Die Ausstellung thematisiert den »Boxerkrieg« aus Sicht der Provenienzforschung. Erstmals werden chinesische Objekte gezeigt, die in der Folge des Konfliktes nach Hannover gelangt sind. Neben dem kulturellen Hintergrund der Exponate, werden auch die aktuellen Rechercheergebnisse zu ihrer Herkunft präsentiert und die Geschichte ihrer Aneignung durch Graf Königsmarck erzählt.
 
»Alles begann mit einer Passage im Jahrbuch des Provinzialmuseums (wie das Landesmuseum Hannover bis 1933 hieß) von 1909/10. Dort heißt es unter den Neuerwerbungen: „Von einem ungenannten Geber wurden dem Museum folgende Gegenstände aus Tempeln des Kaiserpalastes zu Peking geschenkt: 6, meist auf Seide gemalte Bilder (Porträts und szenische Darstellungen). Bronzefiguren und Thonplaketten: Buddha-Darstellungen. Eine Fayencefigur, eine Gottheit darstellend.“ Ein Verdacht entstand – könnten diese Objekte im Zusammenhang mit dem Boxerkrieg nach Hannover gelangt sein? Für den Fachbereich Provenienzforschung war klar, dass hier dringender Recherchebedarf bestand«, so Maik Jachens, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Provenienzforschung und Kurator der Ausstellung. 

Beim »Boxerkrieg« von 1900/01 handelte es sich um einen Krieg zwischen einer Allianz aus 8 Staaten (Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Russland, USA, Japan, Italien, Österreich-Ungarn) und dem Kaiserreich China. Der Name dieses Konfliktes leitet sich von den Yihequan (=Fäuste der Gerechtigkeit und Harmonie) her, welche auf Grund ihres Namens und des Praktizierens von Kampfsportarten im Ausland als »Boxer« bekannt wurden. Bei dieser Bewegung handelte es sich um eine Geheimgesellschaft, die um 1900 gegen den wachsenden kolonialen Einfluss in China vorging, oft auch mit Gewalt. So gerieten vor allem Missionare und chinesische Konvertiten ins Visier der Bewegung, manche wurden getötet. Als in Peking der deutsche Gesandte von den Yihequan ermordet wurde, schlossen sich die Kolonialmächte zu einer Allianz zusammen und schickten Truppen nach China. Im August 1900 wurde Peking erobert. Die ausländischen Soldaten plünderten, vergewaltigten und mordeten in der chinesischen Hauptstadt. Der Krieg war damit militärisch zugunsten der Allianz entschieden, doch der deutsche Oberbefehlshaber Graf Waldersee setzte den Feldzug fort, sodass weitere Orte das Schicksal Pekings erlitten. Erst im September 1901 endete der Krieg mit der Unterzeichnung des sogenannten »Boxerprotokolls«. Dieser Friedensvertrag verpflichtete China zur Zahlung einer enormen Kriegsentschädigung und vergrößerte den kolonialen Einfluss im Land noch weiter.

Bei der Suche nach der Herkunft der Objekte erhärtete sich der Verdacht sehr schnell, dass es sich dabei um Kriegsbeute aus dem Boxerkrieg handelte. Der Mann, der dem Museum die Gegenstände übergab, Friedrich Graf von Königsmarck, hatte als Offizier im Stab von Graf Waldersee in China gedient. Es fand sich zudem im Archiv des Fachbereiches Ethnologie ein Notizzettel, der Angaben Königsmarcks zur Herkunft der Objekte enthielt: Demnach stammten sie tatsächlich aus der Plünderung Pekings und sind somit unrechtmäßig nach Hannover gelangt. Königsmarck, bis 1910 in Hannover stationiert, übergab sie dem Provinzialmuseum Hannover kurz vor seiner Entlassung aus dem Militärdienst. Unklar bleibt jedoch vorerst der genaue Herkunftsort innerhalb Pekings, denn hier verbleiben Ungereimtheiten und Widersprüche in Königsmarcks Geschichte.
 
In den WechselWelten werden die Objekte zum ersten Mal gezeigt und die Ergebnisse der Recherche zu ihrer Herkunft präsentiert. Die Geschichte der Aneignung der Objekte durch Graf Königsmarck, der historische Hintergrund des Boxerkrieges sowie der kulturelle Hintergrund der Objekte stellen die drei primären Teilbereiche der Ausstellung dar. Auch das Problem der genauen Verortung der Objekte innerhalb Pekings sowie der weitere Umgang mit der Sammlung werden in der Schau thematisiert.
 
In der öffentlichen Debatte um koloniale Kontexte und Rückgaben von Kulturgut in die Herkunftsländer wird China zumeist übersehen. Dabei finden sich gerade in Hannover Spuren des »Boxerkrieges«, etwa die Walderseestraße und das Waldersee-Denkmal in der Eilenriede. Doch auch in den Museen lassen sich derartige Spuren finden, wie die fragliche Kriegsbeute aus China beweist. Weitere Funde sind wahrscheinlich, weitere Aufklärung notwendig.

»Unsere Ausstellung möchte dazu einen Beitrag leisten, dass die Ereignisse von 1900 nicht in Vergessenheit geraten und ihre Spuren in der Öffentlichkeit sichtbarer werden. Für die von Graf Königsmarck übergebenen Objekte ist zu sagen, dass das Landesmuseum Hannover bestrebt ist, in Gespräche mit den zuständigen Stellen in China einzutreten, um über den weiteren Umgang mit ihnen zu beraten. Sofern gewünscht, sollen die Objekte nach China zurückgeführt werden«, sagt Prof. Dr. Katja Lembke, Direktorin des Landesmuseums Hannover. 
 
Die Ausstellung kann im Rahmen des regulären Museumseintritts (5 €, ermäßigt 4 €, Familien 10 €) besucht werden.

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