Das Internationale Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) befragte n=1.487 6- bis 19-Jährige, inwieweit sie die Video-App TikTok nutzen, und interviewte 204 Fans der App dazu, was ihnen besonders an der Video-Plattform gefällt, was sie auf TikTok machen und wo Problembereiche für Kinder und Jugendliche liegen. Es zeigt sich: TikTok ist unterhaltsam und vertreibt Langeweile, doch meist nutzen Kinder und Jugendliche die Video-App ausgesprochen naiv. Sie posten ihre Videos öffentlich, zeigen sich in sexy Kleidung und werden von Fremden angeschrieben und von Unbekannten kommentiert. Hier braucht es mehr Schutz von Anbieterseite und eine Stärkung der Medienkompetenz bei Kindern, Jugendlichen und Eltern.

Ein Drittel der 10- bis 13-Jährigen und die Hälfte der 14- bis 17-Jährigen in Deutschland nutzen zurzeit TikTok

TikTok ist aktuell bei Kindern und Teens die in der Reichweite am stärksten ansteigende App. Eigentlich ist die App erst ab 13 Jahren zugelassen, faktisch wird sie aber deutlich früher genutzt.

Zwischen 10 und 13 Jahren ist gut jede*r Dritte, danach jede*r Zweite (14 bis 17 Jahre), die/der zumindest manchmal die Video-App über das Smartphone nutzt. Die Mädchen sind hier nochmal aktiver als die Jungen. Damit gehört TikTok neben YouTube zu den großen Gewinnern der Coronakrise, was die Mediennutzung bei Preteens und Jugendlichen angeht.

Warum ist TikTok so erfolgreich?

TikTok gefällt durch seine kurzweiligen, unterhaltsamen und witzigen Videos. Es ist unkompliziert zu bedienen, bietet eine scheinbar unendliche Vielfalt und eignet sich besonders gut gegen Langeweile. Gelikt wird, was als Leistung gesehen wird und wo die Kinder und Jugendlichen sich wiederfinden. Besonders gefallen clevere Choreografien und visuell aufwendige Clips mit überraschendem Ende. Videos, in denen andere Nutzer*innen z. B. ihre Probleme mit dem Homeschooling beschreiben, entlasten vom eigenen selbstgemachten Druck in Coronazeiten. Über das Teilen und Verlinken von Videos lässt sich leicht Kommunikation mit Freund*innen herstellen.

Wenn Mädchen „tiktoken“

Selbst Videos zu posten, ist nur für einen Teil der regelmäßigen Nutzer*innen attraktiv und wenn, dann eher für Mädchen (37 %) als für Jungen (14 %). Mit dem Handy gedreht werden bei Mädchen meist Tänze oder Lip Sync, das lippensynchrone Nachsingen von Texten. Gerade wer meint, nicht tanzen zu können, findet hier einen Weg, sich trotzdem als „cool“ zu inszenieren. Häufig zeigen die Mädchen sich in ihren Videos in einem sexy Outfit, tanzen mit viel Hüftschwung und stellen mit der Kamera bzw. dem Zuschauenden eine intime Nähe her. Die Videos werden dann meist öffentlich, d. h. für alle sichtbar gepostet.

Mehr Jugendschutz und Medienkompetenz gefragt

Kinder und Preteens dürften eigentlich noch gar nicht auf TikTok aktiv sein (Altersfreigabe: 13 Jahre), doch die gelebte Medienpraxis ist eine andere. Problembereiche liegen bei TikTok weniger in einer emotionalen Überforderung durch unangemessene Bilder. Dennoch sagen 14 % der Mädchen und 5 % der Jungen, sie hätten hier Dinge gesehen, die sie lieber nicht gesehen hätten. Dazu gehören vor allem „Tierquälerei“, „Sexismus“, „Gewalt/Prügelei“ und „Ekelvideos“.

Als nicht ausreichend reflektiert kann der Umgang mit dem öffentlichen Posten eigener Bilder angesehen werden. Nur ein*e von vier regelmäßigen Nutzer*innen verändert die Grundeinstellung von TikTok, dass alles öffentlich zu sehen ist. Hier ist dringend mehr Medienkompetenz notwendig.

Die meisten Befragten haben positive Erfahrungen mit Follower*innen und Kommentaren, die sie bekommen, gemacht. Es gibt aber auch Fälle von Hate Speech und Account-Hacking, was die Mädchen – z. T. noch keine 13 Jahre alt – selbstverständlich als potenziellen Preis für die Selbstinszenierung hinnehmen.

Als beunruhigend ist einzuschätzen, dass nahezu jede fünfte 12- bis 13-Jährige, fast jede dritte 14- bis 17-Jährige und jede zweite 18- bis 19-Jährige schon einmal von Fremden angeschrieben wurde. Drei Viertel empfanden dies als angenehm, ein Viertel als unangenehm.

„Hier bedarf es mehr Schutz vor Hate Speech, Cybergrooming und Account-Hacking von Anbieterseite, aber auch einer Stärkung der Medienkompetenz bei den Kindern, Jugendlichen und ihren Eltern“, so Studienleiterin Dr. Maya Götz.

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