Im Mittelpunkt des 2. Long COVID Kongresses am 24. und 25. November in Jena stand neben den neuesten Forschungsergebnissen zu den Krankheitsmechanismen und Therapieansätzen ganz besonders auch die Teilhabe der Betroffenen am Sozial- und Arbeitsleben. Mit Spannung wurde die interdisziplinäre Podiumsdiskussion mit Vertretern aus Politik, Betroffenen und Forschung erwartet. Demnach hat das Bewusstsein für Long COVID zwar zugenommen, aber viele strukturelle Hürden bleiben. 

Wie mit Long COVID umgehen? Über zwei Millionen Menschen in Deutschland sind von den Spätfolgen einer Corona-Infektion betroffen. Sie leiden unter dem so genannten Post COVID-Syndrom (PCS) oder Long COVID-Syndrom (LCS). Die Erkrankung kann den Lebensalltag der Betroffenen stark beeinflussen. Die Beschwerden sind vielfältig, sie reichen von Müdigkeit bis hin zu Konzentrationsproblemen. Derzeit gibt es keine Behandlung, die die Ursache von Long COVID bekämpft. Ziel der Behandlung ist es bisher, die Beschwerden zu lindern. 

Vor diesem Hintergrund wollten die Veranstalter des Long COVID-Kongresses, der Ärzte- und Ärztinnenverband Long COVID und das Universitätsklinikum Jena, eine Plattform für den persönlichen Austausch schaffen. Das ist gelungen – an die 2.700 Teilnehmer nutzten diese Gelegenheit, präsent in Jena oder digital zugeschaltet. Im Volkshaus Jena kamen Wünsche und Hoffnungen verschiedener Akteure für eine verbesserte Teilhabe im Sozial- und Arbeitsleben zur Sprache. 

Die interdisziplinäre Podiumsdiskussion zum Thema „Teilhabe mit Long COVID" war hochkarätig besetzt. Neben Tagungspräsident und Leiter des interdisziplinären Post COVID-Zentrums am Universitätsklinikum Jena, Prof. Dr. Andreas Stallmach, argumentierten Prof. Dr. Martin Korte, Neurobiologe an der TU Braunschweig, Dr. Claudia Ellert, Betroffeneninitiative Long COVID Deutschland, und Mitglieder:Innen des Bundestages, Simone Borchardt, CDU, Tina Rudolph, Sprecherin für Globale Gesundheit der SPD, sowie Prof. Dr. Andrew Ullmann, FDP. 

Moderator Marcus Niehaves, Leiter des ZDF-Wirtschaftsmagazins Wiso, stellte Fragen zu gesundheits- und arbeitspolitischen Themen. Prof. Stallmach betonte, dass die Wiedereingliederung von Patient:innen mit Long COVID in das Sozial- und Arbeitsleben individualisiert erfolgen muss, da starre Modelle und Konzepte häufig nicht funktionieren: „Die Frage, wie wir flexible Arbeitszeitmodelle auch in kleineren Einheiten umsetzen, wie wir kurzfristige Ausfälle aufgrund einer Crash-Symptomatik bei Betroffenen kompensieren, ist eine Herausforderung, für die wir ein Umdenken brauchen.“ 

Dr. Claudia Ellert von der Betroffenen­initiative Long COVID Deutschland äußerte ihre Freude über die gesteigerte politische Aufmerksamkeit für die Erkrankung. Gleichzeitig forderte sie, dass die finanziellen Mittel auch effektiv für die Patientenversorgung eingesetzt werden sollten und nicht im System versickern dürften. 

Hirnforscher Prof. Dr. Martin Korte hob hervor, dass bisher zwar noch nicht mit eindeutigen Biomarkern für jeden Patienten mit Beschwerden eine sichere Diagnose gestellt werden könnte, aber die Symptome ernst genommen werden und die Forschung zu Biomarkern fortführgeführt werden müsste. Er fordert eine bessere Definition der Postinfektiösen Syndrome und besser kontrollierte Studien. 

Die Diskussion von Vertretern aus Politik, Betroffenen und Forschung zeigte, dass das Bewusstsein für Long COVID zwar zugenommen hat, aber viele strukturelle Hürden bleiben. In den abschließenden Statements der Diskussionsteilnehmer wurde deutlich, dass es noch ein weiter Weg ist, die Gesellschaft fit zu machen für Post COVID.  

Im Podium gab es seitens der Politiker große Zustimmung zur Bearbeitung von Veränderungsvorschlägen, beispielsweise in den Rahmenbedingungen für eine angepasste berufliche Wiedereingliederung. Simone Borchert, CDU, forderte neue Strukturen für die spezialisierte und ambulante Rehabilitation. Gemeinsam mit Tina Rudolph, SPD, sprach sie sich dafür aus, die „sprechende Medizin“ besser zu honorieren und die Kommunikation zwischen Arzt und Patient zu stärken. Alle drei Bundestagsabgeordneten stellten eine gesundheitspolitische Zusammenarbeit in Aussicht. Die Notwendigkeit, sich mit einer Zusammenarbeit der Ausschüsse für Gesundheit sowie Arbeit und Soziales zu befassen, wurde als Vorschlag aufgenommen. Es sollte Geld in die Forschung investiert werden, um gemeinsam bessere Strategien für kommende Pandemien zu entwickeln. 

Die beiden Kongresspräsidenten zeigten sich zufrieden mit dem 2. Long COVID Kongress in Jena. Prof. Stallmach, Direktor der Klinik für Innere Medizin IV, Gastroenterologie, Hepatologie, Infektiologie, Interdisziplinäre Endoskopie, Universitätsklinikum Jena: „Eine bessere Vernetzung zwischen den verschiedenen Leistungserbringern im Gesundheitssystem, den Hausärzt:innen, an der Rehabilitation und beruflichen Wiedereingliederung Beteiligten, aber auch den Kostenträgern, verbessert die Versorgung und Betreuung von Patient:innen.“ Prof. Dr. med. Martin Walter, Direktor der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum Jena und Präsident des Ärzte- und Ärztinnenverbands Long COVID: „Der Fokus auf die Beeinträchtigung der Teilhabe erscheint mir sehr angemessen. Hier müssen wir schon jetzt ansetzen, auch wenn kausale Therapien teilweise noch nicht verfügbar sind. Entsprechend sind es auch Lösungen, die ganz konkret in der Lebenswelt der Betroffenen ansetzen, bei der die medizinische Dimension eine sehr wichtige unter vielen weiteren Aspekten darstellt.“  

Weitere Informationen unter: long-covid-kongress.de 

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