ZdK-Präsidentin Dr. Irme Stetter-Karp und Vizepräsident Prof. Thomas Söding haben heute bei der Europasynode in Prag den Ausschluss von Frauen von allen Weiheämtern und den Klerikalismus kritisiert. Ihre Statements im Wortlaut.

Irme Stetter-Karp, Präsidentin des ZdK, mit ihrem Statement heute in Prag:

Ich möchte drei Gedanken und eine Frage artikulieren:

1. Seit dem 24. Februar 2022 bedrängt uns neu die Frage, welchen Beitrag wir als Christ*innen zum Frieden in Europa leisten können. Wir wissen, dass es dabei keine einfachen Antworten gibt. Unabhängig davon bin ich – nach vierzig Jahren Führungserfahrung in der katholischen Kirche und als Delegierte des konziliaren Prozesses für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung Ende der 1980-er Jahre – überzeugt, dass wir nur dann glaubwürdig sind, wenn wir die innere Verbindung zwischen Frieden und Gerechtigkeit anerkennen.

2. Wie oft wurde seit gestern geäußert, dass wir alle zuhören wollen, sollen. Wenn wir aber Jugendlichen, Betroffenen von sexuellem Missbrauch, queeren Christ*innen zuhören, dann wissen wir, dass sie Diskriminierung erfahren. Das gilt strukturell auch für Frauen.

3. Exemplarisch an der Frauenfrage gesagt: Die sture Beharrung auf der dualen Anthropologie und das Festzurren von Frauen auf den Raum außerhalb der Weiheämter treibt Frauen (gerade auch junge Frauen) aus der Kirche hinaus. Sie finden überall weitere Räume. Heute hat mich erschüttert, dass eine katholische Ortskirche stolz darauf ist, die Istanbul- Konvention abgelehnt zu haben. Es muss schiefgehen, wenn Frauen des 21. Jahrhunderts mit Antworten aus den vorletzten Jahrhunderten abgespeist werden. Ein "Njet" überzeugt nicht. In Deutschland nehmen wir wahr, dass die Zeit drängt. Sehen, urteilen, handeln ist ein kluger Dreischritt. Es ist nicht zu verantworten, jetzt beim "Sehen" stehen zu bleiben. Wenn wir uns in der Nachfolge Jesu gemeinsam als Zeug*innen der Hoffnung, als Zeug*innen der Nächstenliebe verstehen, dann ist es nicht zwingend, dass wir uns als Ortskirchen auf die gleiche Geschwindigkeit festlegen. Subsidiarität kann uns dienlich sein.

4. Meine Frage am Beispiel der Frauenfrage an diejenigen, die keine Veränderung zulassen wollen: Wie erklären Sie sich die vielfältigen Gaben und Berufungen von Frauen in der katholischen Kirche weltweit, wenn der Heilige Geist das nicht wollte? Darauf erwarte ich eine ehrliche Antwort. Vergessen wir nicht Gerechtigkeit, wenn wir zum Frieden beitragen wollen!

Thomas Söding, Vizepräsident des ZdK, mit seinem Statement heute in Prag:

Liebe Geschwister,

ich spreche zum Verhältnis von Priestertum und Klerikalismus.

Die katholische Kirche braucht Priester. Denn sie lebt von der Eucharistie. Die Ordination, die Weihe, ist für den Vorsitz wesentlich.

Die Kritik am Klerikalismus, der in der katholischen Kirche Einzug gehalten hat, darf nicht die Notwendigkeit des priesterlichen Dienstes in Frage stellen, in der Tat.

Aber es gilt auch umgekehrt. Wer auf das Priestertum setzt, darf nicht den Klerikalismus decken, nicht den offenen und nicht den verborgenen. Wer auf das Priestertum setzt, muss den Klerikalismus überwinden. Klerikalismus heißt, Herrschaft über andere auszuüben, unter Berufung auf Jesus Christus, unter Ausnutzen eines heiligen Amtes. Das ist Machtmissbrauch. Die katholische Kirche lebt nicht von heiligen Männern, die aufs Podest gestellt werden. Sie lebt von den vielen, die sich auf den Weg des Glaubens machen.

Wenn wir in unserer Kirche vom Priestertum sprechen, dann grundlegend vom Priestertum aller Gläubigen. Dieses Priestertum ist in der Taufe begründet. Wir alle bilden das königliche und priesterliche Volk Gottes. So steht es im Buch Exodus und im Ersten Petrusbrief geschrieben (Ex 19,5; 1Petr 2,9). So hat es das Zweite Vatikanische Konzil in den Mittelpunkt des Kirchenbildes gerückt. Priesterlich zu sein, heißt: öffentlich den Glauben zu bezeugen, sich auf den Weg zu Jesus Christus zu machen und auf diesem Weg nicht allein, sondern in Gemeinschaft zu sein.

Diese priesterliche Berufung ist unabhängig vom Geschlecht, sie ist unabhängig vom Status, sie ist unabhängig von der Herkunft. Sie folgt aus dem Wirken des Heiligen Geistes. Das war von Anfang an das große Versprechen des Christentums: keine Diskriminierung um des Glaubens willen, sondern Überwindung der Diskriminierung durch den Glauben. Lösen wir dieses Versprechen heute ein? Ich bin nicht sicher, dass wir selbstbewusst Ja sagen können.

Das besondere Priestertum des Dienstes gibt es um des gemeinsamen Priestertums aller willen.  Nicht umgekehrt. Die Aufgabe des priesterlichen Dienstes besteht darin, dem Priestertum aller zu dienen: die besonderen Gnadengaben aller Gläubigen zu erkennen und zu fördern, in der Liturgie, in der Martyrie und in der Diakonie.

Wer kann diesen priesterlichen Dienst ausüben? Wir erleben überall in Europa eine Krise der priesterlichen Berufungen. Was sagt sie uns? Ich weiß, dass es unterschiedliche Antworten im Raum gibt. Meine Überzeugung: Wir denken zu eng von der priesterlichen Berufung. Wir denken zu eng von Gottes Gnade. Wir binden sie an das Geschlecht; wir binden sie an den Lebensstand. Wer eine Öffnung will, macht das Priestertum des Dienstes nicht klein, sondern groß.

Wir brauchen ein offenes Gespräch darüber, wie wir einlösen können, was der Apostel Paulus schreibt: „Wir sind nicht Herren eures Glaubens, sondern Diener eurer Freude“ (2Kor 1,24).

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