Additive Manufacturing (AM) ist erwachsen geworden und in der Industrie angekommen. Die Schlüsseltechnologie wird in immer mehr Bereichen zu einem konkreten Umsetzungsthema. Die Frage lautet nicht mehr, ob AM genutzt werden sollte, sondern wie dieser innovativen Technologie auf breiter Front zum Marktdurchbruch zu verhelfen ist. Dieser Geist war vom 17. bis 19. Mai auf der Rapid.Tech 3D 2022 in Erfurt zu spüren. Bereits zum 18. Mal trafen sich AM-Anwender, AM-Anbieter und AM-Entwickler aus Industrie und Forschung auf der führenden deutschen Kongressmesse für 3D Druck. 

Mehr als 2.500 Fachbesucher aus 18 Ländern informierten sich über neue Produkte und Leistungen der additiven Fertigung bei 97 Ausstellern aus elf Ländern. 13 Unternehmen waren aus dem Ausland nach Thüringen gekommen, darunter Firmen aus den USA, aus Großbritannien, Österreich und der Schweiz. Sehr gut nahmen die Besucher das Kongressangebot mit acht wegweisenden Keynotes und vertiefenden Vorträgen in 13 Fachforen an. Hier wurden mehr Gäste als zum letzten Live-Kongress 2019 registriert. 

Der besondere Erfurter Charakter

„Die Verbindung von Fachkongress, Anwendertagung und Ausstellung verleiht der Erfurter Veranstaltung den besonderen Charakter. Das hat sich auch nach der zweijährigen Zwangspause wieder gezeigt. Gäste, Referenten und Aussteller waren froh, sich endlich wieder live zu treffen und auszutauschen“, betont Prof. Dr. Gerd Witt von der Universität Duisburg-Essen. Er und Stratasys-Manager Michael Eichmann haben den Fachbeiratsvorsitz der Rapid.Tech 3D inne. Michael Eichmann verweist darauf, dass AM durch die Pandemie nochmals einen Schub erfahren hat: „Lieferengpässe zwangen viele Unternehmen, über den Tellerrand zu schauen. Sie haben dabei auch die Potenziale der additiven Fertigung für eine schnelle, flexible und nachhaltige Produktion entdeckt.“

Integraler Ansatz wird gebraucht

Vorgehensweisen zur Verstetigung des Schubs zeigten die Keynote-Sprecher und Teilnehmer der Podiumsdiskussion des Fachkongresses auf. Eine große Herausforderung, um AM weiter zu Durchbruch zu verhelfen, liegt im Verhältnis 30 zu 70 begründet. Darauf verwies Frank Rethmann von Airbus Helicopters. Das Drucken umfasst 30 Prozent der Wertschöpfung, 70 Prozent entfallen auf die vor- und nachgelagerten Prozesse. Hierzu brauche es den integralen Ansatz in den Köpfen der Ingenieure, um die eng verflochtene additive Kette sicher zu beherrschen und in die Serienproduktion zu skalieren. Bei Airbus Helicopters werden bereits Flugzeug-Komponenten in Serie additiv gefertigt.

Notwendig dafür sind belastbare internationale Standards, betonte Christoph Hauck von Toolcraft. Die Arbeit in zertifizierten Prozessen sichert nicht nur eine reproduzierbare Produktqualität und Prozess-Stabilität. Damit wird ebenso Akzeptanz und Vertrauen im Markt aufgebaut. Der Zertifizierungs-Aufwand lohnt, denn AM-Standards sind ein großer Hebel, um die Technologie breiter in die Industrie zu bringen, ist Hauck überzeugt. Toolcraft gehört zu den weltweit elf Unternehmen, die für AM-Prozesse nach Luftfahrtstandard Nadcap zertifiziert sind.

Additive Fertigung braucht Digitalisierung. Je schneller und einfacher die Software, umso besser. Alexander Oster von Autodesk stellte mit Machine Control Framework ein quelloffenes System vor, mit dem verschiedene Hardware-Komponenten unkompliziert in eine fertige SLM-Anlage integriert werden können, die sofort in Produktqualität Metall- und Kunststoff-Bauteile produziert – und das zu einem Bruchteil der sonst üblichen Kosten.

