Nach drei rundum mit aktuellen Informationen, anregenden Vorträgen und komplexen Diskussionen angefüllten Tagen ging der 31. Deutsche Hautkrebskongress erfolgreich zu Ende. Über 1.000 Teilnehmer verfolgten den hybriden Fachkongress mit dem Fokus auf neuen Strategien in Diagnostik und Therapie beim malignen Melanom und anderen bösartigen Hauttumoren. Es war ein rundum gelungenes dermato-onkologisches Update für Mediziner und das beteiligte Behandlungsteam auf hohem Niveau mit aktuellen klinischen Daten und vielen neuen Erkenntnissen, wie Kongresspräsident Dr. Peter Mohr, Buxtehude, betonte – vor allem für Hautkrebs in fortgeschrittenen Stadien, sowohl des Melanoms als auch epithelialer Hautkrebsarten. 

Der 31. Deutsche Hautkrebskongress der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie (ADO), der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft fand in einem hybriden Format statt. Ein Großteil der wissenschaftlichen Sitzungen wurde aus dem 23. Stock des Emporiotowers im Studio Hamburg gestreamt. Bei den Live-Präsentationen und -Diskussionen der Wissenschaftler und Ärzte mit Hauptvorträgen, der Leiter und Leiterinnen der Symposien bekamen die Teilnehmer und Teilnehmerinnen mit dem Panoramablick im Hintergrund gleichzeitig auch einen Hauch Hamburger Flair mit.  

Auszeichungen: Deutscher Hautkrebspreis und Fleur Hiege Gedächtnisehrenpreis  

Erstes Highlight zur Kongresseröffnung waren die Preisverleihungen. Der mit 10.000 Euro dotierte 17. Deutsche Hautkrebspreis 2021 wurde von Prof. Dr. Roland Kaufmann, Frankfurt am Main, an PD Dr. Sebastian Haferkamp, Regensburg verliehen. Um die Hautkrebsforschung zu unterstützen, wurden von der „Hiege Stiftung – die Deutsche Hautkrebsstiftung“ in den letzten 15 Jahren seit ihrer Gründung rund 2 Mio Euro eingesetzt. Im Anschluss an die Vorstellung und Würdigung des persönlich anwesenden Ehepaares Hiege durch den 1. Vorsitzenden der ADO Prof. Dr. Ralf Gutzmer, Minden, wurde von Prof. Dr. Axel Hauschild, Kiel, der mit 10.000 Euro dotierte Fleur Hiege Gedächtnisehrenpreis an Prof. Dr. Dirk Schadendorf, Essen, für seine herausragenden Verdienste als ehemaliger Stiftungsvorstand verliehen. Als international bekanntester Dermato-Onkologe war er an den Erfolgen der Hautkrebsforschung in den letzten Jahren maßgeblich beteiligt. 

Verbesserte Strategien in Diagnostik und Therapie 

„Die rasante Entwicklung auf dem Gebiet der Hauttumore geht weiter“, betonte Kongresspräsident Dr. Peter Mohr. Mit wissenschaftlichen Beiträgen von der Grundlagenforschung bis zu Updates aus der klinischen Dermato-Onkologie und neuesten dermato-onkologischen Studien umfasste das umfangreiche interdisziplinäre Programm den aktuellen Wissensstand des Fachbereichs. 

Tagungssekretär Prof. Dr. Christoffer Gebhardt, Hamburg, wies darauf hin, dass der Kongress insbesondere im Bereich des Melanoms Weiterentwicklungen der adjuvanten und neoadjuvanten Tumortherapie in den Fokus gerückt hat: „Das waren heiß diskutierte Themen!”  Seitdem 2018 für Patienten nach operativer Entfernung des Primärtumors und kompletter Metastasenresektion für das Stadium III zwei PD1-Antikörpertherapien und eine Kombination aus sogenannten zielgerichteten Therapien (BRAF- und MEK-Inhibitor) zugelassen und etabliert sind, wurde eine Reduktion des Wiederauftretens der Erkrankung um 50% erreicht. Wie Präsentationen positiver Studien verdeutlichten, versucht man diese Erfolge jetzt auch im Stadium II zu erreichen. Eine Zulassung könnte schon im nächsten Jahr erfolgen. Nach Prof. Gebhardts Überzeugung “good news” für Patienten auch schon im frühen Stadium des Melanoms „in der Hoffnung, dass wir mehr Patienten vor dem nächsten Schritt in das Stadium III oder ins Stadium IV der Fernmetastasierung bewahren können und – damit verbunden – verhindern können, dass Patienten an dem Melanom versterben!” 

