Interdisziplinär und praxisnah – von Wundmanagement bis Psyche. Der "WUKO" steht für interdisziplinäres Expertenwissen, sektorenübergreifende Fortbildung und Vernetzung – mit dem Ziel, Patienten bestmöglich und auf Stand des Wissens zu versorgen. Kongresspräsidentin Univ.-Prof. Dr. med. Ewa K. Stürmer, Leiterin der Translationalen Wundforschung, Universitäres Herz- und Gefäßzentrum UKE Hamburg, erwartet zahlreiche konstruktive Diskussionen, wie man Wundheilung verbessern und beschleunigen kann. Besonderer Schwerpunkt ist dabei der Kampf gegen Wund-Biofilm.

Wohl kaum ein medizinisches Problem ist derart komplex wie schlecht heilende Wunden. Der demografische Wandel lässt zudem die Zahl der Betroffenen immer weiter steigen. Welche Faktoren tragen zu chronischen Wunden bzw. -infektionen bei?

Univ.-Prof. Stürmer: Die Ursachen für die Entstehung chronischer Wunden sind genauso mannigfaltig wie ihr klinisches Erscheinungsbild. Als übergeordnete Ursachen sind arterielle Durchblutungsstörung, venöse Stauungen, Diabetes mellitus oder immunologische Systemerkrankungen als Hauptverursacher zu nennen. Hamburger Versorgungsforscher haben ermittelt, dass es im Durchschnitt bei Patient:innen etwa 3,5 Jahre dauert, bis die Grunderkrankung, die zu der chronischen Wunde führt, diagnostiziert, identifiziert und behandelt wird. Dies ist in unserer hochtechnologischen Welt nahezu unverständlich. Aber gerade die Therapie der zugrundeliegenden Erkrankung ist ein wesentlicher Aspekt, der die Heilung chronischer Wunden deutlich beschleunigt.
Warum chronischen Wunden zu rezidivierenden Infektionen, und damit auch häufig zur notwendigen Antibiotikaverordnung führen, ist eine andere, zentrale Frage in der Wundtherapie. Hier liegt die Ursache häufig in einer schlechten Durchblutungssituation, aber auch mangelnde Körperhygiene und ein unsteriler Verbandswechsel spielen eine tragende Rolle. In diesem Zusammenhang sind die Infektionsprophylaxe einerseits und der überdachte Einsatz von antimikrobiellen Wundspüllösungen und Antibiotika andererseits als die beiden wesentlichen Säulen zur Vermeidung der Zunahme bakterieller Resistenz zu nennen. National und international wurden zu letzterem bereits "Antimicrobial Stewardship" Programme verfasst, in denen es um den rationalen und verantwortungsvollen Einsatz von Antibiotika – durch den Nachweis einer (bakteriellen) Infektion, die Wahl des geeigneten Antibiotikums, die Anpassung der Therapiedauer, sowie die Dosierung und Form der Antibiotika-Gabe geht.

Spielt Ernährung eine Rolle bei der Wundtherapie?

Auch die Ernährung beeinflusst die Wundheilung. Es ist evident, dass eine Mangelernährung, gemeint ist das Fehlen von beispielsweise Proteinen, Vitaminen und Spurenelementen, nicht förderlich für eine Wundheilung sein können. Hinzukommt, dass bei den meist betagten Wundpatient: innen, die Durchblutung im Wundgebiet suboptimal ist, so dass heilungsfördernde Faktoren aus dem Blutstrom sowieso verhältnismäßig schlecht das Wundgewebe erreichen können. Auf der anderen Seite ist Übergewicht und Fettleibigkeit, sogenannte Adipositas nicht nur ein Störfaktor für die Wundheilung, sondern führt durch das sogenannte metabolische Syndrom auch bei akuten Wunden häufig zu Komplikationen. Insbesondere postoperative Wundinfektionen mit sekundärer infizierter Wundheilung sind hier zu nennen. Diese sind nicht nur hinsichtlich der Gesundheitskosten sozioökonomisch relevant, sondern beeinflussen die Lebensqualität der betroffenen Patient:innen negativ. Vereinfacht besteht aus dem Blickwinkel einer Chirurgin zunehmend ein Zusammenhang zwischen Ernährungsstatus, Wundheilung und Lebensqualität.

