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Fehlerbeseitigung am PC

Ihr Rechner scheint kaputt, Ursache unklar, aber er wird heiß, und der Prozessor wird bereits langsamer. Um ihn nicht zu überhitzen, fahren Sie den Rechner sicherheitshalber herunter, lassen ihn abkühlen und tauschen sogar den Ventilator. Kaum, dass sie danach eine Temperatur messen, die wieder im erlaubten Bereich liegt, fahren Sie ihn wieder hoch und arbeiten weiter wie bisher.  

Bei einem so einfachen System haben Sie – zumindest bei ein bisschen Erfahrung mit PCs – eine gute Chance, dass das funktioniert – also wenn es nicht ein Virus ist oder das Lüfterkabel einen Bruch hat oder… Die eine verlorene Datei ist natürlich unangenehm, aber lässt sich mit ein bisschen Aufwand  gut ersetzen.

Fehlerbeseitigung in komplexen IT-Systemen

Ich komme aus der Welt der Rechenzentren und der Applikationsbetreuung. Da war das spätestens mit Einführung von Rechnernetzen und vernetzten Applikationen nicht mehr ganz so einfach. Professionelle Fehlerursachenforschung folgte dem Prinzip, eine Ursache nach der anderen auszuschließen. Sie war daher oft (zu) langwierig. Ungeduldige Applikationseigner machten die Sache für das technische Personal nicht einfacher, selbst wenn ihnen im Vorfeld von IT mehrfach gesagt worden war, dass sie sich auf mögliche Ausfallzeiten vorzubereiten hätten. Und gerade die, die im Vorfeld durch besondere Sparsamkeit aufgefallen waren, standen nun in der ersten Reihe der Kritiker und forderten Ersatzsysteme, technische Meisterleistungen und manchmal kleine Wunder.

In Zeiten von Corona kommen die Erinnerungen daran massiv hoch, und ich habe bei allen Unterschieden zwischen biologischen und technischen Systemen einen Verdacht, was die Gründe dafür sind, wenn ich die aktuelle Situation beobachte.

Manchmal konnte eine genaue Ursache nicht wirklich gefunden werden. Ein paar Kabel getauscht, eine Putzfrau (besser gesagt ihren Staubsauger) aus dem Rechnerraum entfernt, ein Update der Datenbanksoftware installiert, hochfahren und schon ging es weiter. Die Nutzer sagten „Seht Ihr, war doch ganz einfach“ und machten freudig weiter wie bisher mit Sparpolitik und dem Glauben an die Möglichkeit einer  unfehlbaren IT-Lösung. Nicht so die IT-Experten, die weiterhin Unkenrufe zum Besten gaben und die „Lösung“ als wackelig und unprofessionell empfanden.

Manchmal ging diese Strategie sogar auf. Das hatte den fatalen Effekt, dass weitere Nutzer sich am Sparprogramm und fehlenden Vorsorgemaßnahmen beteiligten. Der nächste Crash war nicht weit, und die Suche nach den Schuldigen trat meist wieder die IT. Irgendwann wurde deren Management ausgetauscht, oder die IT sogar „out-gesourced“. Nach einem kurzen Durchatmen aller Beteiligten stellten die ersten fest, dass nichts besser wurde aber teurer.

Wesentlich besser lief es, wenn bei diffuser Fehlerursache ein langsames und schrittweises Hochfahren möglich war und die Applikationseigner diesen Prozess unterstützten. Nur Teile der Applikation(en) wurden zur Verfügung gestellt, der Zugriff war nicht von überall möglich, sondern nur über ausgezeichnete Wege, die Anzahl der Nutzer wurde vorübergehend reduziert. Bei jedem weiteren Schritt des Hochfahrens wurde im Vorfeld diskutiert, welche Komponenten betroffen waren, welche Risiken mit welcher Bewertung es gab und wie lange es bis zum nächsten Schritt dauern würde. Traten in einem Schritt wieder Probleme auf, wurde die Situation davor restauriert und auf die entsprechenden Komponenten geschaut. So manches Mal kam dabei die Fehlerursache dann doch noch zum Vorschein, oder eine geänderte weitere Hochfahrstrategie führte dazu, dass das Problem einfach weg war – über die Gründe wurde dann heftig spekuliert – insbesondere unter denen, die wir die „Einäugigen“ nannten.

