Globale Katastrophen und geopolitische Ereignisse wie die Corona-Pandemie oder der Krieg in der Ukraine haben weitreichende Auswirkungen auf die weltweiten Lieferketten. Protektionismus und De-Globalisierung scheinen die wirtschaftlichen Folgen zu sein. Laut Elisabeth Winter, Programmleiterin Globale Märkte und soziale Gerechtigkeit bei der Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung (BKHS), sei das Ende der wirtschaftlichen Verflechtungen jedoch unwahrscheinlich. Beim Aircargo Club Deutschland diskutierte die Politikökonomin zusammen mit internationalen Logistikern die Frage, welchen Einfluss die sich ändernde geopolitische Lage und die Handelspolitik aufeinander haben.

Nicht erst seit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine steht die jahrzehntelang vorangetriebene weltweite Globalisierung der Lieferketten infrage. Schon die Corona-Pandemie hat die Verwundbarkeit globaler Handelsströme gezeigt. So gab es 2020 im Luftfrachtbereich einen Rückgang des Gesamtvolumens der Frachtkapazitäten von 75 Prozent im Vergleich zu 2019. Dies machte sich etwa bemerkbar beim Mangel an Konsumgütern oder elektronischen Steuerungschips, also Halbleitern, die nicht nur in der Automobilindustrie gebraucht werden, sondern auch für die Fertigung von Waschmaschinen, Kühlschränken und anderen technischen Geräten. Doch nicht nur die Lieferkettenschwierigkeiten befeuern die Debatte um den internationalen Handel und Auslandsinvestitionen. Auch geopolitische Strategien und Machtkämpfe spielen hierbei eine wichtige Rolle. So hat insbesondere China in der Hochphase der Globalisierung profitiert.

Ökonomen halten eine De-Globalisierung jedoch für unwahrscheinlich. Vielmehr plädieren sie für eine Diversifizierung von Lieferketten und eine Re-Globalisierung. „Trotz politischer Spannungen ist es aus Unternehmenssicht nicht sinnvoll, sich aus Märkten zurückzuziehen. Selbst stark miteinander im Konflikt stehenden Ökonomien wie China und die USA sind bereits so stark miteinander verflochten, dass es sehr schwer ist, sie voneinander zu trennen. Wir haben es aktuell vielmehr mit einer Veränderung der Globalisierungsmuster zu tun. Unternehmen spezialisieren sich immer weniger auf Länder wie China und die USA. Sie diversifizieren ihre Handelsbeziehungen viel stärker. So lassen sich bereits vermehrt Investitionen von europäischen und US-amerikanischen Firmen in Südostasien beobachten“, berichtet Elisabeth Winter, Programmleiterin Globale Märkte und soziale Gerechtigkeit bei der Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung (BKHS), beim Aircargo Club Deutschland.

Das vollständige Zurückorganisieren der Produktion nach Europa sieht die Expertin als unrealistisch an und mit mindestens einem großen Nachteil behaftet: Diese Art des sogenannten Re- oder Nearshoring hat erhebliche Preissteigerungen zur Folge. Auch weiterhin werden große Unternehmen für ihre Vorprodukte von Herstellern in aller Welt produzieren lassen, um sich so Kostenvorteile zu sichern und die Konkurrenzfähigkeit der eigenen Produkte zu steigern. Gleichzeitig ist es aber auch für immer mehr Unternehmen entscheidend, solche ökonomischen verstärkt gegenüber politischen Kriterien abzuwägen.

Denn laut Elisabeth Winter wird die Globalisierung aktuell oft nicht im Rahmen des bisherigen regelbasierten internationalen Systems gestaltet, sondern durch Machtpolitik. „Geoökonomie ist neben der Diplomatie und dem Militär eines der zentralen Instrumente der Außenpolitik“, so Winter. „Umso mehr Volkswirtschaften und das Funktionieren der Lieferketten miteinander verflochten sind, umso größer wird die Abhängigkeit – das ist auch kein Problem, so lange sich alle miteinander handelnden Staaten über das gemeinsame Regelwerk einig sind. Internationale Arbeitsteilung und daraus entstehende Abhängigkeiten werden aber dann zum Problem, wenn wir mit politischen Rivalen handeln. Ein Beispiel hierfür ist beispielsweise die Energiekrise in Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine.“

„Neben der Diversifizierung der Lieferketten, ist ein gutes und anpassungsfähiges Lieferkettenmanagement für international agierende Unternehmen unabdingbar – insbesondere für die stark international vernetzte Luftfrachtbranche. Gerade die letzten Jahre haben gezeigt, dass Unternehmen schnell auf Betriebsstörungen reagieren können und über einen flexiblen Notfallplan verfügen müssen“, sagt Prof. Dr. Christopher Stoller, Präsident des Aircargo Club Deutschland.

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