Der Deutsche Werberat hat im ersten Halbjahr 2022 mit 219 Fällen über 20 Prozent weniger Werbemaßnahmen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (275) entschieden. Hauptursächlich ist der ebenfalls 20-prozentige Rückgang beim Vorwurf der geschlechterdiskriminierenden Werbung. Hier hat offenbar mehr Sensibilität Einzug gehalten. Die Durchsetzungsquote des Werberats zu allen Beschwerdegründen lag mit 92 Prozent ähnlich hoch wie im Vorjahr (93 Prozent). Nur in vier Fällen sprach das Selbstkontrollorgan der Werbewirtschaft eine Öffentliche Rüge aus (Vorjahreszeitraum: 6).

Die Zahl der Einzelbeschwerden lag mit 610 (Vorjahreszeitraum: 766) um 20 Prozent niedriger als 2021 und befand sich damit auf Vor-Corona-Niveau – s. 2018 mit 642 Einzelbeschwerden. Die Zahl der Beschwerdefälle insgesamt sank um 24 Prozent auf 248 (Vorjahreszeitraum: 325). Nur 29 Fälle gegenüber 50 im Vorjahreszeitraum wurden an zuständige Stellen weitergeleitet. Hier macht sich weiterhin die vorgeschaltete Infoseite bemerkbar, die die Zuständigkeiten des Werberats erläutert und erst danach zum eigentlichen Beschwerdeformular leitet.

„Wir stellen sehr erfreut fest, dass offenbar auch die kleineren, oftmals werblich weniger professionell betreuten Betriebe die Zeichen der Zeit erkannt haben, sensibler agieren und damit sexistische Fehltritte zunehmend vermeiden. Aufmerksamkeit um jeden Preis und damit meist auf Kosten der Würde der Frau ist out und letztlich werblich kontraproduktiv. Die Leitplanken des Werberats sind klar definiert und akzeptiert, die aktuell rückläufigen Daten zeigen dies. Eine schöne Bestätigung der jahrlangen kontinuierlichen Arbeit des Deutschen Werberats“, kommentiert der neue Vorsitzende des Werberats, Thomas Hinderer, seine erste Bilanz.

Inhalte der Werbekritik

Geschlechterdiskriminierende Werbung – hierzu gehört auch sexistische Werbung – zog wie in der Vergangenheit die meiste Kritik auf sich. Allerdings nahmen die Beschwerdefälle um 20 Prozent auf 114 ab (Vorjahr 142). Zum einen ist der Werbedruck in den ersten sechs Monaten 2022 weniger hoch als im Vorjahr, zum anderen sind auch diejenigen Unternehmen, deren Werbung „hausgemacht“ und nicht professionell aufgesetzt wurde, in 2022 weniger auffällig bei diesem Beschwerdegrund geworden. Die Kategorien Ethik und Moral (-7 Prozent) sowie Diskriminierung von Personengruppen (+8 Prozent) tauschten mit leichtem Auf und Ab die Plätze. Sexuell anstößige Werbung verzeichnete wiederum ein deutliches Plus von 120 Prozent. Hier stehen eher die Produkte selbst denn die Werbung bei den Beschwerden in der Kritik, so z.B. bei Werbung für Gleitgel.

Digitale Werbung bei Werbemitteln in der Kritikstatistik vorn

Mit 76 Beschwerdefällen lag Werbung auf digitalen Plattformen, die in Deutschland werbestärkste Gattung, auch 2022 vorn (Vorjahreszeitraum: 84). Es folgten TV-Spots gleichauf mit Plakatwerbung (je 38 Fälle). Innerhalb der digitalen Werbung zogen die sozialen Netzwerke erneut die meiste Kritik auf sich (33 Fälle), vor den unternehmenseigenen Homepages (14 Fälle) und Display-Werbung (12 Fälle).

Handel als werbestärkste Branche im Fokus

Wie bereits in den Vorjahren war der Handel, ob stationär oder online, im Fokus der Beschwerden beim Werberat. Diese Branche schaltet traditionell die meiste Werbung in Deutschland. 35 Fälle und damit rund 9 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum wurden vom Werberat bearbeitet, gerügt wurde kein Unternehmen. Die Kfz- und Kfz-Zubehör-Branche wurde in 15 Fällen kritisiert, ebenso wie das Handwerk: Ein Unternehmen der Kfz- und Kfz-Zubehör-Branche erhielt eine Öffentliche Rüge, zwei gingen an das Handwerk. Eine weitere Öffentliche Rüge erhielt die Lebensmittelbranche: ebenfalls, wie bei den drei übrigen, wegen Sexismus. Die Lebensmittelbranche verzeichnete einen 63-prozentigen Rückgang, da es 2021 einen künstlichen Peak durch die Beschwerdewelle einer Kampagnenorganisation gegeben hatte.

Öffentliche Rügen im ersten Halbjahr 2022

Die insgesamt vier Öffentlichen Rügen der ersten sechs Monate 2022 hatte der Werberat bereits im Mai kommuniziert. Alle Rügen wurden wegen sexistischer Werbung erteilt und gingen an kleinere und mittlere Unternehmen, deren Werbung meist nicht professionell begleitet wird.

„Rückhalt in der Wirtschaft gepaart mit dem Vertrauen der Bevölkerung in unser Beschwerdemanagement sind Systemvoraussetzungen für die Arbeit des Werberats. Wir sind sehr erfreut, dass die rückläufigen Daten diesen Erfolg widerspiegeln: Die Unternehmen agieren insgesamt verantwortungsbewusster und die Verbraucher wenden sich an uns, wenn sie Grund für Kritik sehen“, fasst Katja Heintschel von Heinegg, Geschäftsführerin des Werberats, zusammen.

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