Die eigene Garderobe gehört zum persönlichsten Besitz eines Menschen. Nichts ist uns körperlich näher. Neben ihrer praktischen Funktion ist sie außerdem ein nuancenreiches Mittel der Kommunikation und der Selbst­gestaltung. Die Ausstellung DRESSED. 7 FRAUEN – 200 JAHRE MODE stellt sieben modebewusste Frauen und ihre Garde­roben vor, be­ginnend im 19. Jahrhundert bis heute. Im Mittelpunkt stehen die Trägerin­nen, die zugleich Performerinnen und Konsumentinnen von Mode sind, ihre Persönlich­keiten und ihre Bio­grafien. Ob Haute Couture, Alltags-, Protest- oder Avantgardemode: So unterschied­lich wie die Lebensläufe sind auch ihre Kleider. Sie erzählen von Ehefrauen der gehobenen Gesellschaft, von einem durch Krankheit gezeichneten Dasein, von „Power Dressing“ und Selbst­bewusstsein in der Chefetage, von der Hamburger Punkszene und der widerständigen Ästhetik einer Kunst- und Designsammlerin.

Die Auswahl der Protagonistinnen erfolgte nicht nach Status oder Prominenz, sie bildet vielmehr eine möglichst große Vielfalt von weiblichen Lebensent­würfen und deren modischem Ausdruck ab. Ausgehend von der Sammlung Mode und Textil im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (MK&G) zeichnen rund 150 Kleidungsstücke und Accessoires sieben Lebens­­­linien sowie 200 Jahre Mode-, Emanzipations- und Zeitge­schichte nach. Sie stammen von bekannten Desig­ner*innen, Couturi*ères und Mode­ateliers wie Worth, Elsa Schiaparelli, Yves Saint Laurent, Yohji Yamamoto, Rei Kawakubo oder Martin Margiela, aber auch von ano­nymen Schneiderinnen und Haus­näherinnen. Ergänzt werden sie um bio­grafische Zeugnisse, Fotografien und Dokumente.

SIEBEN PERSÖNLICHKEITEN – SIEBEN GARDEROBEN
Das früheste Konvolut von ELISE FRÄNCKEL (1807–1898) besteht vor allem aus Accessoires und zeigt, wie modisch up to date sich die Senatorengattin aus dem holsteinischen Oldenburg um 1820 kleidete. Die Garderobe der Diploma­ten­gattin EDITH VON MALTZAN FREIFRAU ZU WARTENBERG UND PENZLIN (1886–1976) umfasst sowohl exquisite Abend- und Gesell­schaftstoiletten als auch elegante Tageskleidung aus den Jahren 1895 bis 1950. Das Leben und die Kleidung von ERIKA HOLST (1917–1946) sind vom Krieg und ihrer Tuberkuloseerkrankung gekenn­zeich­net. Ihre Garderobe enthält überwiegend Tageskleidung der Jahre 1935-45. Die Hamburger Galeristin und Museumsgründerin ELKE DRÖSCHER (*1941) trug zwischen 1968 und 1986 fast ausschließlich Prêt-à-Porter-Mode von Yves Saint Laurent und realisierte damit eine Form von „Power Dressing“. INES ORTNER (*1968), seit Mitte der 1980er Jahre in der Hamburger Punkszene aktiv, verbindet das Interesse an Mode mit ihrer gesellschafts­kritischen Einstellung in „selbstgebauten“, teilweise anarchischen Kleid-Objekten. ANGELICA BLECHSCHMIDT (1942–2018) war von 1989 bis 2002 Chefredakteurin der deutschen Vogue und repräsentierte mit ihrem gesamten Habitus die High-End-Produkte der internationalen Mode­häuser. Ihre „Berufskleidung“ waren schwarze Cocktailkleider in Kombination mit großformatigem Modeschmuck. Die Kunst- und Designsammlerin ANNE LÜHN (*1944) hat dem MK&G über viele Jahre Einzelstücke aus ihrer Garderobe überlassen. Die häufig asymmetrischen Entwürfe einer internationalen Design-Avantgarde zeigen eine widerständige Ästhetik.

