Viele wirtschaftliche Aktivitäten, die von Versicherungsunternehmen ermöglicht werden, verschärfen die Klimakrise und den Verlust an Biodiversität – anstatt dieser Doppelkrise entgegenzuwirken. Das zeigt der Bericht „Underwriting our planet: how insurers can help address the crises in climate and biodiversity“, den die Naturschutzorganisation WWF und Deloitte Schweiz am heutigen Mittwoch veröffentlicht haben. Der Bericht zeigt auch, was Versicherer in ihrem Risikoübernahmegeschäft dagegen tun können.

Matthias Kopp, Leiter Sustainable Finance beim WWF Deutschland, sagt: „Nur wenige Versicherer haben sich bisher Klimaziele für ihr Versicherungsgeschäft gesetzt. Auch die deutschen Versicherer bilden hier keine Ausnahme. Dabei hat die Versicherungsbranche ein enormes Potenzial, bei der notwendigen Transformation der Wirtschaft eine führende Rolle zu spielen. Sie ist mit praktisch jeder wirtschaftlichen Tätigkeit verbunden und ein wirtschaftliches Schwergewicht, das den Übergang zu einer Wirtschaft innerhalb der planetaren Grenzen beschleunigen kann.“

Obwohl einige Versicherungsunternehmen damit begonnen haben, Umweltaspekte in ihre Geschäftsstrategien einzubeziehen, bleiben die ergriffenen Maßnahmen weit hinter dem zurück, was notwendig wäre. Wie wichtig dies wäre, zeigen die Schadenssummen der vergangenen Jahre. Im Jahr 2022 beliefen sich die weltweiten wirtschaftlichen Schäden durch Naturkatastrophen auf rund 275 Milliarden US-Dollar. Nur 125 Milliarden US-Dollar der Gesamtschäden waren versichert. Bei der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal 2021 betrugen die Schäden rund 34 Milliarden Euro, Versicherungen deckten dabei 8 Milliarden Euro. Und in diesen Zahlen sind die nicht-monetären Schäden für Mensch und Natur noch gar nicht berücksichtigt.

Mit zunehmender Klima- und Naturkrise werden diese eintretenden Schäden weiter steigen. Versicherungsunternehmen stehen dabei vor der Herausforderung, die Deckungsspanne im gesellschaftlichen Sinne zu erweitern. Dort droht angesichts der Entwicklungen jedoch zunehmende „nicht-Versicherbarkeit“. Es sollte entsprechend im Eigeninteresse von Versicherungsunternehmen liegen, Maßnahmen zur beschleunigten Umsetzung der Transformation ihres Geschäftsmodells zu ergreifen. Der WWF empfiehlt den Versicherungsunternehmen, die folgenden Maßnahmen umzusetzen:
– Verpflichtung, deutlich vor 2050 Netto-Null-Treibhausgasemissionen zu erreichen, und Ausrichtung des Versicherungsgeschäfts an den globalen Biodiversitätszielen.

– Veröffentlichung und Umsetzung entsprechender Transformationspläne.  

– Zusammenarbeit mit Kunden und Versicherungsmaklern, damit diese sich an den globalen Klima- und Biodiversitätszielen ausrichten.

– Förderung umweltfreundlicher Entscheidungen der Kunden durch die Gestaltung von Versicherungsprodukten und nachhaltigen Praktiken im Schadenmanagement. So könnten Versicherungsunternehmen beispielsweise vermehrt Produkte für erneuerbare Energien oder zirkuläre Projekte und naturbasierte, regenerative Geschäftsmodelle anbieten. Zudem können sie im Schadenmanagement im Sinne der Kreislaufwirtschaft etwa darauf hinarbeiten, dass beschädigte Güter vermehrt repariert anstatt ersetzt werden und der Rohstoffeinsatz entsprechend vermindert wird.

– Verschärfung der Geschäftsbedingungen von Umwelthaftpflichtversicherungen, um Anreize zu fahrlässigem Verhalten mit negativen Auswirkungen auf Menschen und Umwelt zu beseitigen („moralisches Risiko“). Verbindlich einfordern, dass Kunden anspruchsvolle Umweltstandards und Transformationsanforderungen erfüllen.

– Ausschluss der umweltschädlichsten und transformationsunfähigen Wirtschaftstätigkeiten und Sektoren von der Versicherungsdeckung, zum Beispiel Projekte zur Angebotsausweitung fossiler Brennstoffe, Tiefseebergbau, Abholzung oder illegale, unregulierte und nicht gemeldete Fischerei (IUU).

– Kommunikation eines klaren Ausstiegplans aus allen Geschäften im Zusammenhang mit fossilen Brennstoffen im Einklang mit dem Netto-Null-Emissionsszenario der Internationalen Energieagentur bis spätestens 2050. 
 In Deutschland ist es Aufgabe der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), Versicherungsunternehmen zu beaufsichtigen. „Bisher setzt die Bafin den deutschen Versicherungen keine hinreichend robusten Leitplanken, an denen sie ihre Strategie gegen Klima- und Naturrisiken konsequent an nationalen und internationalen Zielen ausrichten müssen. Die Bafin ist damit nicht hinreichend als Begleiter und Leuchtturm für die Versicherungswirtschaft in transformativen Zeiten präsent. Damit erhöht sie unnötig die Wahrscheinlichkeit, dass strukturelle Risiken der deutschen Versicherungsbranche entstehen und die wirtschaftliche Transformation ineffizient, teuer und riskant verläuft“, kritisiert Matthias Kopp.  

Die Bafin sollte gemäß ihrem verliehenen Mandat:
 – Finanzsystemstabilität bewahren durch Vermeidung von Ansteckungsrisiken zwischen ggf. durch Natur- und Klimarisiken in Schieflage geratenen Versicherungsunternehmen. Dazu gehört regelmäßiges Monitoring/ Vulnerabilitätsanalyse der deutschen Versicherungswirtschaft in Bezug auf Klima und Naturverlust.
– Verstärkte aufsichtliche Erwartungshaltung und Standardsetzung von verwendeten Klimaszenarien, Risikomodellen, Geschäftsstrategie, Transformationsplänen formulieren.
– Harmonisierung von versicherungswirtschaftlichen Datensammlungen und Schnittstellen.  

Weitere Informationen
– Vollständiger WWF-Bericht: http://wwf.panda.org/?9548441/WWF-urges-insurance-companies-to-take-responsibility-for-their-underwriting-business
– Webinar vom WWF Schweiz und Deloitte Schweiz zur Präsentation der Studienergebnisse findet am Dienstag, 26. September statt. Anmeldung hier: https://wwf.zoom.us/webinar/register/WN_hwwk7Jy0QFOVEJcXjATjtA

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