Weitere hoffnungsvolle Entwicklungen gab es in der Neoadjuvanz, ein erfolgversprechendes Konzept für Melanompatienten seit zwei Jahren. Bis zu 80% der Patienten mit operablen Metastasen in Haut- und Lymphknoten, die eine Immuntherapie mit Checkpoint-Blockaden vor ihrer OP erhielten, sprachen darauf an und erreichten zum großen Teil eine pathologische Komplettremission. „Es gelang, bei diesen Patienten, die Tumorzellen in der sichtbaren Metastase komplett zu zerstören”, so Prof. Gebhardt, „ein vielversprechendes Therapiekonzept für diese Patienten, die dann eine anschließende adjuvante Therapie möglicherweise nicht mehr benötigen.” In verschiedenen Vorträgen wurden Nebenwirkungen dieser Therapien vorgestellt, die mit den Erfolgen in Einklang gebracht werden sollten. 

Weitere neue Strategien beim Melanom in fortgeschrittenen Stadien stellen verschiedene Kombinationsmöglichkeiten von Immuntherapie und zielgerichteter Therapie dar. „Der Kongress war geprägt vom Stand nach 10 Jahren Immunonkologie”, so Prof. Dr. Carola Berking, Erlangen. „Das Melanom ist der erste Tumor, bei dem die Checkpoint-Inhibitoren ihre Wirkung demonstriert haben und man zeigen konnte, dass sie nicht nur Tumorprogression verhindern, sondern auch Langzeitüberleben bieten.” Mit Spannung wurden Präsentationen zu einem neuen Checkpoint-Blocker verfolgt, von dem Patienten mit fortgeschrittenen inoperablen Melanomen möglicherweise profitieren könnten: „LAG-3 ist jetzt in aller Munde”, so Prof. Berking. Der Antikörper, der sich gegen das Lymphozyten-Aktivations-Gen 3 richtet, zeigte in der Kombination mit einem schon bewährten PD1-Blocker in aktuellen Studien so gute Daten, dass möglicherweise die Zulassung eines dritten Checkpoint-Blockers bevorsteht – „ein Highlight, das heiß besprochen wurde!” In einer Phase-3-Studie wurde gezeigt, dass die Kombination zweier abgestimmter Wirkstoffe, anti-PD-1 und anti-LAG-3, das progressionsfreie Überleben signifikant verlängern konnte.  

Vor dem Hintergrund der besseren Überlebensaussichten und des frühen Therapiebeginns standen nun mögliche Vorsorgemaßnahmen vor der Therapie im Fokus. Eine eigene Session beschäftigte sich mit dem wichtigen Thema Fertilitätserhalt mit Blick auf Patientenaufklärung und kurzfristige   Vermittlung zu entsprechenden Kinderwunschzentren und Andrologen vor Therapiebeginn. 

Personalisierte Therapien durch Kombination mehrerer Wirkstoffe  

Ein weiterer wichtiger Fokus des Hautkrebskongresses lag auf einer zunehmend personalisierten Behandlung von Hautkrebs. Dazu wurden viele neue Ergebnisse bei der Sequenzierung von Immuntherapien und zielgerichteter Therapie und bei der Kombination mehrerer Wirkstoffe vorgestellt. Beim Basalzellkarzinom und beim Merkelzellkarzinom wurden die größten Fortschritte bei der immunologischen Behandlung der fortgeschrittenen Erkrankung gesehen. Von weiteren neuen Substanzkombinationen wurde berichtet, die derzeit in der klinischen Erprobung sind. 