Welche neuen Ansätze der interdisziplinären und interprofessionellen Arbeit sind in diesem Bereich vielversprechend?

Nur die sektorenübergreifende interprofessionelle Wundtherapie ist für den individuellen Patienten zielführend. Neben der altbewährten Kommunikation per Brief, E-Mail oder seltener dem persönlichen Telefonat rücken immer mehr telemedizinische Möglichkeiten und Wund-Apps in den Fokus der Therapie chronischer Wunden. Die Tele-Dermatologie ist hier zurzeit als Vorreiter zu sehen. Von diesen neuen Technologien wird die Therapie chronischer Wunden profitieren, gleich ob es sich um Wundsprechstunden-artige Live-Untersuchungen und Beratungen handelt oder um die in "store and forward" nutzenden Plattformen, in denen per Frage und Antwort medizinische Beratungen von Patienten erfolgen. In diese Techniken werden auch bereits ambulante Pflegedienste eingebunden, die so in Anwesenheit der Wundpatient:innen in einen direkten Austausch mit dem behandelnden Arzt des jeweiligen Patienten treten können. Diese neuen Methoden werden richtungsweisend für die Zukunft sein, da insbesondere Wundpatient:innen in ländlichen Gebieten mit langen Anfahrtswegen zu Ärzten oder auch immobile Patienten und ihre Angehörigen davon profitieren werden.

Dazu gibt es im Kampf gegen chronische und stagnierende Wunden auch noch einen "unsichtbaren Feind": Biofilm. Mit welchen Maßnahmen kann Abhilfe geschaffen werden?

Der Wundbiofilm scheint etwas Mystisches zu haben. Weil er von Bakterien gebildet wird, wird er meistens als unsichtbar und kaum zu identifizieren, aber bedrohlich bewertet. Er ist ein bakterielles Produkt aus im Wesentlichen Zucker und Eiweißen, in das sich die Bakterien einmauern. Die im klinischen und Praxisalltag angewendeten Hautdesinfektionsmittel, antimikrobielle Wundspüllösungen und Antibiotika sind gemacht, um Bakterien zu töten, nicht aber, um dieses bakterielle "Schutzschild" aus Eiweißen und Zucker zu durchdringen. Deshalb wird häufig von einer zunehmenden bakteriellen "Resistenz" gegen unsere antibakteriellen Mittel gesprochen. Dies stimmt jedoch so nicht: Bakterien im Biofilm sind nur toleranter gegen diese, es dauert länger, bis sie wirken, weil die Wundbakterien über das oben genannte Schutzschild verfügen. Mit Biofilm auf chronischen Wunden sollte gerechnet werden, es gilt ihn zu identifizieren, mechanisch oder scharf von der Wunde abzutragen – zu debridieren– und diese anschließend zu desinfizieren. Vereinfacht kann auf diese Weise nachhaltig Biofilm beseitigt werden. Dafür bedarf es jedoch einer engmaschigen Wundtherapie im Abstand von 24-48 Stunden, die zurzeit weder monetär noch zeitlich in unserem Gesundheitssystem für Wundambulanzen und ambulante Pflegedienste abgebildet wird.

Welche Innovationen in der Therapie von Wunden können auf dem Kongress vorgestellt werden?

