Der Ölriese Shell darf keine seismischen Erkundungen zur Gas- und Ölsuche an der Wild Coast vor der Ostküste Südafrikas durchführen. Am 1. September 2022 urteilte der High Court von Makhanda, dass eine aus dem Jahr 2014 stammende Genehmigung nicht rechtmäßig erteilt worden war. Ob Shell in Berufung geht, ist laut Medienberichten noch nicht klar.

„Unbestreitbar ist das ein überraschender Erfolg für den Meeresschutz“, erklärt der Biologe Ulrich Karlowski, von der Deutschen Stiftung Meeresschutz, die im vergangenen Jahr die Proteste in Südafrika unterstützt hatte.

Gegen erhebliche Proteste hatte der Ölgigant Anfang Dezember 2021 Schallkanonen (Airguns) vor der Wild Coast eingesetzt, um Gas- und Ölfelder im Meeresboden zu lokalisieren. Hierbei kommen infernalisch laute 3-D-Echolote zum Einsatz. Sie erzeugen für Meerestiere aller Art schädigende, mitunter tödliche Schalldrücke. Die Explorationen sollten 5 Monate lang dauern, mit rund um die Uhr feuernden Schallkanonen (Airguns).

Ende 2021 musste Shell die Gas- und Ölsuche vorläufig einstellen

Bei ihrem ersten Versuch, die seismischen Tests mit einem Eilantrag vor Gericht zu stoppen, waren südafrikanische Umweltschützer Anfang Dezember 2021 noch gescheitert. Erst ein weiterer Eilantrag am 28.12.2021 war dann erfolgreich. Das Hohe Gericht in Grahamstown in der Provinz Ostkap urteilte schließlich zugunsten der Umweltschützer. Doch die Entscheidung war nur vorläufig bis zur jetzt beendeten Hauptverhandlung vor dem High Court von Makhanda.

Shell: Green Washing und Zerstörung mariner Ökosysteme

„Shell gibt sich neuerdings grün. So will man bis 2050 klimaneutral sein. Außerdem verleiht man sich einen grünen Anstrich mit dem Geld der Tankstellenkunden. Mit einem von Kunden gespendeten Extragroschen beim Tanken lässt Shell Bäumchen zum CO2-Ausgleich pflanzen. Das soll das Gewissen umweltbewusster Menschen beruhigen. Hinter den Kulissen jedoch setzt man, ohne Rücksicht auf die Umwelt, weiter auf das schwarze Gold“, sagt Ulrich Karlowski.

Erster Schritt bei der Gas- und Ölsuche im Meer: Dauerbeschallung von Meerestieren

Bei seismischen Untersuchungen zur Erdölsuche feuern Airguns (Schallkanonen) von Schiffen aus rund um die Uhr ungefähr alle fünf bis zehn Sekunden einen lauten, explosionsartigen Druckimpuls ab. Aus dem vom Meeresboden reflektierten Schall lässt sich ablesen, wo sich Erdgas- oder Erdöllagerstätten befinden.

Die Lautstärke von teils über 260 dB kann bei Walen und Delfinen schwere Gehörschäden bis zur Taubheit hervorrufen. In unmittelbarer Nähe wirkt der Schall tödlich – auch für andere Meerestiere wie Robben, Haie, Pinguine und selbst Kleinlebewesen wie Schalentiere

Naturparadies Wild Coast

Die Dauerbeschallung von Shell vor der Wild Coast war für fünf Monate auf einem mehr als 6.000 Quadratkilometer großen Meeresgebiet angesetzt, dessen nächst gelegene Entfernung zur Küste ca. 20 km beträgt.

In der Nähe des Explorationsgebietes befinden sich außerdem vier Meeresschutzgebiete mit einer großen Anzahl endemischer, also ausschließlich dort vorkommender Arten. Zwar sollten die Tests nicht zur Hauptwanderzeit von Buckelwalen und Südlichen Glattwalen stattfinden. Doch andere Meeressäugerarten, die sich hier aufhalten oder durchwandern, wären unmittelbar in Gefahr geraten. Etwa tieftauchende Schnabelwale oder Pottwale. Ferner vom Aussterben bedrohte Bogenstirn-Hammerhaie und die kleine südafrikanische Population Bleifarbener Delfine. In Südafrika sind sie die am stärksten vom Aussterben bedrohten Meeressäuger. Es gibt noch etwa 500 Exemplare, die entlang der Küste leben.

Weitreichende Störungen beim Einsatz von Airguns

Eine Studie des Umweltbundesamtes (UBA) zeigte bereits 2014, dass die impulshaften Schallemissionen von Airguns noch in 2.000 Kilometern Entfernung Meeressäuger stören. Der Störeffekt kann dabei sowohl die Physis als auch die Psyche der Tiere verschlechtern. Dazu sagte die frühere Präsidentin des UBA, Maria Krautzberger: „Für Meeressäuger sind Airguns eine erhebliche Störung. Ihre Schallimpulse können die Verständigung extrem einschränken. Im schlimmsten Fall sogar über ein gesamtes Ozeanbecken hinweg.“

In Entfernungen ab 1.000 km wandeln sich die ursprünglich sehr kurzen Schallimpulse zu einem kontinuierlichen Rauschen. Das kann die Verständigung von Delfinen und Walen extrem einschränken; auf nur noch etwa ein Prozent des natürlichen Verständigungsraumes. Es ist, als ob Menschen sich plötzlich, ohne künstliche Beleuchtung, in ständigem Dämmerlicht zurechtfinden müssten.

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