Vogelsbergkreis. Mit 25 Jahren ist Niklas Wudel aus Herbstein sozusagen Großunternehmer: In seinem Betrieb arbeiten fast eine Million weibliche Angestellte. Wie viele es genau sind, kann er nicht sagen. Denn würde er sie zählen wollen, würde er vor lauter Summen und Brummen bestimmt schnell durcheinanderkommen. Wudel ist Imker – und seit einigen Monaten auch Bienensachverständiger des Vogelsbergkreises.

Selten lag das Wohl von Insekten den Menschen so sehr am Herzen wie heute. Besonders auf die Biene wird Acht gegeben, ist sie doch hauptverantwortlich für gute Ernten und ökologische Artenvielfalt. Allein im Vogelsbergkreis gibt es acht Bienensachverständige, kurz BSV, die sich um das Wohl der gelbbraunen Tiere kümmern. Sie unterstützen das Veterinäramt bei der Bekämpfung von Krankheiten und Seuchen in den Bienenvölkern und sind Ansprechpartner für Imker bei allerlei Fragen.

„Wenn zum Beispiel jemand sein Volk verstellen möchte, dann braucht er eine Gesundheitsbescheinigung, damit eventuelle Seuchen nicht in andere Gebiete verschleppt werden können“, erklärt Wudel und hebt den Deckel einer der Holzkisten hoch, in denen „seine Mädels“ leben. „Mhm, das duftet“, sagt er, als er sich darüber beugt und mit bloßen Händen ein paar der Bienen zur Seite schiebt. Auf die Frage, ob er denn keine Angst vor Stichen hat, kann er nur schmunzeln: „Man lernt irgendwann, das Verhalten der Bienen zu deuten“, sagt er, und als dann doch mal ein Stachel in seinem Finger landet, zieht er ihn einfach heraus und beachtet die Einstichstelle gar nicht weiter.

Viel zu sehr freut er sich darüber, dass just in dem Moment, in dem er in einem Stock im Wald nach dem Rechten schaut, die Bienenkönigin aus ihrer Zelle schlüpft. „Das erlebt man nicht oft“, sagt Wudel. Im vergangenen Jahr hat er die Prüfung zum Bienensachverständigen abgelegt. Der Grund, aus dem er sich dazu entschlossen hat, ist ein ganz persönlicher: „Ich habe vor etwa zwei Jahren selbst einen Bienensachverständigen gebraucht, weil ich Sackbrut in einem meiner Völker entdeckt habe. Es hat mich damals so gestört, dass ich nicht wusste, was mit meinen Mädels ist, dass ich beim Veterinäramt angefragt habe, ob noch jemand gebraucht wird“, erinnert er sich.

Nachdem er einige Lehrgänge und die notwendige Prüfung abgelegt hatte, wurde Wudel also selbst zum Bienensachverständigen und steht seitdem den Imkern im Vogelsberg mit Rat und Tat zur Seite. Und darauf ist er stolz, über „seine Mädels“ geht für Wudel nichts. „Bienen tun so viel Gutes für uns Menschen“, sagt er. Honig sei für ihn zum Beispiel das Heilmittel schlechthin. Und was ihn noch begeistert, ist die Perfektion, die in der Bienenwelt herrsche. Ein Blick auf die sechseckigen Wabenzellen, die nahezu perfekt identisch aussehen, bestätigt seine Aussage.

Fünf Fragen an Dr. Maria DoldererLitmeyer, Leiterin des Amtes für Veterinärwesen und Verbraucherschutz:

1. Warum braucht der Vogelsberg einen Bienensachverständigen?

Bienensachverständige sind speziell ausgebildete Imker mit mindestens fünf Jahren praktischer Erfahrung in der Imkerei. Sie müssen zusätzliche Ausbildungen durchlaufen, die sie für die Tätigkeit des Bienensachverständigen qualifizieren. Mit Ihrem Spezialwissen können sie wesentlich die Veterinärämter bei der Bekämpfung von Krankheiten und Seuchen in den Bienenvölkern unterstützen. Außerdem sind sie qualifizierte Ansprechpartner und Berater für Imker mit sonstigen Problemen in ihren Bienenständen.

2. Wie viele Bienensachverständige gibt es derzeit im Vogelsberg?

Im Vogelsbergkreis sind zurzeit acht Bienensachverständige aktiv tätig.

3. Für welchen Zeitraum werden sie vereidigt?

Bienensachverständige werden jeweils für drei Jahre bestellt und sind verpflichtet, innerhalb dieser drei Jahre mindestens eine Weiterbildung zu absolvieren.

4. Was sind ihre Hauptaufgaben?

Solange keine Bienenseuchen bekämpft werden müssen, besteht die Hauptaufgabe der Bienensachverständigen in der Untersuchung von Bienenvölkern als Grundlage für eine amtstierärztliche Gesundheitsbescheinigung, in der die Freiheit von Amerikanischer Faulbrut bescheinigt wird. Diese Bescheinigung ist vor jedem Verstellen von Bienenvölkern erforderlich, damit diese Bienenseuche nicht in neue Gebiete verschleppt werden kann. Beim Ausbruch von Bienenseuchen sind sie qualifizierte Helfer und Berater für Veterinäramt und betroffene Imker und tragen dazu bei, dass Seuchenherde schnell bekämpft werden und Bienenseuchen sich nicht in andere Gebiete verbreiten können.

5. Welche Voraussetzungen müssen Anwärter erfüllen?

Wie schon erwähnt, ist die Voraussetzung die fünfjährige praktische Erfahrung in der Imkerei, die erfolgreiche Absolvierung der vorgeschriebenen zusätzlichen Lehrgänge, ein gutes Vertrauensverhältnis zu den Imkern und die Bereitschaft, mit dem zuständigen Veterinäramt eng und vertrauensvoll zusammenzuarbeiten.

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