ENTWICKLUNG DER MODE
Die ausgewählten Konvolute werfen Schlaglichter auf die Entwicklung der Mode seit dem frühen 19. Jahrhundert. Eine mögliche Betrachtungsweise ist die einer abstrakten Generationenfolge. Der Zweite Weltkrieg markierte einen deutlichen Einschnitt für weibliche Lebensentwürfe, ablesbar an Familienstand und Berufstätigkeit der porträtierten Frauen. Die nach 1940 geborenen Frauen sind nicht mehr allein auf die Rolle als Mutter, Ehe- und Haus­frau festgelegt, sondern können eigene berufliche Ziele verfolgen. Die getra­gene Mode erzählt auch von poli­tischen und gesellschaftlichen Entwick­lun­gen: Das starre Korsett ver­schwindet nach dem Ersten Weltkrieg etwa zeitgleich mit der Einführung des Frauenwahl­rechts. Die Durchsetzung der Hose in der Damenmode ab den 1970er Jahren geht einher mit der Eman­zi­pa­tions­bewegung. Auch die zunehmende Pluralität der Bekleidungsstile spiegelt in den 1980er Jahren die gesellschaftlichen Entwicklungen wider. Diese Wechselwirkungen verdeutlicht ein Zeitstrahl.

KLEIDUNG ALS ARCHIV
Die Ausstellungsgestaltung ist inspiriert vom Archiv. Sie verweist auf die Aufgabe des Sammelns und Erforschens in Museen, aber auch auf die Archivfunktion der Kleider selbst als materielle Zeugnisse von Design-, Technik- und Handelsgeschichte, als Spur von individuellen Körpern, Bewegung und Gebrauch und als Sammlung immaterieller Ver­weise auf die Aura eines Menschen mit Vorstellungen von Weiblichkeit, Schönheit, Schicklichkeit und persönlichen und kollektiven Erinnerungen.

KLEIDUNG ALS GEBRAUCHSGEGENSTAND
Kleidungsstücke sind Gebrauchsgegenstände, in die Nutzungs- und Körper­spuren, Materialalterung und Lagerung eingeschrieben sind. Diese Zeichen sind weder im privaten Kleiderschrank noch in Museums­samm­lungen gerne gesehen – als Indizien für die objektbasierte Forschung erweisen sie sich aber als äußerst wertvoll. Die Ausstellung zeigt daher auch Objekte mit deutlichen Gebrauchsspuren und informiert über ihren Erhaltungszustand.

KLEIDUNG ALS MITTEL SOZIALER KOMMUNIKATION
Bekleidungsnormen und Dresscodes sind abhängig von Faktoren wie Alter, Gender, Körperform, Anlass, Ort, Status oder sozialer Gruppe. Sich in diesem Zeichenlabyrinth zurechtzufinden und die persönlich passende Mischung aus Anpassung und Abweichung zu finden, lernen wir von Kindheit an. Mode und die Beschäftigung mit dem eigenen Aussehen ist – das erzählen die gezeigten Biografien – bis heute vor allem ein Thema von Frauen und weiblich gelesenen Menschen. Sie werden stärker nach ihrem Äußeren beurteilt und können mehr „Fehler“ in der Inszenie­rung ihrer Erscheinung machen als Männer. Als Mittel der sozialen Kommu­ni­kation kann Kleidung nicht hoch genug eingeschätzt werden. Ihre Wirkung ist unmittelbar. Bewusst oder unbewusst senden und empfangen wir Signale mit unseren bekleideten Körpern – nicht zu kommunizieren ist unmöglich.

VERTRETENE MODEHÄUSER UND DESIGNER*INNEN
Die Ausstellung gibt einen detaillierten Einblick in Sammlungsbestände von hoher Qualität und in das kreative Schaffen einer Vielzahl anonymer und bekannter nationaler und internationaler Mode­designer*innen Couturi*éres und Ateliers, darunter Georges Dœuillet, Romeo Gigli, Rei Kawakubo/Comme des Garçons, Alice Lanot, Emilienne Manassé, Maison Martin Margiela, Issey Miyake, Rick Owens, Prada, Yves Saint Laurent, Elsa Schiaparelli, Worth, Yohji Yamamoto u.a.

KATALOG

Zur Ausstellung erscheint ein gleichnamiger Katalog im Hirmer Verlag München, hg. von Tulga Beyerle und Angelika Riley, mit Beiträgen von C. Beermann, T. Beyerle, J. Entwistle, B. Haase, P. Kempe, I. Mida, A. Riley, M. Stabel, Fotografien von Anne Schönharting, deutsche Ausgabe mit zwei englischsprachigen Essays, ca. 300 Seiten, ca. 475 Abbildun­gen in Farbe, davon 90 ganzseitige Tafeln, € 49,90

Ingo Offermanns (Hamburg) übernimmt die grafische Gestaltung für Katalog und Ausstellung. Die Architektur der Ausstellung wird verant­wortet von der Gestalterin und Szenografin Katleen Arthen (Berlin).

Die Ausstellung wird gefördert durch den Ausstellungsfonds der Freien und Hansestadt Hamburg, die Hubertus Wald Stiftung und die Ernst von Siemens Kunststiftung.

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