Mehr Güter auf die umweltfreundliche Schiene zu verlagern, wird immer mehr zum Hoffnungsträger für Industrie und Logistik. Besonders im südwestfälischen Raum suchen die Verlader nach zuverlässigen Verkehrsträgern, um Güter und Waren zum Kunden bringen zu können. Mit der jahrelangen Sperrung der Autobahn A 45 in Folge des Neubaus der Rahmedetalbrücke und überlasteter Ausweich- und Schwerlastrouten benötigen die Unternehmen in der Region dringend Alternativen für ihre Logistikketten.
Der Intermodalverkehr gilt dabei als eine der aussichtsreichsten Lösungen. Damit die sinnvolle Verknüpfung verschiedener Verkehrsträger gelingt, muss auch die Schieneninfrastruktur weiter verbessert werden. Und hier wollen das Land und der Bund noch stärker investieren.
Udo Sieverding, Abteilungsleiter im Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen, unterstrich: „Die Landesregierung will mehr Verkehre auf die Schiene bringen. Unsere Infrastrukturförderung für die nichtbundeseigenen Eisenbahnen (NE-Bahnen) zeigt dies. In diesem Jahr umfasst sie 12 Millionen Euro. Die Kreisbahn Siegen-Wittgenstein hat heute zwei weitere Förderbescheide über gut 350.000 Euro erhalten. Die Verlagerung von Güterströmen auf die Schiene ist klimapolitisch notwendig und wirtschaftlich sinnvoll."Dies war eines der Ergebnisse der Veranstaltung Dialog.Schiene.Südwestfalen im Erlebniszentrum der Krombacher Brauerei, an der rund 180 Besucher teilnahmen. Zu der Gemeinschaftsveranstaltung hatten die KSW Kreisbahn Siegen-Wittgenstein GmbH, Hafen Hamburg Marketing e.V., DB Cargo AG, Bundesvereinigung Logistik e.V. Regionalgruppe Südwestfalen und die IHK Siegen in die Räumlichkeiten der Krombacher Brauerei nach Kreuztal eingeladen.
Eine weitere Lösung zeigt beispielsweise das Projekt LOG4NRW. DeltaPort, duisport, der Hafen Dortmund und die Kreisbahn Siegen-Wittgenstein wollen ein Bahn- und Binnenschiffsystem etablieren, das einen großen Anteil des LKW-Verkehrs in Nordrhein-Westfalen auf Schiene und Wasserstraßen verlagert. Verläuft alles nach Plan, könnten erste Züge, die bis zu 27.000 LKW-Fahrten pro Jahr ersetzen können, schon Ende 2023 rollen. Das Projekt verbindet die Terminals in Voerde-Emmelsum, Duisburg, Dortmund und Kreuztal. „Wir freuen uns sehr darauf in absehbarer Zeit gemeinsam mit unseren Partnern eine wettbewerbsfähige Seehafenhinterland-Verkehrsanbindung zu den Nord- und Westhäfen für Deutschlands drittstärkste Wirtschaftsregion Südwestfalen realisieren zu können“, sagt Christian Betchen, Geschäftsführer, KSW Kreisbahn Siegen-Wittgenstein GmbH und Südwestfalen Container-Terminal GmbH.
Auch die Krombacher Brauerei hat erste Schienentransporte umgesetzt. „Gemeinsam mit der KSW und der DB Cargo haben wir für die Destinationen Berlin, Hamburg und Bremen kurz nach der Brückensperrung die Möglichkeit von 45’Fuß Containertransporten im Einzelwagenverkehr realisiert, ein Projekt mit Herausforderungen. Wir bleiben hier aber hartnäckig und werden weiterhin intensiv daran arbeiten, den Verkehrsträger Schiene zu nutzen und in der Region zu stärken“, sagt Michael Kröhl, Leiter Logistik bei Krombacher. Sebastian Schilling, Leiter Service Design bei DB Cargo, unterstreicht diese Entwicklung: „Wir spüren seit einiger Zeit einen umfassenden und deutlich höheren Bedarf an klimafreundlichen Transportlösungen. Klimaneutralität in Logistikketten ist schon heute für viele Unternehmen ein strategisches Ziel und ein wichtiger Faktor für einen nachhaltigen Unternehmenserfolg. Das heißt aber auch, sich in der Logistik mehr auf die Möglichkeiten und Stärken der Schiene einzulassen – mit einer Weiterentwicklung der Logistiksysteme hin zu mehr Schienenaffinität.
Trotz vieler positiver Ansätze gab es auch kritische Stimmen, die auf die aktuell begrenzten Möglichkeiten der Schiene hinwiesen. Denn viele Projekte sind langfristig geplant und können gerade jetzt noch nicht weiterhelfen. Darauf machte beispielsweise Sebastian Scheffler, Head of Project Logistics Hilchenbach, SMS group GmbH aufmerksam: „Gerade im Bereich von Schwertransporten ist der Bahntransport für unser Unternehmen besonders interessant. Doch für einige unserer Produkte, die technisch auf der Schiene transportiert werden könnten, ist die Verfügbarkeit von Waggons sehr eingeschränkt und die marode Infrastruktur in Verbindung mit dem großen Investitionsstau ein zusätzliches Problem. Zudem sind die Frachtpreise im Vergleich zum Straßengüterverkehr nur bedingt wettbewerbsfähig. Trotzdem sehen wir großes Potenzial für eine verstärkte Zusammenarbeit.“
Mit dem Ausbau der Ruhr-Sieg- und Sieg-Strecke wäre nicht nur eine Entlastung der Rheinschiene möglich. Er könnte auch eine neue Möglichkeit für die Unternehmen der Region darstellen. Zumindest ist ein Ausbau bereits im vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplan enthalten. So müssen allein zwischen Hagen und Siegen zehn Tunnel verbreitert, Brücken angepasst, neue Überholmöglichkeiten geschaffen und die Signal- und Stellwerktechnik aktualisiert werden. Um die Unternehmen der Region möglichst bald zu entlasten, wäre jedoch eine beschleunigte Planung durch den Bund zu beauftragen, so die Forderung. Auch ein politisches Commitment der Bundespolitik, für diese überregional bedeutsame Strecke rasch mehr Kapazitäten zu schaffen, sei das Gebot der Stunde. „Schon die Vorplanungen sollen bis ins Jahr 2026 dauern. Der Zeitplan danach steht in den Sternen. Leisten wir uns beim Schienenausbau weiterhin dieses Deutschlandtempo, wird die Region wirtschaftliche Dynamik einbüßen“, sagt Hans-Peter Langer, Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Siegen.
Alle Diskussionsteilnehmer waren sich hingegen einig, dass eine Verlagerung von Güterverkehren unbedingt notwendig ist. Das Beispiel A 45 veranlasste Unternehmen Transportlogistik neu zu denken – und dabei auch stärker als bisher Schiene als Teil der Lieferkette einzubeziehen. Jetzt ist es an der Politik, die Infrastruktur zu schaffen, um daraus ein nachhaltiges und wirtschaftlich sinnvolles Produkt zu machen.   
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