„Der Gegensatz zwischen der trügerischen Marktruhe und der hohen Unsicherheit, was die Dauer der Krise und ihre langfristigen Auswirkungen betrifft, ist auffallend. Unserer Ansicht nach sind noch längst nicht alle Turbulenzen ausgestanden und Anleger sollten wachsam bleiben, da das aktuelle Marktniveau immer noch ein zu gutes und zu schnelles Ende der Krise einpreist. Das Rennen zwischen den drei Zyklen wird fortgesetzt.

Im Pandemiezyklus haben sich die Märkte auf das Narrativ verlassen, dass das Schlimmste in Europa und den USA hinter uns liegen könnte, mit steigenden Erwartungen an eine Abflachung der Ansteckungskurve. Wenn diese Hoffnungen sich nicht wie erwartet erfüllen, werden die Marktspannungen wieder auftauchen.

In wirtschaftlicher Hinsicht sind die enormen fiskalischen und monetären Maßnahmen wie eine Versicherungspolice für die nächsten sechs Monate. Sollte sich die Rezession jedoch als schlimmer als erwartet herausstellen, werden die Märkte mehr brauchen und jede Enttäuschung wird eine Korrektur auslösen. "Credit" wird abhängig von den Maßnahmen der Zentralbanken. Die Marktbedingungen haben sich verbessert, aber nicht normalisiert.

Beim Zyklus der Unternehmensausfälle, der entscheidend ist in einer Welt, in der es nach dem Rückgang der Covid-19-Krise noch mehr Schulden geben wird, haben die Märkte bereits eine erste Runde von Ausfällen eingepreist, jedoch keine zweite für Vermögenswerte, bei denen die Entwicklung traditionell langsamer verläuft. Der Kampf zwischen Liquidität und Zahlungsfähigkeit wird fortgesetzt, und US-Gewerbeimmobilien sind ein zu beobachtender Bereich. Das Missverhältnis zwischen Markthoffnungen und wirtschaftlicher und pandemischer Realität bestätigt unsere Überzeugung, dass dies eine Zeit ist, in der man vorsichtig bleiben sollte: Man sollte nicht den Bullen nachjagen, sondern schrittweise und selektiv auf Anlagethemen setzen, die besser auf einen langsamen Weg zur Erholung ausgerichtet sind.

Neben den Unsicherheiten in den drei oben genannten Zyklen, gibt es noch weitere Gründe, vorsichtig zu bleiben: Das Hauptrisiko, das im Mai erneut eskalierte, war ein Wiederaufleben der Rivalität zwischen den USA und China inmitten des „Virus Blame Games“, also gegenseitiger Schuldzuweisungen im Zusammenhang mit der Verbreitung des Corona-Virus. Zweitens ist das Ergebnis der US-Wahlen ungewiss. Drittens sind Emerging Markets hohen länderspezifischen Risiken ausgesetzt (Brasilien). Schlussendlich sind die langfristigen Konsequenzen von Covid-19 (Rückgang des Welthandels, Neuausrichtung der Politik zugunsten des Arbeitsmarkts, Transformation von Geschäftsmodellen und Beschleunigung von Trends, z. B. Smart Working) komplex und müssen weiterhin genau beobachtet werden.

In den beispiellosen letzten drei Monaten lag unser Fokus auf zwei Zielen: einerseits investiertes Kapital vor dauerhaften Verlusten zu schützen und gleichzeitig Raum für neue Investitionsmöglichkeiten zu schaffen. Dieser Zugang bleibt unverändert und Anleger sollten Folgendes bedenken:

·       Liquidität: Diese ist wichtig, um den Übergang von der tiefsten Phase der Krise zu einer ungewissen Erholung zu bewältigen. Die Krise hat deutlich gemacht, dass die Liquidität trotz der jüngsten Anzeichen einer Verbesserung ein wesentliches Kriterium für die Portfoliokonstruktion sein sollte. Tatsächlich bleibt die Liquiditätstiefe an den Kreditmärkten dünner und teurer als vor Covid-19. Wir denken, dass man etwas Liquidität für defensive und aggressive Strategien halten sollte, um sich in einigen Marktbereichen neu positionieren zu können, wenn sich Chancen ergeben.

·       Positive Haltung bei Investment Grade Unternehmensanleihen: Dieses Segment sollte von den Maßnahmen der Zentralbanken profitieren, der Primärmarkt kann hier ebenfalls Chancen bieten. Man sollte jedoch auf Branchen- und Unternehmensebene sehr selektiv bleiben und sich auf gute Bilanzen und Unternehmen konzentrieren, die dem wirtschaftlichen Lockdown standhalten können.

·       Konservative Risikoexposition bei Aktien vor dem Hintergrund weiterer Revisionen des Gewinnwachstums: Jeder Auslöser für Verbesserungen muss von einem Impfstoff oder einer möglichen Behandlung kommen, da nur diese Faktoren eine dauerhafte Erholung und eine positive Veränderung des Konsumentenverhaltens auslösen können.

·       Angesichts der steigenden geopolitischen Risiken ist Vorsicht bei den Emerging Markets geboten, Chancen könnten sich hier bei Unternehmensanleihen und bei asiatischen und chinesischen Aktien bieten. Jedoch ist die Entwicklung der Beziehungen zwischen China und den USA von entscheidender Bedeutung (die jüngsten Spannungen könnten die Marktstimmung beeinträchtigen). Der Unternehmensanleihenmarkt preist einen massiven Anstieg der Ausfälle ein, aber man sollte bedenken, dass viele der problematischsten Beispiele bereits auf ihre im Fall eines Ausfalls zu erwartenden Erlösquoten zurückgegangen sind und einige derzeit sogar umstrukturiert werden. Anleger sollten jene Unternehmen identifizieren, die erfolgreich einen Plan erstellen können, um aus der Notlage herauszukommen.

Covid-19 beschleunigt die wachsende Bedeutung von ESG: Während „E“ (Environmental) und „G“ (Governance) weiterhin ganz oben auf der Prioritätenliste stehen werden, wird der gesellschaftliche Fokus auf höhere soziale Gleichstellung, faire Behandlung der Arbeitnehmer und Sorge um ihre Gesundheit die wachsende Dominanz der „S“ (Social)-Komponente untermauern. Die Art und Weise, wie Unternehmen im Interesse aller Beteiligten und der Gemeinschaft handeln, wird eingehender geprüft werden. Dies wird zu einer stärkeren Auswirkung einiger ESG-Risikofaktoren auf die Aktienkurse führen, was aktiven Managern sowohl im Aktien- als auch im Anleihenbereich Chancen bietet.“

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