„In der modernen Geschichte ist das Jahr 2020 ohne Beispiel: Die Pandemie hat die Welt in die tiefste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg gestürzt, die nach Angaben der Weltbank so viele Länder wie zuletzt in den 1870er-Jahren gleichzeitig getroffen hat. Die Auswirkungen sind zum Teil irreversibel. Die Welt, wie wir sie vor der Pandemie kannten, wird ziemlich sicher nicht mehr zurückkehren. Die Hoffnung auf eine schnelle Verteilung von Impfstoffen, weitere Konjunkturmaßnahmen und eine geopolitische Entspannung wirken einer Deflation entgegen, trotz Rezession konnten die meisten Märkte das Jahr daher mit Gewinnen beenden. Die Reflation könnte sich auch zu Beginn des neuen Jahres fortsetzen; um jedoch Blasen zu vermeiden und ihre Portfolios im richtigen Moment umzustellen und krisenfester zu machen, sollten Anleger nach unserer Auffassung vier Faktoren beachten:

Faktor 1: Der Impfstoff

Hinter der letzten Kursrallye steckt der blinde Glaube an den Erfolg von Impfstoffen und die kühne Annahme, es bliebe alles beim Alten. Hier liegt die erste Risikoquelle, und dies nicht nur, weil die Produktion und Verteilung von Impfstoffen in großem Maßstab kein triviales Unterfangen sind, sondern auch, weil die Märkte davon ausgehen, dass ein Großteil der Bevölkerung tatsächlich geimpft wird. Die Idee einer zum Greifen nahen Normalität ist aber vermutlich ein Trugschluss – und das dürfte die ganzen Probleme ans Tageslicht bringen, die kennzeichnend für den stotternden Neustart sind. Der Start der Impfungen spricht für eine weitere Erholung der Märkte, Aktien sollten gegenüber Hochzinsanleihen im Vorteil sein. Value-Aktien (wertorientierte Aktien) dürften besonders von dieser Rotation profitieren; in den besonders überteuerten Growth-Segmenten (wachstumsorientierte Aktien) drohen bei einer Reflation dagegen erhebliche Blasen, weshalb Anleger hier vorsichtig sein sollten.

Faktor 2: Die Konjunkturmaßnahmen

Regierungen und Notenbanken halten die Wirtschaft am Laufen, die bisherigen Maßnahmen sind jedoch aus unserer Sicht unzureichend (vor allem auf Regierungsseite) und auch nicht immer gezielt oder sorgfältig austariert. Ein Ende der Maßnahmen scheint undenkbar, im Gegenteil: Die Notenbanken werden vermutlich noch stärker eingreifen müssen, außerdem unterschätzen die Märkte nach unserer Auffassung das Risiko politischer Fehler. Andererseits dürfte irgendwann auch die Inflation anziehen. Per Jahresende 2020 lagen die Renditen auf zehnjährige Treasury-Anleihen (US-Staatsanleihen) wieder zwischen 0,90 und 0,95%. Sollte mit dem Aufschwung auch die Inflation steigen, könnten die Renditen weiter anziehen und an den Märkten einen Dominoeffekt auslösen. Wir erwarten keine hohen Inflationsraten schon in nächster Zeit, doch boomende Immobilienmärkte, Verlagerungen von Lieferketten und riesige Sparvermögen, die die Nachfrage anheizen, könnten die Null-Inflation dauerhaft aufheben. Im Falle abrupter Renditeschwankungen dürfte die US-Notenbank Fed eingreifen und die Zinskurve kontrollieren. Um wachsende Risiken durch Positionen mit einer langen Duration (durchschnittliche Kapitalbindungsdauer) zu vermeiden, sollten Anleger die Inflation im Auge behalten.

Faktor 3: China

China hat sich als einzige große Volkswirtschaft bereits im Jahr 2020 vollständig erholt und dürfte auch 2021 schneller wachsen als der Rest der Welt, wovon die asiatischen Schwellenländer, aber auch Europa mit seinenengen Handelsbeziehungen zu China und Asien profitieren würden. Zu Jahresbeginn könnte aus unserer Sicht daher eine Aktienallokation in Schwellenländern (insbesondere Asien und China) eine Überlegung wert sein. Trotz der großen Kurssprünge im vergangenen Jahr sehen wir Raum für weiteres Wachstum, insbesondere in Marktsegmenten, die von steigender Binnennachfrage profitieren.

Faktor 4: Der Marktkonsens

Das größte Risiko am Markt geht heute vom Marktkonsens selbst aus. Der Berg negativ verzinster Schulden wächst rasant, weshalb die Jagd nach Rendite extreme Formen annehmen dürfte. Die Versuchung, in riskantere Anleihen umzuschichten, ist ebenso groß wie die Verlockung einer Wette auf dauerhaft niedrige Zinsen. In Anbetracht der knappen Liquidität im System ist diese Strategie jedoch gefährlich, wie wir meinen. Größte Bedeutung hat sorgfältige Auswahl, Anleger sollten nach unserer Auffassung dabei jedoch das gesamte Kreditspektrum im Auge behalten. Bezieht man auch private Märkte ein, bietet sich Anlegern mit dem entsprechenden Zeithorizont ein großes und diversifiziertes Anlageuniversum. Aus unserer Sicht könnte es Sinn ergeben, Investitionen in renditestarke Hochzins- und Schwellenländer-Anleihen (einschließlich Anleihen in Landeswährung) sowie Unternehmensanleihen durch liquide Staatsanleihen auszugleichen und Portfolien so zu diversifizieren, also zu streuen.

Ausblick

Das Umfeld für Aktien scheint zu Jahresbeginn günstig. Wegen der niedrigen Zinsen und knappen Risikoaufschläge sollten sich Anleger unserer Meinung nach auf sinkende Renditen am Rentenmarkt einstellen; um die Renditeziele dennoch zu erreichen, kann es nach unserer Auffassung Sinn ergeben, höhere Risiken einzugehen und die Aktienquote zu erhöhen. Im Zuge der Impfstoffverteilung könnte die Volatilität (Kursschwankungen) auch in Form von Stop-and-Go-Phasen zurückkehren, was die Bedeutung von weiteren Diversifizierungsquellen und Absicherungspositionen unterstreicht. Trotz positiver Prognosen rechnen wir mit einer holprigen Erholung. Für aufmerksame Anleger könnte 2021 aber ein Jahr zahlreicher Möglichkeiten werden.
Quelle: Global Investment Views January 2021. Weitere Information und aktuelle Berichte finden Sie im Amundi Research Center.

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