Aus der Grundlagenforschung in die medizinische Anwendung: Ein Marburger Team aus dem Forschungsverbund DRUID hat einen Schnelltest zur Diagnose der vernachlässigten Tropenkrankheit Leishmaniose entwickelt, den die spanische Firma Gold Standard Diagnostics demnächst zur Anwendung bei Hunden auf den Markt bringen will. Die Philipps-Universität Marburg schloss zu diesem Zweck eine Lizenzvereinbarung mit dem Partnerunternehmen. Der Einsatz in der Tiermedizin bildet eine wichtige Voraussetzung für eine spätere Anwendung beim Menschen.

„Der Schnelltest auf Leishmaniose, der demnächst auf den Markt kommen soll, belegt die Exzellenz der Marburger Hochschulmedizin ebenso wie die Effektivität unserer Verwertungsstrategie“, erklärt Professor Dr. Gert Bange, Vizepräsident für Forschung der Philipps-Universität Marburg. Die mittelhessische Transferagentur TransMIT begleitet gemeinsam mit der Transferabteilung der Universität das Projekt der Markteinführung.

Zu den vernachlässigten Tropenkrankheiten, denen sich das hessische Konsortium DRUID widmet, gehört auch die Leishmaniose. Die Krankheit beruht auf einer Infektion mit Einzellern der Art Leishmania. Eine Ansteckung kann zum Beispiel Schleimhautschädigungen und Hautgeschwüre hervorrufen, aber auch auf die inneren Organe übergreifen; man spricht in diesem Fall von viszeraler Leishmaniose.

Fachleute schätzen, dass jährlich bis zu einer Million Menschen im tropischen Südamerika, Afrika und Asien befallen werden, bei knapp einem Zehntel davon sind die inneren Organe in Mitleidenschaft gezogen. „Werden Patientinnen und Patienten mit viszeraler Leishmaniose nicht behandelt, so endet die Erkrankung meist tödlich“, sagt der Marburger Immunologe Professor Dr. Ulrich Steinhoff, der die Entwicklung des Schnelltests gemeinsam mit seinem Mitarbeiter Dr. Rouzbeh Mahdavi vorantrieb.

Leishmanien befallen nicht allein Menschen, sondern auch Hunde, die ein natürliches Reservoir der Krankheitserreger bilden. „Da immer mehr Hunde aus Mittelmeerländern eingeführt oder dorthin in den Urlaub mitgenommen werden, nimmt die Leishmaniose bei Tieren auch in Deutschland ständig zu“, weiß Steinhoff zu berichten. Mittlerweile treten Sandmücken, die Überträger der Leishmanien, bereits in der Bundesrepublik auf.

„Um die Infektionsketten zu unterbrechen und die Betroffenen rechtzeitig und wirkungsvoll behandeln zu können, müssen infizierte Menschen und Hunde sicher erkannt werden, und zwar bevor sie die typischen Krankheitssymptome entwickeln“, betont Steinhoff.

Da Leishmanien in die Körperzellen eindringen, ist für einen sicheren Nachweis bislang meist eine Gewebeprobe erforderlich. „Invasive Nachweisverfahren sind jedoch aufwendig und bergen ein hohes Infektionsrisiko, weshalb sie in Ländern mit schlechter medizinischer Infrastruktur kaum durchführbar sind“, gibt der Immunologe zu bedenken. „Die Diagnostik muss in solchen Endemiegebieten feldtauglich sein, also einfach zu handhaben und hitzestabil, aber gleichzeitig sehr sensitiv und spezifisch.“

Steinhoff verfolgte mit seinen Kolleginnen und Kollegen daher die Idee, zusammen mit Gold Standard Diagnostics einen zuverlässigen Schnelltest zu entwickeln, der mit einem Tropfen Blut auskommt. Die gefährliche viszerale Leishmaniose verrät sich, indem der infizierte Organismus Antikörper gegen ein spezifisches Erregerprotein produziert, nämlich gegen Kinesin. Um einen Leishmania-Befall zu diagnostizieren, weist man die Antikörper im Blut nach, indem man ihnen künstliche Kinesin-Moleküle als Antigen präsentiert.

„Es gibt so viele Kinesin-Varianten, wie es Leishmania-Stämme gibt“, erklärt Steinhoff. Daher gab es bisher keinen restlos zuverlässigen Schnelltest. „Wir stellten uns die Frage: Wie muss das Kinesin-Protein beschaffen sein, um die bestmögliche Immunantwort hervorzurufen?“

Steinhoff und sein Team verglichen Kinesin-Proteine von unterschiedlichen Leishmania-Stämmen aus Afrika mit dokumentierten Varianten aus Indien, Brasilien und dem Sudan. „Die Abwandlungen hängen meistens mit der regionalen Herkunft der Leishmania-Stämme zusammen“, berichtet Steinhoff.