Wenn beim metastasierten und inoperablen Basalzellkarzinomeine Bestrahlung nicht mehr möglich ist, kann seit einigen Jahren eine zielgerichtete Therapie in Tablettenform eingesetzt werden, sogenannte Hedgehog-Inhibitoren. Studien konnten nun belegen, dass die Patienten nach Resistenz von Hedgehog-Blockern von einem PD-1-Inhibitor profitieren können. „Das Neue ist, dass die Checkpoint-Blocker auch in diesem Tumor besonders gut wirken”, wie Frau Prof. Berking betonte. Durch eine erhöhte Aktivität des Immunsystems kann dieses sich gegen das Tumorgewebe richten. „Seit dem erfolgreichen Einsatz beim fortgeschrittenen Basalzellkarzinom sind wir davon überzeugt, dass diese Therapie aufgrund des guten Nebenwirkungsprofils auch schon in der Erstlinie bei fortgeschrittenen Fällen ein guter Ansatz sein könnte.“ 

Beim Plattenepithelkarzinom wurde vor einem Jahr ein PD1-Inhibitor als Erstlinienbehandlung zugelassen, der in einem Update der S3-Leitlinie zum Plattenepithelkarzinom und zu Aktinischen Keratosen der Haut als Erstlinientherapie bei inoperablen Fällen empfohlen werden soll. 

Eine weitere aktuelle Zulassung wurde zur Behandlung der Aktinischen Keratosen erteilt. Mit der neuen Salbe mit dem Wirkstoff Tirbanibulin sei es möglich, diese Krebsvorstufen – meistens im Gesicht und an der Kopfhaut – flächig und effektiv zu behandeln. Frau Prof. Berking wies darauf hin, dass Aktinische Keratosen bei hellhäutigen Menschen extrem häufig auftreten, wahrscheinlich schon bei jedem dritten über 70 Jahre. 

Empfehlungen für risikoadaptiertes Hautkrebsscreening  

Sorge bereitete der deutliche Einbruch bei den Vorsorgeuntersuchungen. „Im Frühjahr vergangenen Jahres kamen teilweise bis zu 50 Prozent weniger Patienten zum Hautkrebsscreening“, so Dr. Mohr. Mit der Folge, dass sowohl bei niedergelassenen Dermatologen als auch in der Klinik „im Jahr 2020 im Schnitt deutlich dickere Melanome als noch im Jahr 2019“ festgestellt wurden. Es sei davon auszugehen, dass damit auch eine Verschlechterung der Situation insgesamt entstanden ist. Nicht nur Melanomerkrankungen stiegen weiter an, auch die hellen Hautkrebsarten, Basalzellkarzinom, Merkelzellkarzinom und Plattenepithelkarzinom seien in den letzten 5 Jahren um rund 30 % in der Inzidenz gestiegen – eine bedenkliche Entwicklung: „Das bedeutet, dass wir für viele dieser Tumore in den nächsten Jahren mit einer erhöhten Mortalität von etwa 5 – 10% rechnen müssen.“ Auch finanzielle Konsequenzen wurden diskutiert. Mit Blick auf Australien als Vorbild, wo die Behandlung von Hautkrebs schon den stärksten Kostenfaktor im Gesundheitssystem darstellte, könnten sich in Deutschland die Kosten durch bessere Nutzung des Hautkrebsscreenings reduzieren lassen.  

Das Hautkrebsscreening, das für Patienten ab 35 Jahren alle zwei Jahre als Kassenleistung übernommen wird, wurde für Risikogruppen mit einer erhöhten Hautkrebsinzidenz mit verkürzten Untersuchungsintervallen empfohlen: bei extrem sonnenempfindlichen Menschen, bei sehr vielen Muttermalen oder bei Hautkrebs in der Familie. Frau Prof. Berking wies auch auf das wesentlich erhöhte Risiko bei immungeschwächten und älteren Menschen hin, einen Hautkrebs zu entwickeln, der noch schneller in ein bösartiges Stadium übergeht, und plädierte für ein risikoadaptiertes Screening: „Es ist so noch nicht in Leitlinien implantiert, aber in der täglichen Praxis empfehlen wir den Patienten Untersuchungen in unterschiedlichen Intervallen, je nach persönlichem Risiko.“  