In den letzten Jahren hat es mehr bedarfsadaptierte Optimierungen vorhandener Techniken in der lokalen Wundtherapie gegeben als wirkliche Innovationen. Es gibt neue Wundmatrices, sei es auf Polylactid-Basis, aus Fischhaut oder auch aus Schafsmagen, die zum temporären Hautersatz bei gut gratulierten Wunden und chronischen Wunden oder bei Spalthautentnahmestellen ihren Stellenwert haben. Leider werden diese innovativen Produkte im Moment noch nicht durch die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) erstattet. Die Kaltplasmatherapie sollte hier ebenfalls genannt werden, da sie sich im Evaluationsprozess zur GKV-Erstattungsfähigkeit befindet. Sollte dies gelingen, so wird diese Therapie demnächst unser flächendeckend zur Verfügung stehendes Portfolio in der Therapie chronischer Wunden erweitern. Neu auf dem Markt, aber ebenfalls noch nicht durch die GKV erstattungsfähig, ist auch eine Debridement-Flüssigkeit, die verspricht, innerhalb von einer Minute den Wundbiofilm vollständig zu beseitigen, sowie ein Produkt auf Siliciumoxid (Glas)-Basis, welches sich zum Knochenersatz nach Teil-Amputationen, zum Beispiel beim diabetischen Fußsyndrom, etablieren soll. Außerdem gibt es viele, sehr interessante neue Ansätze und Produkte zu Therapien chronischer Wunden, welche den Weg vom Labor in die klinische Erprobung aus zeitlichen oder finanziellen Gründen noch nicht geschafft haben. Ich blicke hier mit Spannung in die Zukunft, welche Techniken sich behaupten werden.

Ein weiterer Schwerpunkt des vielfältigen Kongresses ist der Bereich Wunde und Psyche. Inwieweit spielt das Stichwort "Empowerment" dort eine Rolle?

Wunde und Psyche sind für mich zwei Dinge, die unzertrennlich zusammenhängen, auch wenn dieses Statement für eine Chirurgin etwas befremdlich anmuten mag. Es kann nicht sein, dass die Patienten uns ihre Geschichte und ihre Wunden übergeben, wenn sie die Schwelle der Praxis, der Wundambulanz oder des Krankenhauses überschreiten. Ein informierter Patient, der seine Wunde und seine Erkrankung annimmt, wird eher die Therapie seiner Wunde begleiten als jemand, der sich unmündig im Therapieprozess empfindet. Trotz des großen Zeit- und Kostendrucks haben wir in der Therapie chronischer Wunden die Möglichkeit, während des Verbandswechsels Patienten zu "empowern". Wir können sie ermutigen und bitten, im Rahmen ihrer Möglichkeit zu assistieren, uns zu signalisieren, was sie empfinden und ihre Wünsche zu äußern. Natürlich ist der Rahmen nicht immer gegeben, alle Forderungen und Wünsche des Patienten zu berücksichtigen, aber schon das Eingehen auf die Vorstellung des Patienten, die gelebte Empathie, wird diesem die Sicherheit geben, dass er ein aktiver Teil in der Therapie seiner Wunde ist. Das "Empowerment" und auch "Shared decision making", also das aktive Einbeziehen von Patienten in die Therapie ihrer chronischen Wunden, sollte in Zukunft ein regelhafter Teil unserer täglichen Wundtherapie sein.

In der Fülle von Veranstaltungen – welche ist ihr Highlight?

Ich bin ein großer Fan von Wettbewerb und Vergleich. Auf dem Nürnberger Wundkongress wird es bereits am Vormittag des ersten Tages einen sogenannten "Wund Slam" geben. Auf diesem sollen, wie beim bekannten "Poetry Slam", verschiedene Wundtherapien und Wundprodukte durch ihre Hersteller wissenschaftlich-korrekt, aber auch visuell und akustisch ansprechend dargestellt werden. Die Art der Darstellung ist ihnen völlig freigestellt. Der Reiz der Competition soll zum Abweichen von standardisierten Frontalvorträgen hin zu Poetry, Musik, Tanz oder irgendetwas Außergewöhnlichem führen, was dem (Fach)Publikum in Erinnerung bleibt und es anregt, die verschiedenen Therapien zu reflektieren. Weitere Highlights werden unsere Eröffnungsveranstaltung mit dem Festvortrag von Dr. A. Risse zum Thema "Wundversorgung zwischen objektiver und subjektiver Tatsächlichkeit" und die Abschlussveranstaltung mit der Poster-Preisverleihung sein.

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