Wie erst jetzt bekannt wurde, ist am 13. Februar 2022 der Philosoph und Professor für Sprache und Ästhetik Prof. Dr. Burghart Schmidt im Alter von 79 Jahren in Österreich gestorben. Der Talheimer Verlag trauert um einen außergewöhnlich belesenen und wissensreichen Autor.

Er studierte und promovierte im Fach Philosophie an der Universität Tübingen. An der Uni Hannover habilitierte er sich. Er lehrte in Wuppertal, Hannover, Wien und Offenbach. Burghart Schmidt wirkte als Assistent Ernst Blochs und unterstützte Karola und Ernst Bloch bei der Edition der Blochschen Werkgesamtausgabe im Suhrkamp Verlag.

Zwischen 1994 und 2008 publizierte er – neben seinen zahlreichen akademischen Fachveröffentlichungen – mehrfach als Autor in den Buch-Reihen „Bloch-Almanach“ und „Bloch-Jahrbuch“. Burghart Schmidt war Mitbegründer und langjähriger Präsident der Ernst-Bloch-Gesellschaft. Ende der neunziger Jahre begleitete er die konzeptionellen Arbeiten zur Gründung des Ernst-Bloch-Zentrums in Ludwigshafen am Rhein

Der Philosoph widmete sich auch dem Verhältnis Ernst Blochs zum Denken des Bauhauses. Im „Bloch-Jahrbuch 2008“ mit dem Titel „Ernst Bloch und das Bauhaus gestern und heute“ veröffentlichte er seinen Aufsatz „Erinnerungen ans Bauhaus in Blochscher Perspektive und was damit zusammenhängt“. Wir wollen ihn mit einem Textauszug daraus noch einmal selbst zu Wort kommen lassen:

[…] Wenn man also weiterhin vom Bauhaus lernen will, dann liegt die Hauptlehre in den freien Künsten als großes Versuchsunternehmen auf neue Lebensformen, experimentell gerade durch Distanz von Kunst und Leben, womit nämlich erst Reversibilität der Versuche gewährleistet ist, das Schillersche „Spiel“, worin der Mensch erst ganz Mensch wird. Wenn nämlich die Künste, ihrem Wesen nach der motorische Hintergrund des sich anwendenden Gestaltens, so Gropius’ Initiationsidee zum Bauhaus, der Auftragsvergabe und den Anforderungen aus der Anwendung unterworfen werden sollen und dadurch ihre Spielfreiheit verlieren, Tendenzen, die sich für die Bauhausgeschichte eben mit Hannes Meyer verbinden, setzt das ein, wogegen die Bauhaus-Idee Widerstand leisten müsste. Denn, wo in postmodernen Zeiten Wolfgang Welsch das Zeitalter des Designs verkündete, wurde das von kunstunwilligen Designern interessiert völlig missverstanden. Welsch hatte nämlich aus diesem Spruch heraus und zu ihm hinein ganz anderes, nämlich an Kunst sich orientieren-des Design vorausgesetzt, eben Bauhaus-Idee statt Kunst im Schulungsdienst des marktorientierten Designs oder Freispiel zur Erhöhung der Bereitschaft für Einfälle, heilige Ölung der Phantasie.

Zu solchen Perspektiven freilich darf man sich nicht an den extremen Innovationskult halten, der sich ebenfalls im Bauhaus regte und gegenüber allem Vergangenen hatte tabula rasa machen wollen, gespiegelt in Walter Benjamins berühmtem Essay vom destruktiven Charakter. Dieser Innovationskult verheizt ja Alles vorzeitig und richtet sich gegen jede Nachhaltigkeit, wie sie jetzt in unserer Zeit zu Recht als eine wichtige Aufgabe anzutreten beginnt.

Auch brachte dieser Innovationskult ja das Bauhaus geradezu in die Nähe der Bewegungen, die, mit welcher Gewaltsamkeit auch immer, einen Neuen Menschen hervorzubringen programmierten. Bloch stand mit seiner Lehre von einer „Zukunft in der Vergangenheit“ stets quer zu solchen Bewegungen und damit zu solchen Tendenzen im Bauhaus, auch wenn er vom Neuen Menschen träumte, dann aber als gar nicht so neuem.

Man muss das Bauhaus vielmehr aus der Perspektive sehen, in der es ein Produktionsinstitut zu Vorschlägen und reversiblen Erprobungen der Vorschläge darzustellen vermochte. In solcher Perspektive hatte es nichts mit Autoritätsdidaktiken von Eliten zu tun, die meinten zu wissen, wo es am besten entlangginge für die das nicht wissenden Vielen, und die den Neuen Menschen formen wollten nach ihrem Bilde.

Vorschläge müssen allerdings phasenweise in Autoren-Autorität entworfen werden, sonst kommt keine komplexere Idee in hinreichenden Differenzierungen zustande, Ergebnis wäre, wie in unserer Einschaltquotenmentalität, der kleinste gemeinsame Nenner, der nichts mehr benennt. Doch dann gehen Vorschläge ein in kollektive Diskussionen und die Ent-scheidungen über Vorschläge fallen ganz woanders als in den Vorschlags-Eliten. […]

(Auszug aus: Burghart Schmidt: Erinnerungen ans Bauhaus in Blochscher Perspektive und was damit zusammenhängt. In: Bloch-Jahrbuch 2008. Ernst Bloch und das Bauhaus gestern und heute. S. 60ff., ISBN 978-3-89376-128-9)  

 

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