Künstliche Intelligenz bei der Hautkrebserkennung setzt sich durch 

Ein weiteres aktuelles Thema zur frühzeitigen Erkennung von Hautkrebs waren die zurzeit größten Fortschritte in der Diagnostik mit komplexen Kamerasystemen und der Anwendung von künstlicher Intelligenz. An 10.000 verschiedenen Hautveränderungen trainiert, seien diese Systeme in der Diagnose vielen Dermatologen schon überlegen und ein wichtiges zusätzliches Instrument, so Dr. Mohr: „Die ersten dieser komplexen Systeme sind bereits auf dem Markt, aber natürlich sehr kostenintensiv.“ Die Leistungen werden derzeit von den Krankenkassen noch nicht übernommen.  

Weitere Kongress-Highlights waren die Vorträge renommierter Keynote-Speaker. Beeindruckend war die herausragende Präsentation von Prof. Dr. Klaus Pantel vom Institut für Tumorbiologie am UKE Hamburg zum Thema Liquid Biopsy im Bereich der translationalen Krebsforschung. Ganz zentral bei dieser neuen, auf Blutuntersuchungen basierenden Diagnostikmöglichkeit ist der Nachweis von zirkulierenden DNA-Bruchstücken, die aus sterbenden Tumorzellen stammen. In wenigen Millilitern Blut nachweisbar, könnten sie einen Hinweis darauf geben, wie aktiv die Erkrankung ist und wie groß die Tumormasse im Körper ist. Der Nachweis des Verlaufs der Tumorzelllast könnte für ein mögliches Monitoringtool bei Patienten mit metastasierter Erkrankung auf das Ansprechen von Therapien genutzt werden, aber auch frühzeitig auf Resistenzen hinweisen, bei denen Therapien nicht bzw. nicht mehr wirken. In diesem zukunftsträchtigen Bereich wurden Studienkonzepte diskutiert und die Frage, wann diese Technologie auch in der Routine anwendbar sein könnte.  

Hochaktuelle Diskussion: mRNA-Vakzinierung bei Hautkrebs 

Ein hochaktuelles Diskussionsthema war die Entwicklung der mRNA-Vakzinierung. Das Konzept, von den deutschen Firmen Curevac und BioNTech ursprünglich mit dem Ziel der Tumorimpfung entwickelt, versucht aufgrund spezifischer, individueller Mutationen für Patienten ein personalisiertes mRNA-Vakzin herzustellen. Damit verbunden ist die Hoffnung auf ein neues Therapiekonzept bei Hautkrebs, möglicherweise auch zusammen mit Immuncheckpoint-Inhibitoren.  

Workshops und praxisbezogene Kurse an drei Tagen sowie ein vorgelagertes, zweitägiges Nachwuchsretreat rundeten das wissenschaftliche Programm mit Vorträgen, Sitzungen, Workshops und umfangreichem Industrieprogramm ab. Als großer Vorteil wurde angesehen, dass viele Präsentationen auch hinterher noch „on demand“ zur Verfügung stehen, so dass parallele Sitzungen auch im Nachhinein noch angeschaut werden könnten. Dies soll bis Ende des Jahres möglich sein. 

Ausblick: 32. Deutscher Hautkrebskongress 

Angesichts der bahnbrechenden Entwicklungen in der Therapie von Hauttumoren in den letzten Jahren und der immer noch weiter zunehmenden Hautkrebserkrankungen, die in den nächsten Jahrzehnten erwartet werden, war der 31. Deutsche Hautkrebskongress ein wichtiger Schritt, die Patientenbehandlung mit interprofessionellen Teams weiter zu optimieren. Die hochspannenden fachlichen Diskussionen werden fortgeführt beim 32. Deutschen Hautkrebskongress vom 14.09.2022 bis 17.09.2022 in Hannover. Weiterführende Informationen gibt es unter www.ado-kongress.de

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