AM-Vorteile in Entwicklung, Produktion und Instandhaltung

Wie die Vorteile von AM in Produktentwicklung, Produktion und Instandhaltung genutzt werden können, zeigten Falk Heilfort von Porsche, Fabian Gafner von Sauber und Klaus Eimann von Procter & Gamble an Praxisbeispielen auf. Den Porsche-Ingenieuren ist es durch neue Designmöglichkeiten und Bauteilintegration gelungen, einen Hochleistungs-E-Antrieb mit deutlich weniger Montageaufwand und Fertigungszeit additiv herzustellen. Dank AM-Designfreiheit haben Fachleute bei Sauber das kaputte Getriebe eines 70 Jahre alten Ferrari neu konstruiert und produziert, so dass ihm Langlebigkeit beschieden ist. Beim Konsumgüterkonzern Procter & Gamble werden Bauteile und Werkzeuge mit hybriden Technologien gefertigt und repariert. Dieser nachhaltige Weg spart sowohl Zeit und Kosten als auch Material und Energie im Vergleich zum konventionellen Vorgehen. 

Kluge, kreative Köpfe entscheiden über den Erfolg 

Entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg mit disruptiven Technologien wie AM sind kluge, kreative Köpfe, die ohne Grenzen im Denken und Handeln zusammenarbeiten, unterstrich Daniel Büning vom Innovationsstudio nFrontier. Hier entwickeln Techniker und Künstler verschiedenster Fachdisziplinen an der Schnittstelle aufstrebender additiver und digitaler Technologien neue nachhaltige Produkte deutlich schneller als in herkömmlichen Designprozessen.

Einen schon sehr konkreten Zukunftspfad für eine nachhaltige Industrialisierung der additiven Fertigung stellte Bernhard Randerath vom German Emirati Institute mit der CO2-freien Fabrik für Mobilitätsinterieur vor. In dieser Fabrik, einem Vorhaben aus der umfangreichen Technologiekooperation zwischen Deutschland und den Vereinigten Arabischen Emiraten, sollen ab 2025 Komponenten für Auto-, Bahn-, Schiff- bzw. Flugzeuginnenräume hochproduktiv und individualisiert zugleich gefertigt werden – schnell, flexibel, werkzeuglos.

Neuheiten entlang der additiven Kette

Wie die in den Keynotes und Fachforen aufgezeigten Vorgehensweisen und Lösungsansätze bereits praktisch umgesetzt werden, konnten die Besucher in der Ausstellung sehen und erleben. Sowohl in kurzen, anwendungsbezogenen Vorträgen in der 3D Printing Conference in der Halle als auch direkt an den Ständen der 97 Unternehmen, Hochschulen und Forschungsinstituten erhielten sie Anregungen, Ideen und Kooperationsangebote für die Nutzung additiver Technologien. Zu den Ausstellern gehörten namhafte Firmen wie alphacam, AM Solutions, Farsoon Europe, FIT, Fraunhofer, Freemelt, Intamsys, Kaut-Bullinger, Nano Dimension, Oechsler, Stratasys und Trumpf sowie junge Tech-Start-ups wie MetShape, 1A Technologies, Genera, Glassomer oder Spectroplast. Sie präsentierten Neuheiten wie eine extrem leichte mobile Werkzeugmaschine mit 3D-gedrucktem Rahmen, ein kompaktes All-in-One-Stereolithografie-System für Drucken, Waschen und Nachbelichten ohne händisches Eingreifen oder ein Nachbearbeitungssystem, das Stützstrukturen bei harzbasierten 3D-Druckverfahren automatisch entfernt. Insgesamt wurden Produkte und Leistungen für Branchen von A wie Automobilbau bis Z wie Zahnmedizin sowie für die gesamte Wertschöpfungskette von der Entwicklung über Software, Werkstoffe, Maschinen, Teilefertigung, Nachbearbeitung bis zur Qualitätssicherung sowie Bildung und Beratung gezeigt.

3D Pioneers Challenge bereits zum siebten Mal in Erfurt

Erneut kürten die Macher der 3D Pioneers Challenge die Gewinner in Erfurt. Bereits zum siebten Mal fand das Finale dieses internationalen Design- und Innovationswettbewerbes für Additive Manufacturing und Advanced Technologies zur Rapid.Tech 3D statt. Der Hauptpreis ging an ein Team der ETH Zürich und der Inspire AG für eine additiv entwickelte Bremse für das Hochgeschwindigkeitsverkehrssystem Hyperloop. Teams aus 27 Ländern hatten Projekte für den Wettbewerb eingereicht. 37 Finalisten aus aller Welt stellten in Erfurt aus.

