Auch bei der Klage des Erwerbers eines VW Tiguan kam es, ganz VW-typisch, zu keinem höchstinstanzlichen Urteil. Dennoch hat sich der BGH – quasi freiwillig – zur Sache geäußert. Aus einem Hinweisbeschluss geht hervor, wie der zuständige 8. Senat die Frage nach der Mangelhaftigkeit eines mit unzulässiger Abschalteinrichtung gelieferten Fahrzeugs beurteilt. Zugleich soll ein Generationenwechsel in der Modellserie nicht zwingend die Unmöglichkeit einer Nachlieferung bedingen.

Verhandlungstermin aufgehoben

Das Verfahren drehte sich um eine der zahlreichen Klagen im Umfeld der sogenannten Dieselaffäre. Der Erwerber eines VW Tiguan erster Generation hatte vom Verkäufer die Ersatzlieferung eines mangelfreien Fahrzeugs verlangt. Produziert wurde seitens des Herstellers VW allerdings nur noch das Modell in zweiter Generation. In der Berufungsinstanz hatte das OLG Bamberg (Urt. v. 20.09.2017, Az. 6 U 5/17) die Ersatzlieferung als im Sinne des § 275 Abs. 1 BGB unmöglich eingestuft, da sich auf Grund des Vergleichs der technischen Merkmale des Fahrzeugs erster und zweiter Generation ergebe, dass beide Fahrzeuge nicht als gleichartige Sachen betrachtet werden können. Nach erfolgreicher Nichtzulassungsbeschwerde verfolgte der Kläger sein Begehren nunmehr vor dem BGH (Az. VIII ZR 225/17) weiter. Bevor es zur auf den 27.02.2019 festgesetzten mündlichen Verhandlung kam, nahm er seine Klage aber zurück. Es war zu einem außergerichtlichen Vergleich der beiden Parteien gekommen.

Hinweis des BGH

So weit so gut und soweit nichts Neues. Der Klagerücknahme war allerdings ein Hinweisbeschluss vom 08.01.2019 vorangegangen. In diesem legte der BGH seine vorläufige Rechtsauffassung zur Streitsache dar. Hierbei ist zweierlei beachtlich:

a) Einerseits hat der BGH darauf hingewiesen, dass in der verbauten unzulässigen Abschalteinrichtung wohl ein Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB zu erblicken sei. Das Fahrzeug sei mit dieser nämlich nicht für seine gewöhnliche Verwendung – die (zulässige) Teilnahme am Straßenverkehr – geeignet, schließlich gehe mit der unzulässigen Abschalteinrichtung die Gefahr einer behördlichen Betriebsuntersagung einher.

b) Andererseits deutete der Senat an, dass er die Annahme des OLG Bamberg, welches die Ersatzlieferung (§ 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB) infolge des Generationenwechsels als unmöglich (§ 275 Abs. 1 BGB) einstufte, möglicherweise als rechtsfehlerhaft betrachte. So soll ein nachträglicher Modellwechsel im Rahmen der Beschaffungspflicht des Verkäufers regelmäßig unbeachtlich sein. Ein Fall der Unmöglichkeit komme somit nicht zum Tragen. Es komme in solchen Fällen vielmehr allein auf die Folgefrage an, ob der Verkäufer sich auf § 439 Abs. 4 BGB berufen kann. Hiernach kann er die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung (hier die Ersatzlieferung eines mangelfreien Fahrzeugs) nur dann berechtigt verweigern, wenn diese für ihn mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden ist. Ist der Käufer ein Verbraucher, muss zudem tatsächlich eine alternative Art der Nacherfüllung bestehen (etwa ein Softwareupdate).

Der Hinweisbeschluss des BGH liegt noch nicht im Volltext vor. Die Veröffentlichung ist für demnächst vorgesehen.

Folgen für die Praxis

Zwar behauptet VW, die Klage wäre abzuweisen gewesen. Dies darf mit Blick auf die Äußerungen des BGH aber bezweifelt werden. Damit gibt es erstmals im Klagedschungel um die Abgasaffäre eine Stellungnahme aus höchster Instanz. Klar dürfte nunmehr sein, was viele schon im Vorfeld erahnt hatten – ein Fahrzeug mit unzulässiger Abschalteinrichtung ist mangelhaft. Damit sind dem Käufer eines Fahrzeugs grundlegend Nacherfüllungsansprüche gegen den Verkäufer eröffnet. Auch kann eine Ersatzlieferung unter Umständen in Gestalt eines Nachfolgemodells erfolgen. Es muss hier aber der jeweilige Einzelfall betrachtet werden. Allein die Einstufung der beiden Generationen des VW Tiguan als gleichartig hat längst nicht zur Folge, dass dies ebenso für jede andere betroffene Modellreihe gilt. Zugleich muss Beachtung finden, dass vorliegend (schuldrechtliche) Ansprüche des Käufers unmittelbar aus dem Kaufvertrag geltend gemacht wurden. Zahlreiche Klagen basieren jedoch auch auf abweichenden Anspruchsgrundlagen. Hinein spielen dabei auch Fragen der Verjährung. Schuldrechtliche Ansprüche wie der vorliegende müssen innerhalb von zwei bzw. drei Jahren (§ 438 Abs. 1 Nr. 3 bzw. Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 195 BGB) geltend gemacht werden. Darauf, welchen Ausgang Verfahren mit längerer Verjährungsfrist, etwa wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung (§ 826 BGB) nehmen werden, liefert der Hinweisbeschluss des BGH keine belastbare Aussage.

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