Einsamkeit hat in den letzten Jahren zugenommen, das zeigen Analysen. Außerdem betrifft sie auch immer mehr jüngere Menschen. In unserer Blog-Reihe „Wege aus der Einsamkeit“ beschäftigen wir uns ausführlich mit diesem Thema. Inspiriert hat uns der Richard-von-Weizsäcker-Journalistenpreis 2022 der Unionhilfswerk-Förderstiftung. Das Motto war „Wege aus der Einsamkeit – Herausforderung für die Gesellschaft?“. Im folgenden Beitrag geht es um die Einsamkeit von Menschen mit einer psychischen Erkrankung. Gerade Feiertage stellen für sie eine große Belastung dar.

Das Osterfest liegt hinter uns. Das wichtiges Fest der Christen ist mit Freude und Hoffnung verbunden. Wenn man aber weiß, dass sich über 60 % der Deutschen einsam fühlen, kann man vermuten, dass diese und andere Feiertage bei vielen eher Angst als Freude auslösen. Besonders für Menschen mit einer psychischen Erkrankung sind Feiertage herausfordernd.

Arbeit als stabiler Anker

Holger D. arbeitet im Clean Up Service der USE gGmbH. In seinem Team, aber auch im ganzen Haus ist er bekannt als charmanter Sunnyboy. Auf die Frage, wie er seine Feiertage verbringe, antwortet er nicht mehr ganz so strahlend: “Ich werde zocken, bin ja allein.“
Schwieriger als das Osterfest ist die Zeit zwischen den Jahren. In vielen Firmen gibt es Betriebsferien. In der USE laufen die Werkstatt-Bereiche dagegen weiter. Nicht ohne Grund. Besonders Menschen mit einer psychischen Erkrankung sind verhältnismäßig häufig von Einsamkeit betroffen. Und in der Werkstatt der USE arbeiten über 1.000 Menschen mit einer meist psychischen Beeinträchtigung. Viele von ihnen wohnen zudem allein und nicht bei der Familie oder in einer betreuten Wohnform. Gerade in der emotional herausfordernden Weihnachtszeit ist es für sie wichtig, einen stabilen Anker zu haben – der ist für viele die Arbeit.

Gewohnte Tagesstruktur und Austausch mit den Kollegen

„Für diese Menschen ist es wichtig, in einem Kontext eingebunden zu sein. Wird dieser Kontext unterbrochen, löst das Stress aus“, erklärt Siegfried Steinhauer, Psychologe bei der USE. Viele haben Schwierigkeiten mit ihren Emotionen adäquat umzugehen. Hinzu komme oft die Erwartungshaltung des Umfeldes. Fragen wie „Sie sind an den Feiertagen allein?“ verstärken die Symptome nur noch mehr.
Auch Elisabeth Schulte, Sozialarbeiterin bei der USE, kennt diese erhöhte Empfindsamkeit: „Gerade mit der Vorweihnachtszeit ab Mitte November beginnt eine Phase, in der es für depressive Menschen schwerer wird.“ Sätze wie „Ich kann in der Zeit keinen Urlaub nehmen, ich weiß dann nicht, was ich mit mir anfangen soll“, hört sie häufiger von Werkstatt-Beschäftigten. Für viele sei da zunehmend der Fernseher, der PC oder die Spielekonsole der einzige Kontakt zur Außenwelt. Einen gesunden Gegenpol biete die Arbeitsstätte. „Hier haben sie eine Aufgabe, eine gewohnte Tagesstruktur – vor allem aber der Austausch mit den Kollegen ist wohltuend“, weiß Elisabeth Schulte.

In der freien Zeit aktiv werden

Aber auch ganz einfache Dinge können helfen. Siegfried Steinhauer beschreibt, was gegen Einsamkeit helfen kann: „Auf der einen Seite ist es gut, an Gewohntem wie der Arbeit festzuhalten. Auf der anderen Seite könnten die freien Tage hilfreich sein – gerade in der dunklen Jahreszeit – um das Aktivitätsniveau außerhalb der Arbeit zu steigern, also raus zu gehen und seine nähere Umgebung zu entdecken. Sich auch mal in ein Café zu setzen oder ein paar Worte mit den Nachbarn zu wechseln.“ So könne man nach und nach seinen Aktionsradius erweitern und dem lähmenden Gefühl entkommen.

Unsere Reihe “Wege aus der Einsamkeit”

In unserer Reihe “Wege aus der Einsamkeit” lesen Sie demnächst, was Bischof Dr. Christian Stäblein, geistlicher Leiter der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, zu diesem Thema zu sagen hat. In einem weiteren Beitrag beschäftigt sich Dirk Müller, Leiter Palliative Geriatrie und Hospiz im Unionhilfswerk, damit, dass Einsamkeit zum Suizid führen kann.

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