von Permethrin. Eine solche nachlassende Empfindlichkeit würde Anwendungsfehler schlechter verzeihen“, so Sunderkötter. Denn im Gegensatz zu Resistenzen sind Anwendungsfehler direkt nachgewiesen worden.

„Auch in Pandemiezeiten sollten die Menschen schnell zur Hautärztin oder zum Hautarzt gehen, wenn sie Anzeichen einer Krätze bemerken“, ergänzt Professor Dr. med. Peter Elsner, Beauftragter für Öffentlichkeitsarbeit der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG). Krätze sei noch immer ein Tabuthema. Doch falsche Scham sollte niemanden vom Gang zur Ärztin/zum Arzt abhalten.

Quellen:
Sunderkötter C, Aebischer A, Neufeld M et al.: Zunahme von Skabies in Deutschland und Entwicklung resistenter Krätzemilben? Evidenz und Konsequenz. J Dtsch Dermatol Ges 2020. First published: 07 January 2019. DOI: 10.1111/ddg.13706
Bürgerinformationen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zu Skabies: Erhältlich in den Sprachen Arabisch, Deutsch, Englisch, Rumänisch, Russisch, Türkisch.
https://www.infektionsschutz.de/…

Über Deutsche Dermatologische Gesellschaft

Die Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG) e. V. ist die wissenschaftliche Fachgesellschaft der deutschsprachigen Dermatologinnen und Dermatologen. Als eine gemeinnützige Organisation mit mehr als 3.800 Mitgliedern fördert sie Wissenschaft und Forschung auf dem Gebiet der Dermatologie und ihrer Teilgebiete. Die DDG setzt sich für die Förderung der klinischen und praktischen Dermatologie, Allergologie und Venerologie sowie ihrer konservativen und operativen Teilgebiete ein. Mit der Durchführung von wissenschaftlichen Veranstaltungen und Kongressen engagiert sie sich in der Fort- und Weiterbildung, sie entwickelt Leitlinien und unterstützt Forschungsvorhaben durch Anschubfinanzierungen und Förderungen. Darüber hinaus vergibt die DDG zusammen mit der Deutschen Stiftung für Dermatologie Forschungsgelder und Stipendien an vielversprechende Nachwuchsmedizinstudierende und an namhafte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

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