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Buchrezension: „Jesus – eine Weltgeschichte", Markus Spieker, Verlag Fontis-Brunnen Basel (11.
September 2020), 1004 Seiten, Gebundenes Buch 30,00 Euro, Kindle 27,00 Euro, ISBN-13: 978-3038481881, ISBN-10: 3038481882.

Der Historiker, Journalist und gelernte Drehbuchautor Markus Spieker traut sich was: Er rollt „die größte Geschichte aller Zeiten“ neu auf. Dazu schreibt er ein fast 1000 Seiten starkes Buch, für das er 7 Jahre benötigt. Darin will er nicht nur das Leben von Jesus von Nazareth erneut darstellen, sondern auch in die Zeitumstände einbetten und im großen Wurf die Weltgeschichte neu kolorieren (19). Dabei nimmt er Bezug auf geschichtliche Entwicklungen in der Zeitrechnung vor Christus und spätere Wirkungen der Jesusbewegung nach Christus. Spieker will die „Greatest Hits“ der Christenheit literarisch ausleuchten, er möchte zum Staunen bringen und auf das Gute, Wahre und Schöne hinweisen.

Durch Forschung der letzten Jahrzehnte angeregt, stellt Spieker fest: Es gibt „News“ von Jesus. Allerdings sind die von sensationsheischenden „Fakenews“ zu unterscheiden. Spieker sieht sein 12. Buch dabei nicht als neutralen Beitrag zur akademischen Forschung an, sondern als „Therapievorschlag“ für das christliche Abendland, das von kultureller Amnesie und Identitätsverlust bedroht ist. Das Buch wurde für ein interessiertes Nicht-Fachpublikum geschrieben. Dabei bleibt der promovierte Historiker nicht nur im Wissenschaftsjargon verhaftet, sondern kontrastiert diesen mit journalistischen Stilmitteln. Auch fürs erweckliche Predigen ist der Pfarrerssohn sich nicht zu schade. Sein Credo lautet: „Zurück zur ersten Liebe, zurück zu Jesus“ (17).

Prisma: Jesus – zum Inhalt

In drei Teilen mit insgesamt zwölf Kapiteln stürmt Spieker in großen Schritten durch die Weltgeschichte. Mit gründlich recherchiertem Detailwissen, Sprachwitz und einem Schuss Apologetik geht’s von der Antike bis in die Neuzeit und liefert auf dem Weg Blitzlichter aus den Epochen. Dreh- und Angelpunkt der Weltgeschichte stellt Jesus dar, auf den die Entwicklung der Weltgeschichte hinausläuft und speziell die Propheten der Bibel hindeuteten. Wie durch ein Prisma änderte sich an diesem Zeitpunkt die Bestimmung der Welt und eine neue Ära brach an. Viele spätere Entwicklungen wie die Ausbreitung des Christentums, die Reformation und spätere Erweckungsbewegungen lassen sich auf die Menschwerdung Jesu und ein neues Schriftverständnis zurückführen.

Spieker nennt verschiedene historische Persönlichkeiten und zeichnet skizzenhaft die historischen, theologischen und ethischen Entwicklungen nach. Dabei bleibt er nicht nur im gewohnten Rahmen, sondern denkt kritisch. Als Historiker räumt er mit allgemeinen, verbreiteten und populären Ansichten auf wie die “Goldenen Jahre des Islam“ (828), „das dunkele Mittelalter“, die „grausamen Kreuzzüge“ etc.. Als bekennender Christ benennt er schonungslos offen Missstände im christlichen Bereich wie theologische Streitigkeiten, Gewaltanwendung in der Mission und klerikalen Missbrauch. Auch scheut er sich nicht, das Böse zu benennen mit exponierten Vertretern wie der Marquis de Sade, Friedrich Nietzsche und Aleister Crowley.

Schisma: Jesus – zum Zeitgeschehen

In seinem Buch thematisiert der ehemalige ARD-Korrespondent neben den geschichtlichen Einzelheiten jedoch auch „das Spannungsverhältnis zwischen Glauben und den Herausforderungen der säkularen Gesellschaft“ (16). In Demut geschrieben zeigt er doch eine scharfe Sichte auf die Zustände dieser Zeit, die von Bequemlichkeit, Hedonismus und Selbstoptimierung gekennzeichnet ist. Spieker ruft zum Widerstand gegen einen Lebensstil auf „in der die perfekte Work-Life-Balance als höchstes Lebensziel gilt – und in der Influencer statt Heilige die Richtung vorgeben“ (956).

Obwohl Spieker manch strittiges Thema wie den christlichen Fundamentalismus oder die Jungfrauengeburt bemüht sachlich darstellt, sagt er an anderen Stellen deutlich seine Meinung. Mit kompromissloser Leidenschaft versucht Spieker bewusst nicht objektiv zu schreiben, sondern bewertet schonungslos das Weltgeschehen. So wird beispielsweise wenig Sympathie für die Botschaft des Islam entgegengebracht. Außerdem wird für eine auf die Ehe und ihren Erhalt ausgerichtete Sexualmoral plädiert. Dies „kollidiert mit dem Verbot, andere Glaubens- und Lebensformen zu diskriminieren“ (957), was die Lektüre herzhaft macht, im doppelten Sinn und nicht jedem schmecken wird.

Charisma: Jesus – zum Nachdenken

Zum Schluss des Buches kredenzt Spieker sein Manual „How to meet Jesus“. Darin beschreibt er in zwölf Punkten den Weg aus der Egomanie zu Jesus hin. Er wirbt darin für das „Joch des Christen“ und verschweigt weder die hohen moralischen Ansprüche noch den christlichen Absolutheitsgedanken. Keine leichte Kost, doch hier schreibt ein von seinem Ich bekehrter Mensch fundiert und faktenreich über seinen Gott und dessen Wirken in dieser Welt ohne die „Denkvorgaben der Welt“ (892) zu beachten.

Nicht konfessionsgebunden doch mit erkennbarem evangelikalem Einschlag stellt das Buch eine gelungene Verbindung von Geschichte und Journalismus dar. Der Sinn für Dramatik ist erkennbar in einer überzeugenden Gliederung mit knalligen Überschriften, was beim Lesen eine gewisse Sogwirkung entstehen lässt. Allerdings wirkt manches Kapitel durch die Knappheit wie eine bloße Aneinanderreihung von Schlagwörtern. Es fehlen zuweilen Zwischenüberschriften, die die Orientierung vereinfacht, das Lexikale jedoch noch betont hätten. Diese schnellen Blitzlichter der Geschichte lassen ein epochales Kopf-Karussell drehen, das zuweilen durch sein Tempo Schwindel verursacht.

Spiekers Weltgeschichte ist ein Buch, das tief in der Geschichte und im menschlichen Herzen schürft, um göttliche Wahrheiten an die Oberfläche zu bringen, die allzu oft von kritischen akademischen Studien und menschlichem Egozentrismus überwuchert wurden. Ein Buch, das (Herzens-)Bildung durch geschichtliche Bezüge und klare moralische Standpunkte transparent und greifbar macht. Ein starkes Buch, das durchaus auch als Widerstand gegen den Zeitgeist verstanden werden kann. Nach fast 1000 Seiten Dauerlauf durch die Geschichte lässt es den Lesenden etwas atemlos zurück: informiert, orientiert und, ja, auch etwas erstaunt.

Claudia Mohr

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