Auf Basis der Daten synthetisierte die Forschungsgruppe ein künstliches Kinesin-Molekül. In Laborexperimenten erwies es sich als überlegen gegenüber anderen Kinesin-Varianten. So können mit dem neuen Kinesin-Testantigen 97,1 Prozent der Patientinnen und Patienten mit viszeraler Leishmaniose diagnostiziert werden. Das Team überprüfte die Wirksamkeit des neuen Tests erfolgreich an Menschen und Hunden in Brasilien, Indien, Afrika und im Mittelmeerraum. „Im Gegensatz zu bisher verfügbaren serodiagnostischen Tests zeigt unser Kinesin-Testantigen eine verbesserte Empfindlichkeit und keine Kreuzreaktivität mit anderen parasitären Erkrankungen“, fasst Steinhoff zusammen.

„Damit die Gesellschaft Nutzen aus der universitären Forschung ziehen kann, braucht es exzellente wissenschaftliche Teams, verlässliche Partnerschaften in der Privatwirtschaft und als Scharnier zwischen beiden effiziente Unterstützungsstrukturen“, hebt Uni- Vizepräsident Gert Bange hervor.

Mit der schutzrechtlichen Sicherung der Erfindung beauftragte die Universität die TransMIT Gesellschaft für Technologietransfer mbH, die gemeinsam mit der Transferabteilung der Universität die Weiterentwicklung des neuartigen Schnelltests betreut, insbesondere die Markteinführung des Produkts; das Bundesforschungsministerium fördert diese durch sein Programm GO-Bio initial finanziell. Um den Einsatz des neuen Schnelltests im industriellen Maßstab voranzutreiben, hat die Philipps-Universität Marburg mit dem in Madrid ansässigen Unternehmen Gold Standard Diagnostics einen exklusiven weltweiten Lizenzvertrag abgeschlossen.

Weitere Informationen:

LOEWE-Zentrum DRUID: https://www.loewe-druid.de/

TransMIT: https://www.transmit.de/

Gold Standard Diagnostics: https://www.goldstandarddiagnostics.es/ 

Fachveröffentlichung zum Leishmaniose-Schnelltest: Rouzbeh Mahdavi & al.: Development of a Novel Enzyme-Linked Immunosorbent Assay and Lateral Flow Test System for Improved Serodiagnosis of Visceral Leishmaniasis in Different Areas of Endemicity, Microbiology Spectrum 2023, DOI: https://doi.org/10.1128/spectrum.04338-22LOEWE-Zentrum DRUID: https://www.loewe-druid.de/

Über die TransMIT Gesellschaft für Technologietransfer mbH

Die TransMIT GmbH erschließt und vermarktet im Schnittfeld von Wissenschaft und Wirtschaft seit 1996 mit rund 150 Angestellten das Innovations-Potenzial zahlreicher Wissenschaftler aus mehreren Forschungseinrichtungen in und außerhalb Hessens. Direkt aus den drei Gesellschafterhochschulen der TransMIT GmbH (Justus-Liebig-Universität Gießen, Technische Hochschule Mittelhessen und Philipps-Universität Marburg) bieten mehr als 160 TransMIT-Zentren unter professioneller wissenschaftlicher Leitung innovative Produkte, Technologien, Dienstleistungen sowie Weiterbildungsveranstaltungen aus nahezu allen Fachrichtungen an. Der Geschäftsbereich Patentverwertung identifiziert und bewertet im Kundenauftrag Produktideen und Forschungsergebnisse und bietet diese international für Lizenzierung oder Kauf an. Das betreute Portfolio umfasst dabei alle Technologiefelder deutscher Hochschulen. Ergänzt wird dieses Angebot durch Leistungen für das komplette Innovationsmanagement von der Idee bis zum marktreifen Produkt im Geschäftsbereich Managed Innovation Services (MIS), insbesondere Fördermittelberatung und Projektmanagement für kleine und mittelständische Unternehmen. Darüber hinaus initiiert und betreut das Geschäftssegment Kooperationsnetzwerke & Neue Märkte Netzwerke zwischen KMU, die sich proaktiv weiterentwickeln wollen. Die TransMIT GmbH hat bei mehreren Rankings im Auftrag verschiedener Bundesministerien jeweils den 1. Platz unter den 21 größeren Technologietransfer-Unternehmen in Deutschland erreicht und ist autorisierter Partner des BMWi-Programms „go-Inno“ sowie der Innovationsberatung des BAFA. Referenzprojekte sind u. a. das Museum „mathematikum“, das Clustermanagement für die Medizinwirtschaft „timm“ und die BMWi-Projekte „SIGNO KMU-Patentaktion“ und „-Erfinderfachauskunft“ sowie „WIPANO Unternehmen“. Die TransMIT GmbH war federführender Partner der Horizont2020-EU-Initiative KETBIO (Key Enabling Technologies in Biotechnology), baut aktuell über das Projekt GO-Bio initial den Transfererfolg in den Lebenswissenschaften aus und unterstützt GründerInnen im Rahmen der Förderinitiative EXIST.

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