Wasser ist in vielen Ökosystemen der Erde ein knappes Gut. Dieser Mangel dürfte sich im Zuge des Klimawandels weiter verschärfen und zu einem deutlichen Rückgang der Pflanzenvielfalt führen. Mit einer Synthese von experimentellen Daten aus der ganzen Welt haben Wissenschaftler*innen des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ), des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) zum ersten Mal nachgewiesen, dass gerade Trockengebiete besonders empfindlich auf veränderte Niederschlagsmengen reagieren. Das aber kann auch für die Menschen in den betroffenen Regionen Konsequenzen haben, warnt das Team im Fachjournal Nature Communications. 

Was bringt der Klimawandel für die Ökosysteme der Erde? Wie wird sich die biologische Vielfalt in verschiedenen Regionen verändern? Solche wichtigen Zukunftsfragen sind im Detail sehr schwierig zu beantworten. Denn dazu müsste man wissen, wie genau die einzelnen Arten und ihre Lebensgemeinschaften beispielsweise auf veränderte Niederschlagsverhältnisse reagieren werden. Darüber aber ist bisher noch nicht genug bekannt – und das trotz zahlreicher wissenschaftlicher Experimente weltweit. Zum Beispiel haben Wissenschaftler*innen Pflanzengemeinschaften bei größeren oder geringeren Regenmengen heranwachsen lassen und ihre Reaktionen beobachtet. Vor allem in Europa und Nordamerika laufen entsprechende Versuche, die sich allerdings stark in ihrer Methodik unterscheiden. Das macht es schwierig, globale Zusammenhänge festzustellen. "In diesen Studien kommen nicht nur unterschiedliche Methoden zum Einsatz", sagt Erstautorin Dr. Lotte Korell, Biologin am UFZ. "In etlichen Fällen haben sie auch widersprüchliche Ergebnisse geliefert." Zusammen mit ihren Kolleg*innen hatte sie sich daher vorgenommen, aus den weltweit erhobenen Daten verallgemeinerbare Aussagen herauszudestillieren. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage, wie sich eine Zu- oder Abnahme der Niederschläge auf die Pflanzenvielfalt von Landökosystemen auswirkt.

Bei ihrer Suche stießen sie auf 23 verwertbare Veröffentlichungen, die Ergebnisse von insgesamt 72 Freilandexperimenten präsentierten. Mit diesen Daten berechneten sie verschiedene statistische Größen, die Auskunft über die biologische Vielfalt an den einzelnen Standorten gaben und brachten sie mit den steigenden oder sinkenden Regenmengen in Zusammenhang.
"Allerdings hängt die Biodiversität in solchen Versuchen von einer ganzen Reihe weiterer Faktoren ab", sagt Prof. Dr. Tiffany Knight, Letztautorin der Studie und Ökologin an UFZ, iDiv und der MLU. Zum Beispiel ist es entscheidend, welchen Landschaftsausschnitt man betrachtet. Richtet man den Blick nur auf eine einzelne, kleine Versuchsfläche, hat die Manipulation der Regenmengen größere Effekte, als wenn man alle untersuchten Plots gemeinsam betrachtet. Dieser Trend kommt möglicherweise dadurch zustande, dass der kleine Maßstab bestimmte Effekte besser abbildet. Verringert man zum Beispiel die Regenmenge in einem bisher schon trockenen Lebensraum noch weiter, beruht der Rückgang der Biodiversität vermutlich darauf, dass dort dann weniger Pflanzenindividuen wachsen können. Eventuell verschwinden einige Pflanzenarten sogar komplett. Doch selbst wenn eine Art auf einer kleinen Fläche nicht mehr vorkommt, findet sie sich womöglich noch auf einer anderen in der gleichen Region. Lokal betrachtet hat die zunehmende Trockenheit daher einen größeren Effekt, als wenn man einen größeren Maßstab wählt. "Um aus den Daten die richtigen Schlüsse zu ziehen, muss man also sowohl die lokalen Klimabedingungen berücksichtigen als auch die räumliche Skala der Experimente", resümiert Tiffany Knight. 

Auf diese Weise haben die Forscher*innen einen klaren Trend festgestellt: In den Trockengebieten der Welt haben die Veränderungen der Niederschlagsmengen einen deutlich größeren Einfluss als in feuchteren Regionen. 

Trockene Ökosysteme nehmen heutzutage etwa 40 Prozent der Landoberfläche der Erde ein. Was diese Gebiete vor dem Hintergrund des Klimawandels in Zukunft erwartet, ist nicht leicht zu prognostizieren. Während Klimamodelle für einige trockene Regionen durchaus mit steigenden Niederschlagsmengen rechnen, dürfte sich der Wassermangel jedoch in den meisten Trockenregionen weiter verschärfen.
Wo es feuchter wird, sollte der Studie zufolge auch die Pflanzenvielfalt zunehmen. Denn möglicherweise haben die Samen der dort vorkommenden Arten eine erhöhte Chance zu keimen und sich zu etablieren.
Allerdings dürfte dieser Effekt vor dem Hintergrund der prognostizierten Ausweitung von Trockengebieten nur relativ wenigen Regionen zugutekommen. Damit würde nach Einschätzung des Autor*innen-Teams ein merklicher Rückgang der Pflanzenvielfalt verbunden sein. "Zwar haben sich die dortigen Pflanzen über sehr lange Zeiträume an die Herausforderungen ihrer Lebensräume angepasst", sagt Lotte Korell, "doch irgendwann stößt auch die widerstandsfähigste Überlebenskünstlerin an ihre Grenzen". Und mit jeder Art, die vertrocknet und nicht mehr keimen kann, schrumpft die biologische Vielfalt. 

Das aber könnte nicht nur für die Ökosysteme eine schlechte Nachricht sein, sondern auch für ihre Bewohner*innen der trockenen Regionen – immerhin ungefähr ein Drittel der Weltbevölkerung. Viele dieser Menschen versuchen, dem Land unter schwierigsten Bedingungen ihren Lebensunterhalt abzuringen. Wenn mit den Niederschlägen künftig auch die Artenvielfalt zurückgeht, dürfte das zu einer noch größeren Herausforderung werden. Für Lotte Korell und ihre Kollegen ist das ein weiteres, drängendes Argument dafür, den Klimawandel zu bremsen. "Wichtig ist aber auch, gerade die Trockengebiete besonders gut zu schützen", sagt die Forscherin. Denn je stärker diese empfindlichen Ökosysteme durch eine zu intensive Beweidung oder andere Stressfaktoren unter Druck stehen, umso stärker dürfte der Klimawandel die Pflanzenvielfalt dezimieren. 

Publikation: 
Lotte Korell, Harald Auge, Jonathan M. Chase, W. Stanley Harpole, Tiffany M. Knight: Responses of plant diversity to precipitation change are strongest at local spatial scales and in drylands. Nature Communications (2021), doi: 10.1038/s41467-021-22766-0 https://doi.org/10.1038/s41467-021-22766-0

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