Einlagenversorgung bequem vom heimischen Sofa managen, sich selbst vermessen und anschließend auf den Versand des fertigen Hilfsmittels warten – was wie einer kundenorientierten Offerte klingt, bereitet nicht nur dem Bundesinnungsverband für Orthopädie-Technik (BIV-OT) große Sorgen. Das Angebot der „eVersorgung“ von Anbietern wie craftsoles in Kooperation mit der BARMER Ersatzkasse hat starke Kritik von medizinischen Fachgesellschaften hervorgerufen. Nicht zuletzt hat das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS), die höchste Aufsichtsbehörde der Krankenkassen, das Versorgungsmodell ausgesetzt. Auch in den politischen Reihen scheint parteiübergreifend Einigkeit zu herrschen: So äußerte sich nun Martina Stamm-Fibich, Mitglied des Bundestages (MdB) und amtierende Patientenbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion im Gesundheitsausschuss.

In Bezug auf das Konzept der „eVersorgung“ für Einlagen erklärt Stamm Fibich ausführlich: „Die Versorgung mit qualitativ hochwertigen Hilfsmitteln ist ein Prozess, der je nach Patientin oder Patient individuell verläuft. Gemeinsam mit den Patientinnen und Patienten suchen die beratenden Fachkräfte nach der bestmöglichen Lösung für ihre Kunden. Digitalisierte Prozesse können dabei unterstützen die Zusammenarbeit zwischen Kunde und Leistungserbringer effizienter und besser zu gestalten. Die Digitalisierung kann und soll jedoch nicht die Expertise der Fachkräfte vor Ort ersetzen. Aus diesem Grund sehe ich auch Versorgungskonzepte wie die ‚eVersorgung‘ mit orthopädischen Einlagen, bei der die Betroffenen ihre Füße selbst vermessen müssen, sehr kritisch. Eine möglicherweise falsche Vermessung der eigenen Füße durch die Patientinnen und Patienten kann im Nachgang zu bleibenden gesundheitlichen Schäden führen. Dieses Risiko aus Kostengründen in Kauf zu nehmen, kommt für mich nicht in Frage. Grundsätzlich brauchen wir eine Hilfsmittelversorgung die sich mehr an den Patientinnen und Patienten und nicht nur an den Preisen ausrichtet. Die Qualität der Versorgung muss wieder mehr im Mittelpunkt stehen."

Mit ihrer Kritik ist Stamm-Fibich nicht allein. Aus dem noch amtierenden Gesundheitsausschuss hatten bereits MdB Maria Klein-Schmeink, gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN, sowie MdB Dr. Roy Kühne, zuständiger Berichterstatter für Hilfsmittel der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, ihre Bedenken zu diesem Versorgungskonzept öffentlich kommuniziert.

Alf Reuter, Präsident des BIV-OT, freut sich über den Zuspruch: „Parteiübergreifend herrscht Einigkeit, dass die ‚eVersorgung‘ von craftsoles und BARMER den Anforderungen an eine qualitätsgesicherte Versorgung nicht gerecht werden kann. Ich bin froh, dass die höchste Aufsichtsbehörde diesem Modell aufgrund einer fragwürdigen Rechtsgrundlage einen Riegel vorgeschoben hat. Aber wie konnte es überhaupt dazu kommen, dass gesetzlich Versicherte diesem Feldversuch ausgesetzt wurden? Mit Blick auf die neue Bundesregierung erwarte ich, dass die Weichen so gestellt werden, dass künftig unter dem Schlagwort Digitalisierung des Gesundheitswesens keine Untergrabung von Mindeststandards der Versorgung mehr möglich sein wird.“

Gemäß dem dritten Mehrkostenbericht* des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) steht die Produktgruppe Einlagen (PG 08) im Hinblick auf die Zahl der Versorgungsfälle weiterhin an erster Stelle. Demnach wurden im betrachteten Untersuchungszeitrum zwischen 1. Januar bis 31. Dezember 2020 ca. 4,4 Millionen Versicherte mit Einlagen versorgt. Nach Angaben des GKV-Spitzenverbands betrugen die Leistungsausgaben für die Produktgruppe etwa 482 Millionen Euro.*„Dritter Bericht des GKV-Spitzenverbandes über die Entwicklung der Mehrkostenvereinbarungen für Versorgungen mit Hilfsmittelleistungen gemäß § 302 Absatz 5 SGB V“

Über Bundesinnungsverband für Orthopädie-Technik

Der Bundesinnungsverband für Orthopädie-Technik (BIV-OT) vertritt als Spitzenverband des orthopädietechnischen Handwerks bundesweit die Sanitätshäuser und orthopädietechnischen Werkstätten mit etwa 40.000 Beschäftigten. Jährlich versorgen die angeschlossenen Häuser mehr als 20 Millionen Patienten mit Hilfsmitteln.

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