Das Empa-Spin-off «viboo» hat einen selbstlernenden Algorithmus zur Regelung des Raumklimas entwickelt. Dadurch lassen sich Gebäude vorausschauend kühlen oder heizen und so rund ein Drittel Energie einsparen. Nach erfolgreichen Experimenten im NEST, dem Forschungs- und Innovationsgebäude von Empa und Eawag, werden nun erste Pilotprojekte mit Industriepartnern umgesetzt.

Herkömmliche Thermostate, die heute in vielen Wohngebäuden verbaut sind, reagieren erst, wenn die Temperatur einen gewissen Schwellenwert unter- oder überschreitet. Die Reaktion ist deshalb immer zu spät und erst noch abrupt und heftig, da möglichst schnell wieder die Wunschtemperatur erreicht werden soll. Das kostet Energie und schlussendlich Geld. Die Lösung: ein Thermostat, der in die Zukunft blickt und die Temperatur vorausschauend regelt.

 Vorausschauen, um Energie zu sparen

Den Blick in die Kristallkugel ermöglicht ein Spin-off der Empa, das sich aktuell in der Gründungsphase befindet. Das Unternehmen nennt sich «viboo», was für «viable intelligent building operation optimization» steht. Die Gründer Felix Bünning und Benjamin Huber haben im Laufe ihrer Forschung an der Empa einen Algorithmus entwickelt, der es erlaubt, Gebäude prädiktiv zu regeln. Das Erstaunliche dabei: Es genügen Gebäudedaten, wie die Ventilpositionen und Messungen der Raumtemperatur, von lediglich zwei Wochen, um ein Modell des Gebäudes zu erstellen. In Kombination mit Vorhersagen zur lokalen Aussentemperatur und zur globalen Sonneneinstrahlung berechnet der Algorithmus dann eigenständig bis zu zwölf Stunden im Voraus den idealen Energieaufwand, um das Gebäude zu heizen oder zu kühlen. Damit entfallen hektische, reaktive Regelungen, was deutlich weniger Energie benötigt.

«Das Potenzial ist enorm. Unsere Experimente im NEST haben gezeigt, dass mit diesem Ansatz eine Energieeinsparung zwischen 26 und 49 Prozent erreicht werden kann», erklärt Felix Bünning. Die Forscher nutzten das Forschungs- und Innovationsgebäude auf dem Empa-Campus, um den Algorithmus in einer realen Umgebung zu testen und weiterzuentwickeln. Die Feldversuche erzeugten Interesse seitens der Industrie, und den Forschern wurde klar, dass ihr Algorithmus von der Forschung auf den Markt gebracht werden sollte.

Die Motivation der beiden Wissenschaftler ist dabei nicht etwa finanzieller, sondern vielmehr gesellschaftlicher Natur. «Weltweit wird enorm viel Energie für das Heizen und Kühlen von Gebäuden gebraucht. Nicht zuletzt deshalb verursacht der Gebäudebereich einen grossen Anteil der weltweiten CO2-Emissionen. Mit unserem Algorithmus möchten wir möglichst vielen Haushalten helfen, Energie zu sparen und so unseren Beitrag zur Reduktion dieser Emissionen leisten», so Bünning. Dass dieses Vorhaben sinnvoll ist, hat auch bereits eine erste Förderinitiativen erkannt. Im November 2021 hat «Venture Kick» «viboo» einen Förderbeitrag von 40’000 Franken zugesprochen. Ausserdem wird Bünning durch ein «BRIDGE Proof of Concept Fellowship» des Schweizerischen Nationalfonds und Innosuisse unterstützt.

 Pilotprojekt zur smarten Regelung

«Wir fokussieren uns aktuell auf die Hersteller von Thermostaten für Wohngebäude. Viele dieser Unternehmen haben bereits smarte Thermostate in ihrem Portfolio. Mittels einer Cloud-Anbindung können wir unseren Algorithmus in diese integrieren», erklärt Felix Bünning. Ein erster Partner ist der international tätige Thermostathersteller Danfoss. Gemeinsam mit dem Unternehmen setzt «viboo» nun das erste Pilotprojekt in einem herkömmlichen Gebäude um. Dabei werden die Thermostate im Verwaltungsgebäude der Empa durch Smart-Thermostate ersetzt, auf denen der «viboo»-Algorithmus läuft. Anhand der Raumklima-Daten erstellt dieser zunächst das Gebäude-Modell. Danach übernimmt der Algorithmus die Regelung der Heizung über vier Monate hinweg. Im Zentrum steht dabei die Frage: Wie effizient regelt der Algorithmus verglichen mit der Standard-Lösung? Dies wird Aufschluss darüber geben, wie hoch dessen Potenzial bei herkömmlichen, älteren Gebäuden ist.

Neben dem Pilotprojekt laufen aber auch bereits Gespräche mit anderen Industriepartnern, um weitere Anwendungsmöglichkeiten auszuloten. «viboo» wird beispielsweise in einem neuen Gebäude in Zürich den Algorithmus direkt ins Gebäudeautomationssystem integrieren und so die Regelung im gesamten Bürogebäude optimieren.

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