„Die 18. Rapid.Tech 3D hat einmal mehr gezeigt, dass Erfurt eine wichtige Plattform für den konkreten anwenderbezogenen fachlichen Austausch zu Additive Manufacturing ist. Wir freuen uns über die gute Resonanz nach der langen pandemiebedingten Live-Abstinenz und danken allen Akteuren und Unterstützern, die zum Erfolg der Veranstaltung beigetragen haben“, sagt Michael Kynast, Geschäftsführer der Messe Erfurt.

Die nächste Rapid.Tech 3D findet vom 9. bis 11. Mai 2023 in Erfurt statt.

Ausstellerstimmen

Thomas Janics/Geschäftsführer, Dr. Matthias Katschnig/Technischer Direktor, Hage3D GmbH, Graz/Österreich:
Erfurt und die Rapid.Tech 3D sind für uns mit drei F verbunden: fachkundig, freundlich, familiär. Wir kennen die Stadt und die Veranstaltung seit Jahren und stellen zum dritten Mal aus. Es ist zu spüren, dass immer mehr Firmen vor dem Schritt stehen, die additive Fertigung in ihre Prozesse zu integrieren bzw. dass sie bereits mit kleineren Maschinen arbeiten und jetzt für technische Kunststoffteile größere Technik brauchen. Dafür steht unser österreichisches Maschinenbauunternehmen mit Großraum-Drucktechnik, die werkstoffoffen ist und hohe Produktionsgeschwindigkeiten erreicht.

David Soldan, Head of AM Solutions – 3D post processing technology, Untermerzbach/Bayern:
Wir sind mit einer neuentwickelten Nachbearbeitungslösung zur Rapid.Tech 3D gekommen. Unsere neue C1-Maschine entfernt automatisch Stützstrukturen bei harzbasierten 3D-Druck-Verfahren. Ebenso haben wir Strahl- und Gleitschleiftechnik, abgestimmt auf die additive Fertigung, gezeigt. Für die präsentierte Technik gab es viel Interesse. Wir haben gute zielgerichtete Gespräche geführt und das bei einer großen Besucher-Bandbreite. Vom Großkonzern bis zum Kleinstbetrieb konnten wir Gäste bei uns am Stand begrüßen. Die Messeteilnahme war ein weiterer Schritt, um AM Solutions als Marke der Rösler Oberflächentechnik noch bekannter zu machen.

Ralf Fischer, Leiter Additive Fertigung, Karl Späh GmbH & Co. KG, Scheer/Baden-Württemberg:
Wir sind ein Dienstleister für Additive Fertigung, speziell für die Verarbeitung von PA 12 und Polypropylen mittels MultiJetFusion, und haben das erste Mal in Erfurt ausgestellt. Der Charakter der Messe gefällt uns gut. Man hat hier keinen 3D-Druck-Tourismus. Es kommen die fachlich interessierten Besucher, oft auch schon mit ganz konkreten Teilen. Einen Mehrwert bietet die Kombination mit dem Fachkongress. Ich konnte im Forum Werkzeug-, Modell- und Formenbau einen Vortrag halten und hier einen intensiven Informations- und Erfahrungsaustausch erleben.

Gunther Bigl, Geschäftsführer, Formicum 3D Service GmbH, Leipzig/Sachsen:
Wir sind froh, dass wir unsere Leistungen wieder live in Erfurt zeigen konnten. Die Rapid.Tech 3D ist sozusagen unsere Hausmesse. Hier bin ich vor Jahren auf den 3D-Druck von Papier aufmerksam geworden. Das geschah damals noch Schwarz-Weiß. Wir haben dann die erste Vollfarbmaschine nach Deutschland gebracht. Darüber hinaus bieten wir einen umfassenden Service rund um die dritte Dimension mit Hard- und Softwareentwicklung, Modellbau und weiteren Dienstleistungen an. Die Resonanz auf unsere Angebote war sehr gut. Wir sind wieder sehr zufrieden mit der Messe. 

Albert te Vrügt, Gruppenleiter Technikum, Spaleck Oberflächentechnik GmbH + Co. KG, Bocholt/Nordrhein-Westfalen:
Unser Unternehmen war das erste Mal Aussteller auf der Rapid.Tech 3D. Wir haben eine neue Maschine für die Nachbearbeitung additiv gefertigter Bauteile vorgestellt. Die Besucher waren sehr interessiert und kamen zum Teil schon mit dem Werkstück in der Hand und konkreten Anfragen an den Stand. Ebenso waren viele Schüler und Studenten in der Halle unterwegs. Auch für ihre Fragen nehmen wir uns Zeit, denn das sind dann vielleicht die besten Kunden von morgen.

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