Die Corona-Pandemie hat die deutschen Staatsschulden nicht nur kurzfristig in die Höhe getrieben, sondern verschlechtert die fiskalischen Perspektiven auch langfristig. Das zeigen aktuelle Berechnungen der Stiftung Marktwirtschaft und des Forschungszentrums Generationenverträge der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg zur deutschen Generationenbilanz. Aktuell beläuft sich die fiskalische Nachhaltigkeitslücke aus expliziten und impliziten Staatsschulden auf 439,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) – das sind 94,2 Prozentpunkte mehr als noch vor einem Jahr. In absoluten Zahlen beträgt der Gesamtschuldenstand aller staatlichen Ebenen inkl. der Sozialversicherungen damit ca. 14,7 Billionen Euro (vgl. Abb. 1). Hinter den impliziten Schulden verbergen sich alle durch das heutige Steuer- und Abgabenniveau nicht gedeckten staatlichen Leistungsversprechen für die Zukunft, nicht zuletzt diejenigen der Sozialversicherungen und Beamtenversorgung. Da die impliziten, d.h. heute noch nicht direkt sichtbaren, Staatsschulden stärker als die expliziten gestiegen sind und nun bei 369,5 Prozent des BIP liegen, weist der Staat nicht einmal ein Sechstel der Nachhaltigkeitslücke offen aus.

Während die durch die Corona-Pandemie verschlechterte Wirtschaftslage bereits im letztjährigen Sommer-Update berücksichtigt wurde, resultiert die aktuelle Verschlechterung der Nachhaltigkeitslücke vor allem aus den zahlreichen Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen, die die Politik seitdem beschlossen hat, um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie abzumildern. „Auch wenn manche Maßnahmen angesichts der Umstände notwendig waren, werden sie die öffentlichen Kassen auf Jahre hinaus belasten. Darüber hinaus wäre an der einen oder anderen Stelle deutlich mehr Augenmaß und fiskalischer Realismus angebracht gewesen“, mahnt Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen, Vorstandsmitglied der Stiftung Marktwirtschaft. Insgesamt hat sich die Nachhaltigkeitslücke im Vergleich zur Situation vor der Corona-Pandemie fast verdoppelt. Besonders kritisch bewertet Raffelhüschen in diesem Zusammenhang die jüngste Pflegereform, die nicht nur die Nachhaltigkeitslücke der Sozialen Pflegeversicherung erhöht, sondern durch den neu eingeführten Bundeszuschuss zusätzlich die Gebietskörperschaften belastet. „Mit der Pflegereform wurde die aufgrund der voranschreitenden Bevölkerungsalterung seit Jahren diagnostizierte Unwucht in den Staatsfinanzen sehenden Auges noch einmal verstärkt“, betont Raffelhüschen.

Zudem sind die Versorgungsausgaben für pensionierte Beamte seit der Jahrtausendwende deutlich angestiegen – allein im letzten Jahrzehnt um 50 Prozent. Die zeitgleich sinkenden Zinsausgaben haben zwar bisher ein stärkeres Anwachsen der Haushaltsdefizite bei Bund und Ländern verhindert. „Vor allem für die westdeutschen Bundesländer, die im Durchschnitt über 15 Prozent ihrer Steuereinnahmen für Versorgungsausgaben aufwenden müssen, kann die Situation aber schnell problematisch werden, falls das Zinsniveau wieder steigt“, gibt der Finanzwissenschaftler zu bedenken (vgl. Abb. 2). In den kommenden Jahren sei zunächst mit einem weiteren Anstieg der Versorgungsausgaben zu rechnen, bevor es ab den 2030er Jahren zu einer Stabilisierung und einem leichten Rückgang der realen Ausgaben kommen könnte.

Vor dem Hintergrund der anstehenden Bundestagswahl zeigt sich Raffelhüschen enttäuscht über die ökonomischen Zukunftspläne der Parteien. „In ihren Wahlprogrammen liefern die Parteien fast durchgehend keine adäquaten Antworten auf die demografisch bedingten finanziellen Herausforderungen der sozialen Sicherungssysteme. Im Gegenteil: Viele der sozialpolitischen Vorschläge – wie etwa eine dauerhafte Haltelinie für das Rentenniveau – würden zu einer noch stärkeren Belastung junger und zukünftiger Generationen führen und den Beitragssatz zur Rentenversicherung auf über 25 Prozent ansteigen lassen. Anstatt zukunftsorientierte Reformen zum Wohle aller Generationen voranzubringen, wirkt die Politik in ihrer Fokussierung auf die Mehrheit der älteren Wähler geradezu apathisch“, konstatiert Raffelhüschen.

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