Science-Fiction Serien der 60er und 70er Jahren wie Star Trek beschreiben eine Zukunft, in der enorme soziale und technische Fortschritte erzielt werden. Soziale Ungleichheit, Rassismus, Intoleranz, Armut und Krieg sind überwunden. Star Trek war im 23. Jahrhundert angesiedelt. Zeit also, sich das 21. Jahrhundert musikalisch und politisch genauer anzuschauen und zu sehen, wie die Musiker:innen sich den Themen Diaspora, Migration und musikalische Identität nähern.

Der Jazz als eine Form der Musik, die auf gesellschaftlichen Missständen wie Rassismus basiert und ihre gesellschaftlichen Wurzeln auch in erzwungener Migration und Sklaverei hat, wurde von einer jüngeren Generation nicht mehr als eine radikale Musikform wahrgenommen. Vielmehr galt der Jazz vielen Zuhörer:innen als alt und verstaubt. In den letzten zehn Jahren hat sich eine junge Generation durchgesetzt, die ein gleichaltriges Publikum anspricht. Überhaupt ließ sich ein verstärktes Selbstbewusstsein des europäischen, „weißen“ und männlich dominierten Jazz feststellen, so dass mittlerweile wieder der Wunsch nach mehr Heterogenität und Gleichberechtigung geäußert wird. Nach wie vor sind Musikerinnen im Jazz unterrepräsentiert und noch mehr sind solche mit Migrationshintergrund in der absoluten Minderheit. Das Programm der Jazzoffensive 2022 konzentriert sich auf Projekte, die in ihren Line-ups, Migrationshintergrund, sexuelle Vielfalt und/oder Geschlechterdiversität integrieren.

LINE-UP

Mit Paul Brody‘s Sadawi ist eine Band eingeladen, die neben dem New Yorker Trompeter Brody mit Berliner Musiker:innen arbeitet. Aus einer reinen Männerband, die sich der „Radical Jewish Culture“ verschrieben hat, ist eine Band mit einer ausgeglicheneren Besetzung geworden, indem zwei Positionen durch Frauen besetzt wurden, die sich ebenfalls mit Free Jazz, Punk und World Music beschäftigen. Sadawi hat bereits mehrere CDs auf John Zorns renommierten Label Tzadik veröffentlicht.

Die Musik vom Gitarristen Jean-Paul Bourelly ist geprägt von der haitianischen Migrantengemeinschaft und der südlichen Kultur der South Side von Chicago, in der er aufgewachsen ist. In seinen frühen Jahren arbeitete er mit namhaften Jazzgrößen wie dem Schlagzeuger Elvin Jones, Pharoah Sanders, dem AACM-Gründer Muhal Richard Abrams und Roy Haynes zusammen und nahm mit Miles Davis auf. Schon früh machte er auf sich aufmerksam, indem er auf der Abrams-Veröffentlichung Blues Forever mitwirkte, die als DownBeat-Platte des Jahres ausgezeichnet wurde. Er arbeitete auch mit verschiedenen Mitgliedern einer neuen Generation von Experimentatoren in genreübergreifender Musik wie Olu Dara, Henry Threadgill, Steve Coleman und Graham Haynes zusammen. Jean-Paul Bourelly ist ein innovativer und experimentierfreudiger Gitarrist und Komponist, der es versteht, verschiedene Musikstile zu einem kohärenten Ausdruck zu verschmelzen und zu verbiegen. Homepage

Das Projekt Soniq kommt aus Köln und ist ein festes Trio bestehend aus Christina Fuchs, Ramesh Shothamund Jarry Singla, die sich in immer neue musikalische Auseinandersetzung mit Musiker:innen aus dem Nahen Osten, Asien, etc. begeben. Die eingeladenen Musiker:innen sind durch Flucht oder Vertreibung in Köln gestrandet und versuchen sich nun in einer musikalisch und gesellschaftlich sehr diversen Umgebung mit ihren Traditionen als auch mit neuen eben auch europäischen Einflüssen auseinanderzusetzen. Mit Soniq hat sich eine internationale Musiker:innen Gemeinschaft gebildet, die sich gegenseitig ergänzt und neue musikalische Wege auslotet. Youtube

Stian Westerhus stellt mit der Sängerin, live-Elektronikerin und Visual Artistin Maja Ratkje ein spannendes Projekt zwischen Neuer und elektronischer Musik, Noise und Jazz vor. Homepage Ratkje / Youtube Ratkje / Youtube Westerhus

Anarchist Republic Of Bzzz ist ein genreübergreifendes Kollektiv: Noise-Jazz-Spokenword. Die staatenlose Nation (daher die Gründung ihrer eigenen Republik) entstand Anfang der 2000er Jahre heimlich auf Initiative von Seb El Zin. Es begann eine farbenfrohe Odyssee, die eine Brücke zwischen der formalen Komplexität von Jazz, improvisierter Musik, Hip Hop, ethnischer Musik, Elektronik, No Wave und der Energie des Punks schlägt. Homepage / Youtube

Das Kama Orchestra ist ein brandneu gegründetes Groove-Brass Orchester aus Potsdam. Die Besonderheit dieses Ensembles liegt in der ungewöhnlichen Besetzung: Mit insgesamt 20 verschiedenen, mehrfach besetzten Brass Instrumenten und einer Rhythmusgruppe, die zum Teil mit selbst entwickelten Perkussionsinstrumenten ergänzt wird, mischt Kama Orchestra die Szene der großen Jazzensembles auf. Musikalisch verarbeitet die Band Global Beats, Funkjazz und tanzbare Clubsounds. Und noch ein Alleinstellungsmerkmal: Bei Kama Orchestra spielen Teenager mit älteren Semestern zusammen, sowie Profis neben Amateuren- von 15 Jahren bis über 50. Ein extrem diverses und spannendes Experiment und eine Brücke zu einer ganz jungen Generation. Das Kama Orchestra ist im Festival der Beitrag der Konzertreihe JazzLab der fabrik Potsdam. Homepage

PREISINFO
Tagesticket: 30 €, erm. 15 €
Festivalticket: 45 €, erm. 25 €
Abendkasse + 1 €

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