In binationalen Nord-Süd-Tandems erforschen Studierende und Lehrende der Pädago­gischen Hochschule Karlsruhe und der Universität Yaoundé 1, welche kolonialen Einflüsse es an ihren Bildungseinrichtungen gibt, und initiieren Ideen und Aktionen, um diese zu überwinden. Bidirektionaler Ansatz und dekoloniale Praxis machen das Projekt einzigartig.

Die Kolonialzeit begann im 15. Jahrhundert, wirft aber immer noch lange Schatten. Auch Forschung und Lehre sowie Hochschulstrukturen in Deutschland sind nicht frei von kolonialen Einflüssen. Aber wie kann von Kolonialismus geprägtes Denken und Handeln dekonstruiert und überwunden werden? Diese Frage steht im Mittelpunkt des neunmonatigen Forschungsprojekts „Dekolonisierung von Wissensproduktion und Bildungssystemen in Deutschland und Kamerun“, das die Pädagogische Hochschule Karlsruhe (PHKA) und die kamerunische Universität Yaoundé 1 diese Woche gemeinsam starten.

Strukturen kritisch analysieren

Jeweils drei Studierende aus Deutschland und Kamerun werden bis Ende des Jahres in gemischten Tandems an der PHKA und der Universität Yaoundé 1 die Bildungskulturen beider Länder sowie die Strukturen, Internationalisierungsstrategien oder Lehrpläne beider Hochschulen kritisch analysieren, Workshops zur dekolonialen Wissensproduktion entwickeln und durchführen und dekoloniale didaktische Materialien entwickeln. Zunächst arbeiten die Tandems drei Monate an der PHKA, ab September dann drei Monate an der Universität Yaoundé 1.

Auch eine Studentin aus dem PHKA-Masterstudiengang Kulturvermittlung gehört zum Team, die anderen beiden deutschen Studentinnen sind in Marburg und Frankfurt immatrikuliert. Die Teilnahme an dem von PHKA-Professorin Dr. Isabel Martin initiierten und im Rahmen des Programms „Arbeits- und Studienaufenthalte“ (ASA) der Engagement Global gGmbH mit rund 15.000 Euro geförderten Projekts war deutschlandweit ausgeschrieben. Isabel Martin, Professorin für Englische Sprache und ihre Didaktik am PHKA-Institut für Mehrsprachigkeit, leitet das Projekt gemeinsam mit Dr. Eric Enon­gene Ekembe, Fachdidaktiker am Higher Teacher Training College der Universität Yaoundé 1.

Asymmetrische Machtdiskurse sichtbar machen

„Es ist wichtig, kolonial tradierte hierarchische Denkmuster einer kritischen Bewusstmachung und systematischen Analyse unterziehen. Dies muss zunächst beim eigenen Denken beginnen, am besten in gegenseitiger kritischer Spiegelung“, erläutert Prof. Isabel Martin. „Wir machen die asymmetrischen Machtdiskurse zwischen dem globalen Norden und Süden an unseren Hochschulstandorten aber nicht nur sichtbar und stellen sie zur Diskussion, sondern werden auch praktisch tätig“, so Martin. Zusätzlich zu den fächerübergreifenden Workshops führen die Studierenden-Tandems beispielsweise dekolonialen Unterricht an Karlsruher Schulen durch und erstellen dekoloniale Podcasts, Lehrvideos, Blogartikel und einen Kurzfilm in Zusammenarbeit mit dem Filmboard Karlsruhe. Außerdem bietet Prof. Martin im aktuellen Sommersemester im Fach Englisch ein neues Seminar für Lehramtsstudierende zum Thema „Decolonial Praxis“ an. Hier werden beispielsweise Einschreibungsverfahren, digitale Spracheinstellungen, Modulhandbücher, Unterrichtseinheiten, Lernziele und Literaturlisten kritisch unter die Lupe genommen.

Bidirektionaler Ansatz

Die im Forschungsprojekt entstehenden Ergebnisse und Vorschläge zur Dekolonisierung von Wissensproduktion und Hochschulstrukturen stellen die Studierenden-Tandems sowie Prof. Martin und Dr. Ekembe erstmals auf der ALA 2024 vor, der 17. Internationalen Konferenz der Association for Language Awareness (Gesellschaft für Sprachbewusstheit), die vom 7. bis 10. Juli 2024 an der PHKA stattfindet und vom Fach Englisch ausgerichtet wird. Außerdem geplant sind mehrere Vorträge von Projekt-Beteiligten auf internationalen Konferenzen sowie wissenschaftliche Veröffentlichungen. Auch PHKA-Bachelor- und Masterarbeiten entstehen im Rahmen des Forschungsprojekts.

„Leider ist die Beschäftigung mit Kolonialismus oft monodirektional. Das ist bei unserem Projekt anders. Wir haben einen bidirektionalen Ansatz, betrachten und reflektieren also die Thematik von beiden Seiten. Sowohl in den Studierenden-Tandems als auch auf Dozierendenebene“, erklärt Dr. Eric Ekembe, der vergangenes Jahr bereits als Gastdozent an der PHKA war. „Wir dekolonisieren uns sozusagen durch die Brille der anderen“, sagt der kamerunische Wissenschaftler. Und, so sein Appell: „Es ist an der Zeit zu handeln.“

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