Es passierte am Nachmittag des 23. Juni 1864 auf dem Alten Garten in Schwerin: Gegen 15.30 Uhr gelingt es einem Leoparden, aus seinem Käfig aus „Kreutzbergs Menagerie“ auszubrechen. Gottlieb Christian Kreutzberg, der auch weibliche Dompteure im Löwenkäfig beschäftigte, bereist mit seiner Menagerie Mitte des 19.Jahrhunderts vor allem größere deutsche Städte, ist aber auch in Schweden und Russland unterwegs. Neben Großkatzen und Dickhäutern gehören auch Antilopen, Giraffen und Gürteltiere zu seinem Bestand. Um für sich Reklame zu machen, führt er schon mal kleinere Raubkatzen öffentlich auf den Straßen spazieren. Das ist eine der vielen Begebenheiten, von denen Detlev Dietze in seiner soeben bei der EDITION digital veröffentlichten Neuerscheinung „Ernstes und Heiteres aus der Residenzstadt Schwerin“ erzählt. Dazu holt er viele größere und kleinere, folgenreiche und weniger folgenreiche Ereignisse aus der Zeit zwischen den beiden deutschen Revolutionen von 1848 und 1918 aus der Tiefe der Geschichte hervor. So geht es um kaiserliche und großherzögliche Geburtstage, um Kriege, französische Kriegsgefangene und deutsche Verwundete sowie um Schweriner Denkmäler, Markttreiben, Straftaten und sehr verschiedene Todesfälle zu Wasser und zu Lande, aber auch um allerlei Gründe zum Feiern, die sich immer fanden, um das vielfältige Vereinsleben im 19. Jahrhundert, um Musikfeste und Theateraufführungen, Zirkusse, reisende Wachsfigurenkabinette, um verregnete Sommer und schlechtes Bier und um den Siegeszug von Fahrrad und Auto auf den Straßen der Residenz und nicht zuletzt um den recht beschwerlichen Start der Schweriner Elektrischen im Dezember 1908. Und was passierte nun mit dem ausgerissenen Leoparden? Wie Dietze berichtet, hätte seine Flucht leicht zu einer Katastrophe führen können: „Jeden Nachmittag hält sich auf dem Platz eine große Anzahl neugieriger Schulkinder sowie Kindermädchen mit ihren Schützlingen auf.“ Zum Glück aber können die Wärter durch Lärm und Geschrei das Tier einschüchtern und unter einen Wagen drängen. Mit Säcken, Strohballen, Brettern und Eisengittern wird der Bereich abgesperrt. „Nach Stunden gelingt es, den so verbarrikadierten Leoparden wieder in seinen Käfig zu locken. Ende gut, alles gut“, fasst  Dietze diesen aufregenden Nachmittag vor genau 155 Jahren zusammen und fügt abschließend humorvoll eine allgemeine Entwarnung für alle Landeshauptstädter sowie ihre Gäste, Besucher und Touristen hinzu: „Aber die Wahrscheinlichkeit, in Schwerin von einem wilden Raubtier gerissen zu werden, ist und bleibt doch eher gering.“ Und das ist doch sehr beruhigend, oder? 82 historische Ansichtskarten aus den Sammlungen des Autors und von Andreas Bendlin erleichtern dem Leser das Abtauchen in die Residenzstadt vor mehr als 100 Jahren. Das spannende Kaleidoskop aus der Schweriner Residenzgeschichte, dem auch ein Verzeichnis der Straßen und Orte sowie der Personen beigegeben ist, kann ab 1. Oktober unter edition-digital.de sowie im stationären und Online-Buchhandel gekauft werden.

Detlev Dietze, Jahrgang 1966, gebürtiger Schweriner und schon früh an historischen Themen interessiert, kann inzwischen auf zahlreiche Veröffentlichungen zur Geschichte seiner Heimatstadt in verschiedenen Publikationen verweisen. Dietze, der sein Wissen vor allem intensiven Recherchen in Archiven und Bibliotheken sowie weltweiten privaten Kontakten verdankt, wohnt in der Landeshauptstadt.

Detlev Dietze: Ernstes und Heiteres aus der Residenzstadt Schwerin

ISBN: 978-3-96521-158-2 (Buch), 978-3-96521-159-9 (E-Book)

172 Seiten, 13,80 Euro.

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