Rahmenbedingungen für professionelles Vorgehen

Eine wesentliche Voraussetzung für ein solches sukzessives Vorgehen war, dass alle Verantwortlichen an einem Strang zogen. Solch eine langwierige Prozedur traf manche Abteilung hart, gefährdete sogar ihr Kerngeschäft. Da war es unerlässlich, dass alle Managementfunktionen den operativen Kräften den Rücken freihielten. Scherte nur einer aus und versuchte unabgestimmte Sonderlösungen für bestimmte Nutzergruppen durchzusetzen, stockte im harmlosesten Fall der Prozess, im schlimmeren kam er ziemlich durcheinander. Es gab mehr als einmal den bekannten Effekt „Gehen Sie direkt zurück auf Los, ziehen sie nicht 4000 Euro ein…“.

Professionelles Vorgehen ist kein Gesellschaftsspiel

 Wie bei Monopoly gab es in diesem Fall am Ende Sieger und Verlierer. Nur ist bei Monopoly das Spiel entweder danach aus, oder bei der nächsten Runde versuchen die Verlierer zurückzuschlagen – so etwas ist in Gesellschaftsspielen harmlos. Im realen Leben wurde es damals schwieriger und da die „Sieger“ an ihre Vorgehensweise gewöhnt waren, wiederholte sich dann vieles unabhängig von der formalen Organisation.

So entstand eine Selektionsstrategie des Durchsetzens, die alles andere als hilfreich ist, und so mancher bereute im Nachhinein, dass er sich nicht dem Prozedere eines kontrollierten Hochfahrens angeschlossen hatte.

Und was hat das mit Corona zu tun?

Heute stehen wir mit Corona in einer ähnlichen Situation. Eine genaue „Fehlerursache“ ist noch nicht bekannt, fundierte Meinung steht gegen fundierte Meinung. Interessengruppen spielen beim Lockern eine zunehmend wichtigere Rolle. Zu den scheinbaren Siegern zählt der, der seine komplette Hochfahrstrategie durchsetzt. Dass durch dieses Vorgehen der Erfolg aller – auch der der durchsetzungsstarken Interessengruppen – gefährdet wird, wird ausgeblendet. Das IT-, äh Krankenhaus-Personal spielt noch mit, verliert aber bereits jetzt vermutlich einen großen Anteil seiner Motivation, keine gute Voraussetzung für mögliche Rückschritte oder schlimmere Szenarien.

Im Unterschied zu meiner früheren Profession wird sich allerdings kaum einer bei Nachbarn nach alternativer Beschäftigung umsehen, denn selbst der größte Skeptiker sieht von Ferne, dass es da keine persönliche Verbesserung geben wird.

Darin liegt unsere Chance, doch noch gemeinsam und ohne Partialinteressen vorzugehen, wir sollten sie nicht verschenken. Das ist gefährlich, in der Sache und weil es zum inneren Aussteigen von system-relevanten Menschen führt.   

Sicher stellen sich abschließend viele die Frage, ob IT-Systeme und unsere heutige Situation überhaupt vergleichbar sind. Nun, ich denke schon, denn die Wissenschaft zeigt, dass komplexe Systeme viele Gemeinsamkeiten aufweisen und Ungewissheit auch in IT-Systemen eine zunehmende Rolle spielt. Meine Meinung: Das ist eine Chance, Erfahrungen aus solchen Kontexten zu nutzen – derer gibt es viele, ob in IT, Atomkraftwerken, Medizin oder sonst wo.

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