Krieg in der Ukraine, steigende Energiepreise, Klimawandel und die Folgen der Pandemie – trotz sich überlagernder Krisen war 2022 kein Jahr konfrontativer Proteste. Im Gegenteil: Die Radikalisierungstendenz der vergangenen beiden Corona-Jahre setzte sich 2022 nicht fort. Obwohl Teile der Klimabewegung, allen voran „Die Letzte Generation“, im Herbst häufig auf Protestformen wie Straßenblockaden und Flughafenbesetzungen zurückgriffen, lag das Niveau konfrontativer und gewaltförmiger Proteste deutlich unter dem der pandemischen Vorjahre. Auch die steigenden Energie- und Lebenshaltungskosten mobilisierten 2022 weniger als erwartet. Zu diesen Ergebnissen kommen WZB-Forschende des Zentrums für Zivilgesellschaftsforschung in ihrem Protest-Monitoring für das zurückliegende Jahr.

Im Vergleich zu den Pandemiejahren fanden 2022 weniger, dafür größere Protestereignisse mit hohen Teilnehmerzahlen statt. Der „heiße“ Herbst blieb mit Blick auf die erwarteten Proteste zur Energiekrise aus. Weniger als zehn Prozent der insgesamt erfassten Protestereignisse sind der Mobilisierung zu Energie- und Lebenshaltungskosten zuzuordnen.  

Zwar konnte sich mehr als jede/r vierte Befragte vorstellen, an einer Demonstration gegen die steigenden Energie- und Lebenshaltungskosten teilzunehmen. Ergebnisse eines Umfrageexperiments zeigen aber, dass die Teilnahmebereitschaft an solchen Protesten deutlich sinkt, wenn sie von politischen Parteien mitorganisiert werden. Dies gilt insbesondere für Demonstrationsaufrufe, die von der AfD unterstützt werden. Den Parteien Die Linke und der AfD fehlte es 2022 an Mobilisierungskraft. Die Schwäche der mobilisierenden Akteure ist neben den Entlastungspaketen der Bundesregierung und der Überlagerung mit anderen Protestthemen ein zentraler Faktor für das Ausbleiben einer starken Protestwelle.

Generell zeigten etwa zwei Drittel der Befragten viel Verständnis für die Proteste gegen steigende Energie-Preise – vor allem im Vergleich zu den Corona-Protesten, für die nur etwa jede/r Vierte Verständnis aufbrachte. Die Proteste sprechen insbesondere Wählerinnen und Wähler der AfD an, am wenigsten die Wähler*innen von Bündnis 90/Die Grünen. Die Menschen, die Proteste befürworten, unterstützen zwar ökonomisch eher linke Forderungen, wie etwa die Einführung eines Gaspreisdeckels, vertreten aber gleichzeitig kulturell konservative und rechte Positionen, zum Beispiel die Begrenzung der Aufnahme Geflüchteter.

Bestimmende Themen waren im vergangenen Jahr der Umwelt- und Klimaschutz sowie die Solidarität mit der Ukraine und den Protesten im Iran. Nach zwei Jahren Pandemie kehrte der Protest auf die Straße zurück. WZB-Forschende sprechen daher auch von einer Normalisierung des Protestgeschehens. Es kam wieder vermehrt zu Massendemonstrationen bei gleichzeitigem Rückgang radikaler Protestformen.

Diese Ergebnisse basieren auf der systematischen Analyse von Protestereignissen in 2022. Darüber hinaus haben die WZB-Forschenden im Dezember rund 2.800 Menschen in Deutschland repräsentativ zu ihrem Protestverhalten und ihren politischen Einstellungen befragt.

Das WZB-Protest-Monitoring ist Teil des durch das BMBF und BMI geförderten Spitzenforschungsclusters „Monitoringsystem und Transferplattform Radikalisierung“ (MOTRA). Die Ergebnisse zum Protestgeschehen 2022 stellen WZB-Forschende am 28. Februar und 1. März 2023 auf der MOTRA-Jahrestagung vor.

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