In Gebieten, in denen saisonale Trockenzeiten vorkommen, versammeln sich die Tiere in der Nähe der wenigen Süßwasserstellen und erreichen dort oft große Dichten. An diesen Orten treffen sich viele Tiere verschiedener Arten um zu trinken – sie könnten also eine Art Schlüsselstelle für die Übertragung von Krankheitserregern innerhalb und zwischen den Arten sein. Ein internationales Wissenschaftsteam unter der Leitung des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) vermutete, dass Viren die wenigen Süßwasserstellen als Übertragungsweg nutzen können, um sich zwischen Tieren zu verbreiten. Die Idee setzt voraus, dass Tierviren im Wasser stabil sind und infektiös bleiben. Das Team testete diese Voraussetzung, indem es Wasserlöcher in Ökosystemen Afrikas und der Mongolei mit ausgeprägten Trockenzeiten beprobte und dann versuchte, ausgesuchte Tierviren in diesem Wasser zu züchten. Die wissenschaftlichen Ergebnisse bestätigen, dass dies tatsächlich funktionierte und wurden in der Fachzeitschrift „Science of the Total Environment" veröffentlicht.

Die Verfügbarkeit von Süßwasser variiert geografisch und saisonal, wobei es in Gegenden wie Ostafrika und Zentralasien zu einem ausgeprägten saisonalen Wassermangel kommen kann (Trockenzeit). Wasserknappheit führt zu häufigen, flexiblen Ansammlungen zahlreicher Wildtierarten in der Nähe von Süßwasserstellen. Ziel der wissenschaftlichen Untersuchung war es festzustellen, ob Säugetierviren in solchen Wasserstellen in der Trockenzeit in ausreichendem Maße stabil sind und infektiös bleiben und somit über das Medium Wasser verbreitet werden können. Equine Herpesviren (EHV) wurden als Virusgruppe für die Untersuchungen ausgewählt, da bekannt ist, dass sie unter Laborbedingungen wochenlang im Wasser stabil und infektiös bleiben und sowohl in Afrika als auch in der Mongolei bei Wildtieren vorkommen. „Aus unserer bisherigen Arbeit, insbesondere mit Zebras in Afrika, wissen wir, dass Pferdeverwandte gestresst reagieren, wenn sie in Trockenzeiten zur Ansammlung gezwungen sind. Unsere Untersuchungen zu den Auswirkungen von Stress bei Zebras in menschlicher Obhut zeigten, dass Zebras bei Stress vermehrt EHV an ihre Umgebung abgeben. Das deutet darauf hin, dass die Tiere gerade dann, wenn sie dazu gezwungen sind, sich zu versammeln, am ehesten gestresst sind und dann Viren ausscheiden. Der Stress wirkt wie eine Art Signal auf das Virus und ermöglicht es ihm, in das Wasser zu gelangen und könnte dadurch mehr Individuen infizieren“, sagt Prof. Alex Greenwood, der Leiter dieser wissenschaftlichen Untersuchung.

„Die Ansammlungen können auch einige merkwürdige Ergebnisse bei Wildtieren in menschlicher Obhut und freier Wildbahn erklären, wie zum Beispiel die Infektion von Nicht-Pferdeartigen mit EHV, wie beispielsweise Nashörner", sagt Dr. Peter Seeber vom Leibniz-IZW, der Wasser- und Zebraproben in Ostafrika sammelte. „Wenn Nashörner das Wasser mit den Pferdeartigen teilen, sind sie wahrscheinlich dem Virus ausgesetzt", ergänzt Dr. Sanatana Soilemetzidou vom Leibniz-IZW, die Wasser- und Tierproben in der Mongolei sammelte.

Zur Überprüfung der Idee, dass Wasser ein Übertragungsweg für solche Viren sein könnte, wollte das Wissenschaftsteam nachweisen, dass EHV in typischen Wasserstellen stabil und lebensfähig bleiben. „Wir waren uns nicht sicher, was wir zu erwarten hatten, da die Kultivierung von Viren aus der Umwelt eine echte Herausforderung ist, wenn man bedenkt, wie viele andere Mikroben wachsen können, wenn man versucht ein Virus zu isolieren", sagt Erstautorin Dr. Anisha Dayaram vom Leibniz-IZW. Dayaram und ihren Kolleginnen und Kollegen gelang genau das, und zwar mit Wasserproben sowohl aus Afrika als auch der Mongolei. Unter Zellkulturbedingungen konnten sie zeigen, dass sich EHV tatsächlich vermehren und infektiös bleiben.

Dies könnte auch die Erklärung dafür sein, dass EHV eine überschaubare Evolution aufweisen. Generell neigen Viren dazu, sich schnell zu verändern, aber EHV veränderten sich wenig im Laufe der Zeit und sind in diesem Sinne überraschend stabil. Die in der Mongolei und in Afrika gefundenen EHV waren nahezu identisch mit denen der Hauspferde. Das deutet auf eine erhebliche Einschränkung oder einen Gleichgewichtszustand für die in Wasserlöchern gefundenen EHV hin. „Unsere Ergebnisse lassen vermuten, dass die Stabilität von EHV im Wasser das Ergebnis eines langen evolutionären Prozesses ist, der dazu führte, dass solche Viren wirklich an die Nutzung von Wasser als Übertragungsweg angepasst sind", erklärt Koautor Dr. Alexandre Courtiol, vom Leibniz-IZW.

EHV sind nicht die einzigen Viren, die durch Wasser übertragen werden können. Weitere Untersuchungen sollten überprüfen, ob auch andere Viren mithilfe von Wasser als Übertragungsweg übertragen werden. Die aktuelle Untersuchung zeigt, dass für das Verständnis der Verbreitung und Evolution von Viren nicht nur die Interaktionen zwischen Viren und ihren Wirten berücksichtigt, sondern auch Umweltfaktoren bei der Betrachtung von Übertragungswegen mit einbezogen werden sollten.

Publikation
Dayaram AS, Seeber P, Courtiol A, Soilemetzidou S, Tsangaras K, Franz M, McEwen G, Azab W, Kaczensky P, Melzheimer J, East ML, Ganbaatar O, Walzer C, Osterrieder N, Greenwood AD (2021):
Seasonal host and ecological drivers may promote restricted water as a viral vector. SCI TOTAL ENVIRON 773, 145446. doi:10.1016/j.scitotenv.2021.145446.

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