„Der vom Bundesjustizminister öffentlich angekündigten Unterhaltsrechtsreform fehlt jeder Realitätsbezug, er konstruiert vielmehr ein bürokratisches Monster, mit unabsehbaren Folgekosten für den Staat“, meint Rainer Becker, Ehrenvorsitzender der Deutschen Kinderhilfe – Die ständige Kindervertretung e. V. Es höre sich erst einmal gut an, wenn der zu zahlende Kindesunterhalt an den anderen Elternteil in Relation zum jeweiligen Einkommen und dem Grunde nach an der Zahl der Betreuungstage orientiert werden soll, so Becker weiter. Aus seiner Sicht verkompliziert die Neuregelung die Unterhaltsregelungen jedoch massiv, indem sie kaum zu beantwortende Fragen aufwirft.
Hinzu kommt, dass Frauen in Deutschland bei gleicher Qualifikation ein deutlich geringeres Einkommen haben. 2022 lag der Verdienstunterschied bei 17,6 Prozent. Vorrangig sollten zunächst die Gehälter angeglichen werden, bevor man das Unterhaltsrecht reformiert. Sonst klafft die Schere zwischen Männern und Frauen noch weiter auseinander und das zu Lasten der Kinder.
Wie würde die Neuregelung etwa dem Fakt gerecht, dass der Elternteil mit der Hauptlast in der Regel die Kosten für Bekleidung, Schulbedarf, technische Ausstattung, Schulausflüge, Klassenfahrten, Schulfotos, Zuzahlungen für medizinische Notwendigkeiten, etwa Sehhilfen, Kosten für Hobbies und deren Ausrüstung (Sportkleidung, Musikinstrumente, Sportgeräte) oder Kindermöbel, Geburtstagsgeschenke für andere Kinder trägt? In welcher Höhe und an welchem Alter der Kinder orientiert, soll dies angerechnet werden?
Bereits heute gibt es Elternteile, die um das Sorgerecht bzw. die Aufenthaltsbestimmung streiten, um keinen Unterhalt mehr zahlen zu müssen und sogar Unterhalt vom anderen Elternteil zu erhalten, das Kindergeld zu beziehen und steuerlich besser dazustehen. Nur um die betroffenen Kinder scheint es dabei gar nicht zu gehen. Wenn jetzt sogar tageweise abgerechnet werden soll, ist neuer und mehr Streit vorprogrammiert. Streit, der sich nicht nur auf die Elternteile auswirkt, sondern natürlich auch und insbesondere auf die Kinder der Beteiligten.
Was ist eigentlich bei mehreren Kindern, die möglicherweise sogar unterschiedliche Väter haben? Wer soll das alles ausrechnen, überwachen und ggf. Streitigkeiten schlichten und monatlich abweichende Zahlungen berechnen? Die Jugendämter oder die Familiengerichte, die schon heute chronisch unterbesetzt und überlastet sind? Denkt der Minister an die zusätzlichen Kosten, die solche Verfahren nach sich ziehen werden? Wäre dieses Geld nicht besser in der Kindergrundsicherung angelegt, über deren Höhe Buschmanns FDP-Kollege Bundesfinanzminister Lindner mit der Bundesfamilienministerin streitet. Wenn neue flexiblere Unterhaltszahlungen an Betreuungstagen orientiert festgelegt werden sollen, wie sieht es dann mit anderen Zahlungen in diesem Kontext aus? Soll vielleicht auch das Kindergeld anteilig und vor allen Dingen wechselnd gezahlt werden? Was ist mit Steuerfreibeträgen, und bei Angehörigen des öffentlichen Dienstes mit den Kinderzuschlägen?
Oder will Herr Buschmann vielleicht auf diesem Wege ein alternatives Umgangsmodell implementieren, das Wechselmodell genannt wird? Das sogenannte Wechselmodell funktioniert aber nur, wenn sich alle Beteiligten und insbesondere die betroffenen Kinder einig sind und am selben Ort wohnen wollen. Ein Konsens hierüber dürfte mit zunehmendem Alter der Kinder in vielen Fällen nicht mehr funktionieren. Bereits heute ist ein einmal vereinbartes Wechselmodell der Anlass für etliche Sorgerechtsstreitigkeiten, unter denen besonders die Kinder zu leiden haben. Dem Grunde nach erfordert es eine Kommunikations- und Kompromissbereitschaft der beteiligten Parteien, wie sie mitunter nicht einmal in funktionierenden Paarbeziehungen gegeben ist.
Fakt ist, dass insbesondere Elternteile, die die Hauptlast der Erziehung tragen und eventuell sogar noch mehrere Kinder zu versorgen haben und vom Bürgergeld leben müssen, bei der angedachten Regelung noch weniger Geld zur Verfügung haben als der besserverdienende Elternteil.
„Anscheinend geht es einmal mehr nur ums Geld und die Interessen besserverdienender getrenntlebender Elternteile, während die Bedürfnisse der Kinder wieder auf der Strecke bleiben“, erklärt Rainer Becker, Ehrenvorsitzender der Deutschen Kinderhilfe – Die ständige Kindervertretung e. V. „Das bisherige System wahrte in einem gewissen Rahmen zumindest den Rechtsfrieden, der allerdings nicht immer mit Gerechtigkeit zu tun hatte. Warum soll dieser Rechtsfrieden nun ohne Not geopfert werden“, fragt Becker. „Aus meiner Sicht ist Buschmanns Vorschlag zur Unterhaltsrechtsreform ein Beispiel mehr für eine realitätsfremde Politik zu Lasten der Kinder.“
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