Landwirtschaft hat für die Region Westfalen-Lippe weiterhin eine enorme Bedeutung – einerseits für die regionale Produktion hochwertiger gesunder Lebensmittel, andererseits für rund 60.000 Arbeitnehmer, denen sie ein Einkommen sichert. Nach der Corona-Pandemie hat das zurückliegende Jahr dem landwirtschaftlichen Berufsstand zusätzliche Belastungen gebracht: Als Folge des Ukraine-Kriegs sind insbesondere hohe Energie-, Dünger- und Futtermittelpreise sowie Personalprobleme, Lieferengpässe und Wartezeiten in nahezu allen Zuliefererbereichen zu verbuchen. Für Verbraucherinnen und Verbraucher zeigen sich die Auswirkungen in deutlichen Teuerungsraten von rund 20 Prozent bei Lebensmitteln.

Schweinehaltung „in schwierigem Fahrwasser“

„Die Unwägbarkeiten auf Bundes- und EU-Ebene führen aufgrund fehlender politischer Rahmenbedingungen und zunehmender Auflagen zu einem nahezu flächendeckenden Investitionsstillstand in der Landwirtschaft. So werden Betriebe bei der Weiterentwicklung ihrer Ställe hin zu mehr Tierwohl ausgebremst“, weiß Hubertus Beringmeier, Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV e.V.). Im Rahmen des diesjährigen Havichhorster Presseabends beleuchtete er die aktuelle Situation der Landwirtschaft und die Stimmungslage im Berufsstand: „Wir bedauern sehr, dass aufgrund fehlender Perspektiven vielen tierhaltenden Betriebe, allen voran denjenigen mit Schweinehaltung, das Schließen droht. Die Schweinehaltung befindet sich in äußerst schwierigem Fahrwasser, weil seitens der Politik bis jetzt keinerlei Planungssicherheit geboten wird“, macht Hubertus Beringmeier deutlich.

Tierhalter brauchen Planungssicherheit und verlässliche Rahmenbedingungen

Während Ackerbau-, Milch- und Rindviehbetriebe trotz deutlicher Kostensteigerungen von höheren Erzeugerpreisen profitiert haben, hat sich die Situation für Betriebe mit Schweinehaltung kaum verbessert. Gestiegene Futter- und Energiekosten sowie der rückläufige Fleischverzehr drückten die Unternehmensergebnisse insbesondere in der Sauenhaltung. Die Schweinehaltung brauche jetzt dringend Planungssicherheit und verlässliche Rahmenbedingungen seitens der Politik, um die Betriebe zukunftsfähig aufzustellen. „Es geht darum, den Umbau der Tierhaltung hin zu noch mehr Tierwohl auf eine solide Grundlage mit Finanzierungssicherheit zu stellen. Ansonsten wird sich der aktuell deutliche Rückgang in der Schweinehaltung in Deutschland verstärken. Künftig werden zusätzliche Betriebsschwerpunkte von Nöten sein, weil die Spezialisierung auf ein einzelnes Standbein nicht länger krisensicher ist“, stellt Hubertus Beringmeier fest.

Bundesprogramm „Umbau der Tierhaltung“ schließt Mehrheit der Schweinehalter von Förderung aus

Der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband begrüßt das geplante Tierhaltungskennzeichnungsgesetz, da es die regionale Tierhaltung grundsätzlich stärken könnte. Von Verbandsseite wird jedoch kritisiert, dass der vorliegende Gesetzentwurf auf frisches Schweinefleisch begrenzt ist. Der Verband fordert von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir die zusätzliche Einführung einer Herkunftskennzeichnung, so dass aus der Tierhaltung gewonnene Produkte künftig mit „5D“ (geboren, aufgezogen, gemästet, geschlachtet und verarbeitet in Deutschland) ausgezeichnet werden könnten. Das neu aufgelegte Bundesprogramm „Umbau der Tierhaltung“ wertet WLV-Präsident Hubertus Beringmeier als „Frontalangriff auf die bäuerlichen Familienbetriebe in Westfalen-Lippe! Es schließt die große Mehrheit der Schweinehalter schlicht von der Förderung aus“. Der Bauernpräsident plädiert dafür, den Vorschlägen der sog. Borchert-Kommission, die unter anderem die Einführung einer mengenbezogenen Verbrauchssteuer auf tierische Produkte empfiehlt, um den Umbau der Tierhaltung zu finanzieren, nun endlich Taten folgen zu lassen. Der Berufsstand sieht in den Empfehlungen geeignete Perspektiven, um die Landwirtschaft insgesamt zukunftsfähig aufzustellen.

Appell für kooperativen Naturschutz

Auch mit Blick auf den Natur- und Umweltschutz seien die Landwirtinnen und Landwirte in WestfalenLippe bereit, kooperativen Naturschutz mit allen Naturschutzinteressierten umzusetzen. Bürokratische, langjährige und enorm aufwendige Genehmigungsverfahren, wie mit der Industrieemissionsrichtlinie geplant, seien jedoch kein geeignetes Instrument für die effektive Reduktion von Emissionen. Vielmehr führten derartige Bestrebungen zur Aufgabe gerade der vielen kleinen Höfe, weil diese sich vorgesehene Techniken und Genehmigungsverfahren schlicht nicht mehr leisten könnten. Zudem konterkariere die Richtlinie ihren eigentlichen Zweck, künftig Tierwohlställe mit mehr Auslauf und Außenklima zu ermöglichen.

Zukunfts-Bauer soll gesellschaftlichen Ansprüchen Rechnung tragen

Trotz der aktuellen Herausforderungen blickt der Berufsstand auch mit Zuversicht auf das neue Jahr. Schon während der Corona-Pandemie hatte sich gezeigt, dass das Selbstbild der Landwirte als Ernährer nicht dauerhaft verfängt, weil die Sorge um die Grundversorgung hierzulande insgesamt gering ist. Jedoch sei es nach Einschätzung des Landwirtschaftsverbandes auch im Interesse der Konsumenten, auf Dauer eine nachhaltigere Produktion zu schaffen. Hier böte sich ein gemeinsamer Konsens, den die Landwirtinnen und Landwirte als Chance begreifen, um ausgewählte Handlungsfelder (von Erneuerbaren Energien und Biodiversität bis zum Tierwohl) künftig hin zu mehr gesellschaftlicher Akzeptanz zu gestalten. Mit dem Konzept des „Zukunfts-Bauern“ wird diese Idee derzeit im Berufsstand von der Ortsbis zur Bundesebene breit diskutiert und soll langfristig konkrete Lösungen aufzeigen, die einerseits den gesellschaftlichen Ansprüchen Rechnung tragen und gleichzeitig den landwirtschaftlichen Betrieben Zukunftsperspektiven bieten.

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